Es wird eng

Die Zeiten, in denen Automobillogistiker Fahrzeuge von A nach B transportierten, sind lange vorbei. Da die Pkw-Hersteller vermehrt Bereiche aus der Fahrzeugproduktion an Dienstleister übertragen, übernimmt der Automobillogistiker nicht nur die Zwischenlagerung der Fahrzeuge und die Auslieferung an den Händler, sondern auch vielfältige Mehrwertdienstleistungen. Entsprechend speziell ist auch der dazugehörige Immobilienmarkt. "Ob Lackierarbeiten an Fahrzeugen, nationale Umbauten oder andere Aufbereitungsdienstleistungen - Automobillogistiker brauchen für ihr Geschäft Standorte, die nicht nur viel Platz für Stellplätze, sondern auch Immobilien für Montagearbeiten umfassen", erläutert Kuno Neumeier, Geschäftsführer der Münchner Logistikimmobilienberatung Logivest. Darüber hinaus sollte neben der Nähe zum jeweiligen Automobilhersteller freilich Anschluss an alle Verkehrsträger, also Lkw, Bahn und Schiff, vorhanden sein. Zudem sei das Thema Diebstahlschutz wichtig in diesem Bereich der Logistik - Umzäunung und gute Beleuchtung des Geländes seien daher Pflicht für ein sicheres Areal, so Neumeier. Der Logistikimmobilienberater verzeichnet seitens der Automobillogistiker derzeit ein kontinuierliches Interesse an Flächen dieser Art. Und damit ist er nicht alleine. Peter Kragler beschäftigt sich seit über 25 Jahren mit dem Verkauf von Unternehmen und ist darüber hinaus als öffentlich bestellter und vereidigter Auktionator tätig. Der Inhaber des Augsburger Maklerunternehmens Kragler Immobilien ist derzeit mit der Entwicklung und Veräußerung des ehemaligen EADS-Areals in Bremen-Lemwerder betraut. "Bei der Entwicklung des Projektes ist höchste Kreativität gefragt, denn das Areal besticht schon einmal durch seine schiere Größe", so Kragler. Der letzte Mieter des 1,4 Millionen Quadratmeter großen Geländes war die im vergangenen Jahr insolvent gegangene Carbon-Rotec, ein Hersteller von Rotorblättern für Windkraftanlagen. Der vakante Standort punktet laut Kragler mit einer guten Anbindung wie dem Anschluss an die A 270 und die A 27 und die A 1 sowie die unmittelbare Nähe zu Hochsee und Schiene. Als ehemaliger Flughafen verfügt das Gelände sogar über eine eigene Start- und Landebahn. Als langfristige Nutzer für das Areal hat Kragler Unternehmen - vor allem aus der Automobilbranche - im Visier, die vor dem Hintergrund des Brexits eine Produktionsverlagerung nach Deutschland erwägen. Aber auch Logistikunternehmen kommen infrage. "Ich kann mir sowohl die Entwicklung eines neuen Logistikparks für mehrere Nutzer vorstellen als auch den Verkauf an einen einzelnen Logistikdienstleister, insbesondere aus dem Ausland, welcher das Gelände zum Beispiel als europäisches Verteilzentrum nutzt", sagt Kragler. 100.000 zusätzliche Parkplätze Da die Planung eines Nutzungskonzeptes, an dessen Ende im Idealfall der Verkauf des kompletten Geländes steht, mehrere Jahre beanspruchen kann, denkt er auch bei einer möglichen Zwischennutzung an Nutzer aus der Automobilindustrie: Auf dem Areal in Lemwerder könnten nicht nur bis zu 100.000 Fahrzeuge abgestellt werden. "Mit den zahlreichen Montagehallen, vorhandenem Equipment wie Kranen sowie Büroräumlichkeiten steht auch die passende Infrastruktur für die logistischen Mehrwertdienstleistungen zur Verfügung", betont der Augsburger Immobilienexperte. Kragler ist sich sicher, dass die Nachfrage nach temporären Flächen für die Automobillogistik weiter anziehen wird, und bringt in diesem Zusammenhang den Dieselskandal ins Spiel: "Angesichts des Abgasskandals ist die Frage legitim, wo die Hunderttausende von Rückrufaktionen betroffenen Autos untergebracht werden sollen, falls die momentane Praxis eines Softwareupdates irgendwann seitens Politik und