Entscheidende Monate in Wilhelmshaven

Anfang Juli am Burchardkai im Hamburger Hafen. Dort herrscht Chaos. Zahlreiche Container sind per Schiff angekommen und bringen die Abläufe gehörig durcheinander. Die HHLA als Betreiber des Terminals verweigert die Ent- und Beladung von Zügen, um überhaupt mal wieder Land zu sehen vor lauter Boxen: wegen Überfüllung geschlossen. Zum gleichen Zeitpunkt am Jade-Weser-Port (JWP) in Wilhelmshaven. Nur ein Schiff liegt in dem Containerhafen vor Anker. Bezeichnenderweise ist es ein Schiff, das Teile für Windenergieanlagen transportiert. Auf den 311 Stellplätzen für die LKW am JWP befindet sich ein verlassener Trailer. Auf dem sechsgleisigen Terminal für den Kombinierten Verkehr wie auch auf der 16-gleisigen Vorstellgruppe ist kein Waggon zu entdecken - geschweige denn ein Zug. Die Flächen für den Containerumschlag wirken wie leer gefegt. Die vereinzelt dort abgestellten Boxen gehen angesichts der Weite des Landes unter. Ebbe im JWP trotz zahlreicher Vorzüge Verkehrte Welt: Da platzt Hamburg aus allen Nähten und in 120 Kilometer Luftlinie Entfernung gibt es einen Hafen, der Platz bietet ohne Ende. Wie kann es zu einem solchen Ungleichgewicht kommen? Zumal der JWP doch beste Voraussetzungen mitbringt: keine lange Revierfahrt, Deutschlands einziger Container-Tiefwasserhafen, Platz ohne Ende, direkte Autobahnzufahrt, direkte Schienenanbindung an das Netz der Deutschen Bahn, keine Abhängigkeit von Ebbe und Flut, kurze Wege im Hafen. Die Liste ließt sich endlos fortsetzen. Und trotzdem sind im Jahr 2013 ganze 76.000 TEU (20-Fuß-Container) umgeschlagen worden. Zum Vergleich: In Hamburg waren es 9,24 Millionen TEU, in Bremerhaven 5,83 Millionen TEU. Kein Wunder, dass Wilhelmshaven dann noch den Spott der Öffentlichkeit ertragen musste: Von "Geisterhafen" (Bild) war da die Rede, von "Hundert Jahre Einsamkeit" (FAS). "Das ist für uns natürlich nicht hilfreich", sagt Andreas Bullwinkel, Geschäftsführer der Container Terminal Wilhelmshaven JWP-Marketing. Diese Negativ-Schlagzeilen sind womöglich auch das Resultat der hohen Erwartungen. Mit großem Brimborium hatte die Politik im September 2012 die Eröffnung des JWP gefeiert. Damals kursierten Planzahlen, nach denen im ersten Jahr 700.000 TEU umgeschlagen und in fünf Jahren die Vollauslastung von 2,7 Millionen TEU erreicht werden sollten. Bullwinkel ist erst seit August 2013 Chef des von der Kapazität her drittgrößten Containerhafens in Deutschland. Für ihn sind diese Zahlen Luftschlösser, die zu erreichen von Anfang an illusorisch war. "Natürlich sind wir mit dem derzeitigen Aufkommen nicht zufrieden", sagt Bullwinkel. "Aber jeder Seefrachtexperte weiß, dass es eine Zeit dauert, bis ein Hafen in Schwung kommt." Als Beleg dafür zeigt er die Entwicklung der Container-Umschlagzahlen ab 1966. Damals seien fünf Jahre ins Land gegangen, bevor in Antwerpen, Bremerhaven und Hamburg die 200.000-TEU-Grenze übersprungen wurde. Als weiteren Grund für die schleppende Entwicklung nennt er die Art und Weise, wie Containervolumen an die Reedereien von den Auftraggebern vergeben werden: Eine Änderung der Strings, also der Rundläufe mit den angefahrenen Häfen, erfolge in der Regel nur jährlich. Und jahrelang eingefahrene Strings würden nicht von einem Jahr zum anderen verlegt. "Es handelt sich hier um ein "Greenfield-Projekt", bei dem den meisten Beteiligten klar war, dass die Mengen nicht von heute auf morgen kommen", so Bullwinkel. Er gesteht aber zu, dass auch Fehler gemacht wurden, die eine positive Entwicklung erschwert hätten. Dazu zählten zwei juristische Auseinandersetzungen: zum einen zwischen Eurogate, dem Terminalbetreiber im JWP, und dem JWP über die Höhe der Hafen- und Umschlagentgelte. Dieser über zwei Jahre dauernde Konflikt wurde mittlerweile beigelegt. Zum anderen der Streit zwischen Nordfrost und dem JWP über die Höhe des Erbbaupachtzins. Dieses Verfahren dauert noch an. Erschwert hätte aber natürlich auch, dass es außer Nordfrost keinen nennenswerten Ansiedler im JWP gibt. Bullwinkel zählt verschiedene Faktoren auf, die dafür sprechen, dass der JWP kein Geisterhafen wird: "Es kommen in den nächsten Jahren 250 Ultra-Large-Containerschiffe in den Markt", sagt er. Die müssten sich jetzt schon um die knappen Zeitfenster an den Terminals der