Es geht noch grüner

Man müsse mehr Ladung von der Straße auf die Schiene bringen, fordern viele Umweltpolitiker. So einfach ist das aber nicht: Zum einen fehlen dafür oft die Verladebahnhöfe, zum anderen ist nicht jede Verlagerung auf die Schiene auch automatisch "grün". Der Ökonutzen hängt davon ob, welche Güter über welche Distanz transportiert werden sollen und wie lange Vor- und Nachlauf sind. Wenn es aber einen grünen Champion unter den Verkehrsträgern gibt, dann die Schiene. In fast allen Öko-Disziplinen schlägt die Eisenbahn Lkw und Binnenschiff: Wird eine Tonne Ladung per Güterzug befördert, entstehen pro Kilometer im Schnitt 24 Gramm CO2 - beim Lkw sind es 101 Gramm, so aktuelle Werte des Umweltbundesamtes. Auch die Stickoxidund Feinstaubemissionen sind bei der Bahn vergleichsweise niedrig. Kürzere Wege sind ökologischer Und die Umweltbilanz der Güterbahn ließe sich sogar noch weiter verbessern. Ideen, die Schiene grüner zu machen, gibt es reichlich. Professor Hecht, Leiter des Fachgebiets Schienenfahrzeuge am Institut für Land- und Seeverkehr der Technischen Universität Berlin, hat die Optionen in einer Studie untersucht. Die vielversprechendste klingt verblüffend einfach: Die Bahn müsste kürzere Wege nehmen. Denn das tut sie derzeit nicht. Es kann zum Beispiel sein, dass ein Zug von Weil am Rhein nach Friedrichshafen nicht den direkten Schienenweg (185 Kilometer) nimmt, sondern zunächst ins weit nördlich gelegene Mannheim fährt und dann über Ulm sein Ziel erreicht (574 Kilometer). Solche Umwege kommen ständig vor und entstehen durch hohe Fixkosten an den Rangierbahnhöfen. "Wir müssen das Rangieren neu aufstellen und mehr direkte Verkehre ermöglichen", fordert Experte Hecht. Der Betreiber der Rangierbahnhöfe, DB Cargo, tue zu wenig in Sachen ökologisch orientierter Modernisierung. Ein weiterer großer Sprung wäre der vermehrte Einsatz generatorisch-elektrischer Bremsen: Dabei wird der Bremsvorgang genutzt, um Strom zu erzeugen. Der Elektromotor der Lok fungiert also als Generator. Die Hersteller bauen diese Funktion seit vielen Jahrzehnten ein. Der erzeugte Strom wird - je nach Lokmodell - wahlweise wieder in den Fahrdraht oder eine Batterie eingespeist, wobei Experten das erste Verfahren für besser halten. Die Idee "Strom erzeugen durch Bremsen" klingt einleuchtend, hat aber einen Haken. Da bei diesem Verfahren nur die Lok bremst, kann der Zug mehrere Kilometer brauchen, bis er zum Stehen kommt. Auf den meisten Strecken jedoch ist über die Signaltechnik nur ein Bremsweg von 700 bis 1000 Metern vorgesehen. Für die momentan eingesetzten Luftbremsen, bei denen alle Wagen abstoppen, reicht das - für die elektrische Bremsung allein durch die Lok nicht. Das heißt: Will man elektrische Bremsen wirklich auf breiter Front einsetzen und die Druckluftbremse nur noch als Notbremse mitfüh-ren, müsste der Netzbetreiber in neue Signaltechnik investieren. In der Schweiz und in Dänemark wurde das längst getan - in Deutschland bislang nur sehr zaghaft. Ersatz von Dieselloks Eine weitere Maßnahme, um den Verkehrsträger Schiene umweltfreundlicher zu machen, wäre die komplette Elektrifizierung der Strecken. 