Gesetzgeber nicht mehr toleriert wird. In der Schrottpresse werden diese Fahrzeuge kaum landen", sagt Kragler. Zudem zeichne sich eine Überproduktion von Dieselfahrzeugen ab, die einer stark sinkenden Nachfrage gegenüberstehe. "Ich vermute außerdem, dass in den USA aus dem Verkehr gezogene Fahrzeuge reimportiert werden könnten. Damit würde der Bedarf nach Zwischenlagerungsflächen noch einmal steigen", sagt Kragler. Er verzeichne jedenfalls konkrete Anfragen von Fahrzeuglogistikern, die schon jetzt Bedarf an Stellflächen haben und Teile des Geländes gerne mit kurzfristigen Laufzeiten mieten würden. Neues Prüfverfahren bremst aus Dass die Automobillogistiker tatsächlich einen erhöhten Flächenbedarf der Fahrzeughersteller verzeichnen, bestätigt auch Ingo Hodea, Geschäftsführer AML - Verein Automobillogistik im deutschen Speditions- und Logistikverband (DSLV). Mit den Folgen des Abgasskandals wie etwa Rückrufaktionen habe dies allerdings "wenig bis gar nichts zu tun", lautet die Einschätzung des Verbandssprechers. "Fahrzeuge, die bereits beim Kunden sind und von Rückrufaktionen betroffen sind, werden schließlich in die Werkstätten gebracht. In diesem Zusammenhang sehen wir jedenfalls keinen erhöhten Flächenbedarf", betont Hodea. Weshalb es jedoch bereits zur Anmietung zusätzlicher Stellflächen sowohl durch die Hersteller als auch durch die Fahrzeugspediteure gekommen sei, liege vielmehr am neuen Abgasprüfverfahren WLTP. WLTP steht für "Worldwide Harmonised Light-Duty Vehicles Test Procedure", ein weltweit einheitliches Testverfahren zur Bestimmung des Kraftstoffverbrauchs und der Abgasemissionen. Nun steht das WLTP unmittelbar vor der Einführung: In Europa ist das Prüfverfahren seit dem 1. September 2017 die verpflichtende Grundlage für die Typgenehmigung neuer Pkw und leichter Nutzfahrzeuge. Ab dem 1. September 2018 müssen in Europa dann für alle neu zugelassenen Pkw und leichte Nutzfahrzeug-Modelle entsprechend gemessene Abgas- und Verbrauchswerte vorliegen. Für die größeren leichten Nutzfahrzeuge gilt die Regelung erst ein Jahr später. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) hat denn auch jüngst in einem Statement eingeräumt, dass das Typgenehmigungsverfahren aufgrund des neuen Testverfahrens WLTP "derzeit deutlich länger" dauere. Neben der hohen Komplexität der Anträge sei die kurze Vorlaufzeit der WLTP-Genehmigungen für alle Pkw-Neuzulassungen ein weiterer Grund für den aktuellen Genehmigungsstau, beklagt der VDA. "Die Hersteller haben gerade einmal ein gutes Jahr Zeit, um rund 500 Modelle diesem neuen Prüfverfahren zu unterziehen. Solange dies nicht stattgefunden hat, müssen die bereits produzierten Autos irgendwo stehen und der eine oder andere Hersteller meldet entsprechenden Platzbedarf an", folgert AML-Geschäftsführer Hodea. Andreas Hoetzel, Leiter Unternehmenskommunikation von BLG Logistics, sieht das ähnlich: "Wir erhalten seit geraumer Zeit Anfragen von diversen Automobilherstellern nach temporären Flächen. Die Ursache für diese Engpässe sind unserer Einschätzung nach nicht unmittelbar auf den Abgasskandal zurückzuführen, sondern auf das ab September gültige neue Testverfahren WLTP", sagt er. Aus welchem Grund auch immer die Nachfrage nach Stellplätzen auch künftig anziehen sollte - Immobilienmakler Kragler sieht in der Zwischennutzung des großzügigen Areals in Bremen-Lemwerder als Fahrzeuglager eine echte Win-win-Situation: "Die Automobillogistiker bekommen ihre offenbar dringend benötigten Stellflächen und ein potenzieller Investor während der langfristigen Projektentwicklung eine rentable Interimslösung." Mehr zum Thema im Dossier Automobillogistik www.verkehrsrundschau.de/dossiers

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