Brüssel. Abgeordnete aus Polen, Litauen und Rumänien haben den deutschen Mindestlohn vergangene Woche auf die Tagesordnung des Europäischen Parlamentes gesetzt. Ziel der Osteuropäer war es, den Druck auf die EU-Kommission zu erhöhen, die Anwendung der Mindestlohnvorschriften zumindest im Transportgewerbe zügig wieder zu kassieren.
„Deutschland missbraucht den Mindestlohn, um seinen Markt abzuschotten“, wetterte der Slowake Richard Sulik. Der deutsche Mindestlohn verjage alle Spediteure aus Deutschland, die diesen Lohn nicht zahlen könnten. Firmen aus Osteuropa, die außerdem noch Spesen für den Einsatz im Ausland bezahlen müssten, die nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden dürften, würden dadurch vom deutschen Markt verdrängt. Auch Vilija Blinkeviciute aus Litauen sah die Existenz vieler kleiner Speditionen aus dem Baltikum in Gefahr: “Die Kommission muss alles unternehmen, damit unsere Arbeitsplätze erhalten bleiben.“
EU-Komission lässt sich Zeit
Verkehrskommissarin Violeta Bulc versuchte die Wogen zu glätten. Die Kommission werde die deutschen Vorschriften genau unter die Lupe nehmen, versprach sie. Das werde allerdings noch etwas dauern. Die Deutschen hätten zwar inzwischen alle Fragen der Kommission im Zusammenhang mit dem Mindestlohn beantwortet. Die Auswertung des offensichtlich umfangreichen Schreibens aus Berlin sei jedoch eine „komplexe Angelegenheit“.
Die Beamten der Kommission müssten die Vereinbarkeit der deutschen Vorschriften nicht nur mit den Grundsätzen des Binnenmarktes sondern auch mit mehreren Richtlinien und Verordnungen überprüfen. Klar sei, dass der freie Waren- und Dienstleistungsverkehr von den Deutschen nicht willkürlich eingeschränkt werden dürfe.
Alle Maßnahmen müssten „angemessen und gerechtfertigt“ sein. Die Kommission setze sich allerdings auch für ordentliche Jobs im Straßengüterverkehr und einen fairen Wettbewerb ein, machte die Kommissarin deutlich. „Die Einführung des Mindestlohnes entspricht grundsätzlich den sozialpolitischen Zielen, die sich die Kommission gesetzt hat.“ Sie seien auch eine wichtige Orientierungsmarke für das Straßenpaket(„road package“), das die Kommission im nächsten Jahr vorlegen will.
Zu viel Bürokratie
Das begrüßten die Abgeordneten aus den Hochlohnländern im Westen der Union. Es gehe nicht an, dass auf Autobahnparkplätzen über die Wochenenden dutzende ausländische Lkw-Fahrer kampierten, sagte der holländische Abgeordnete Wim van de Camp (EVP). Soziale Mindeststandards müssten auch von kleinen Firmen eingehalten werden: “Sonst sind sie eben nicht lebensfähig.“ Verhältnismäßig sei es jedoch nur, den Mindestlohn für Kabotagefahrten vorzuschreiben. Für den Transitverkehr sei das „unnötig komplex“. Auch die dänische Abgeordnete Ulla Törnes hatte kein Problem mit dem deutschen Mindestlohn an sich aber „mit der damit verbundenen Bürokratie“. (tw/ks)