60 Prozent der Gleise verfügen über eine Oberleitung. Da es sich um die am meisten befahrenen Strecken handelt, ist der Anteil des Zugverkehrs, der mit E-Loks abgewickelt wird, deutlich größer als 60 Prozent. Insgesamt kommen aber auf deutschen Gleisen noch viele Dieselloks zum Einsatz, wobei es sich oft um Modelle handelt, die viele Jahrzehnte auf dem Buckel haben. Eine noch ungenutzte Chance, die Schiene grüner zu machen, kann selbst der Laie erkennen: Häufig ist eine Strecke zwar mit Oberleitung ausgestattet - und trotzdem fahren dort Dieselloks. "Wir sind 90 Prozent unter Fahrdraht unterwegs und fahren ausschließlich mit Diesel-Traktion", bestätigt Ludolf Kerkeling, Vorstand der Havelländischen Eisenbahn (HVLE). Die private Bahngesellschaft mit Sitz in Berlin tut etwas, um die Situation zu verbessern: Im März hat sie beim Hersteller Stadler zehn Zweikraft-Loks bestellt, die sowohl mit Diesel- als auch mit Elektromotor ausgerüstet sind. "Wir wollen uns vom Wettbewerb abheben", so Kerkeling. Natürlich erhoffe man sich - neben dem Umwelteffekt - auch einen wirtschaftlichen Vorteil. "Strom ist günstiger als Diesel, das bedeutet auch niedrigere Preise für die Kunden." Würde auf der Schiene der endgültige Abschied vom Verbrennungsmotor gelingen, wäre der ökologische Gewinn enorm. "Beim Ersatz von Dieselloks unter Fahrdraht durch elektrisch ab Fahrdraht betriebene Antriebe und grünen Strom lassen sich pro Lok und Jahr bis 6000 Tonnen CO2 einsparen", sagt Hecht. Außerdem hat die HVLE zusammen mit der TU Berlin einen neuen Schüttgut-Waggon entwickelt, der bei gleicher Zuglänge eine größere Tonnage ermöglicht. Auch Versuche, den Luftwiderstand der Wagen im leeren Zustand durch spezielle Abdeckungen zu verringern, unterstützt man. Vorstand Kerkeling räumt ein, dass dies nur kleine Stellschrauben seien. "Einen wirklich nennenswerten Effekt hätte es, wenn alle Marktteilnehmer mehr Informationen aus dem Netz bekämen", so Kerkeling, der auch das Netzwerk europäischer Eisenbahnen leitet. Ein konkretes Beispiel: Angenommen der Führer eines Güterzuges würde frühzeitig über einen vorausfahrenden Personenzug informiert, könnte er so abbremsen, dass er mit möglichst konstanter Geschwindigkeit hinter dem häufiger anhaltenden Personenzug fährt. Diese Information hat er in der Regel jedoch nicht - was zu energiezehrendem Bremsen und Wiederanfahren führt. Nicht nur das fahrende Material, sondern auch die Infrastruktur könnte - bei entsprechenden Verbesserungen - helfen, die Umweltbilanz der Schiene zu verbessern. Ein Ansatzpunkt wären die 64.000 Weichen im Netz der Bahn. Sie werden elektrisch oder mit Gas beheizt, was jedes Jahr viele Hundert Gigawattstunden Energie frisst. Würde man eine Erdwärmeheizung einsetzen, ließen sich 40 Prozent der Energie einsparen. Getestet wurden solche geothermischen Weichenheizungen bereits, aufgrund der hohen Investitionskosten wartet die Technik allerdings noch auf ihren Einsatz. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier "Grüne Logistik" www.verkehrsrundschau.de/dossiers Die Serie Umweltfreundliche Verkehrsträger Wir nehmen die Umweltbilanz der verschiedenen Verkehrsträger sowie deren Stärken und Schwächen unter die Lupe-> Lkw (VR 23)-> Schiene (VR 24)-> Binnenschifffahrt (VR 25)

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