Seehäfen streiten. Häfen wie Hamburg würden selbst bei einer Elbvertiefung Probleme bekommen. "Denn die Breite ist fast wichtiger als die Tiefe, weil es Vorgaben für Begegnungsverkehre gibt. Um diese einzuhalten, sind die Fahrrinnen zeitweise komplett für andere Schiffe gesperrt, was zu erheblichen Komplikationen führt. So etwas können sich Häfen mit einer langen Revierfahrt nicht uneingeschränkt erlauben," glaubt Bullwinkel. JWP profitiert von neuen Vorschriften Je größer die Schiffe in den Hauptläufen werden, desto größer müssen auch die Feederschiffe sein. "Die Reeder wollen nicht zahlreiche Schiffe auf den Weg bringen, die die Container dann weiter verteilen", sagt Bullwinkel. Größere Feederschiffe seien ein Argument für den JWP. Ein Weiteres: "Die ab dem 1. Januar 2015 geltenden verschärften Umweltvorschriften in der Nord- und Ostsee werden dazu führen, dass jede Seemeile noch genauer kalkuliert wird", so Bullwinkel. Ein Nachteil für Häfen mit langen Revierfahrten oder Häfen, die weiter westlich liegen als Wilhelmshaven, sofern das Ziel die Ostsee ist. Und selbst im Tiefwasserhafen Rotterdam, der gerade seine Umschlagkapazitäten mit dem Bau der Maasvlakte II erheblich ausdehnt, gäbe es Probleme. "Deren Kapazitäten im Hinterlandverkehr sind begrenzt", sagt Bullwinkel. Zwar werde dort die Autobahn im Hafen um eine Spur erweitert. "Aber das ist immer noch nicht ausreichend. Und jeder Hafen ist nur so gut wie seine Hinterlandanbindung", so der JWP-Chef. Hier sieht er Wilhelmshaven mit seiner direkten Anbindung an die Autobahn A 29 im Vorteil. Reeder befassen sich mit dem JWP Im Schienenverkehr sieht er ebenfalls keine Abwicklungsprobleme, auch wenn die Strecke bis Oldenburg nicht elektrifiziert ist. Von Kombi-Operateuren hat er in den letzten Wochen vernommen, dass verschiedene Reedereien Auskünfte eingeholt hätten, wie denn die Konditionen für Züge vom und zum JWP sind. Für ihn ein Indiz, dass sich die Reeder mit Wilhelmshaven als möglichen Anlaufhafen befassen. Derzeit fährt lediglich Maersk mit wöchentlich zwei Diensten den JWP an: Der AE 1 aus Japan/China sowie ein Feeder-Dienst der Maersk-Tochter Seago Line nach Russland. Maersk ist zu 30 Prozent am Eurogate Container Terminal Wilhelmshaven beteiligt. Wenig beeindruckt zeigt sich Bullwinkel von den Kooperationsbemühungen rund um die größte Seereederei der Welt: erst das Verbot der Allianz P3 (bestehend aus den drei Reedereien Maersk, MSC und CMA CGM) durch das chinesische Handelsministerium, dann die neue Kooperation 2M mit MSC und Maersk. Er geht nach wie vor davon aus, dass die ursprünglich geplanten zwei Dienste aus der P3-Allianz den JWP anlaufen werden. "Bislang hat jedenfalls niemand die Ankündigung zurückgezogen", so Bullwinkel. Daher rechnet er damit, dass zum Jahresende diese Schiffe den JWP anlaufen werden. Davon erwartet er sich einen Schub, sodass auch andere Dienste und Reeder Wilhelmshaven anlaufen werden. "Ich halte dann im nächsten Jahr 400.000 bis 500.000 TEU durchaus für möglich", prognostiziert Bullwinkel. Sollte seine Prophezeiung eintreffen, setzt er auf einen weiteren Domino-Effekt: "Neue Schiffsanläufe sind wichtige Argumente, wenn man mit potenziellen Ansiedlern spricht", sagt Bullwinkel. Denn wenn keine Schiffe im Hafen festmachen, kommen auch keine Ansiedler. Und umgekehrt: Sind keine Ansiedler da, fahren die Reedereien vorbei. Bullwinkel hofft auf ein Platzen des Knotens. Die Anwerbung der Reedereien ist letztlich Sache von Eurogate. Als Terminalbetreiber legt das Unternehmen die Umschlagsentgelte fest. Für die Ansiedlung ist hingegen der JWP in Person seines Geschäftsführers zuständig. Er hat das Verfahren zum Erbbaurecht verändert. Bislang mussten potenzielle Ansiedler innerhalb weniger Monate mit dem Bau von Logistikanlagen beginnen. Jetzt können sie Flächen reservieren. Bullwinkel sagt, es gäbe mittlerweile eine Vielzahl von Interessenten: "Ich gehe davon aus, dass noch in diesem Jahr das eine oder andere Unternehmen einen Vertrag unterzeichnet." Die Reeder entscheiden So manch einer im Hamburger Hafen wäre womöglich gar nicht so unglücklich darüber, wenn das eine oder andere Schiff Wilhelmshaven ansteuern würde. Die Frage ist jedoch, wie das die Reeder sehen. Ist ihnen ein Hafen, wo es hier und da zwickt, den sie aber seit Jahrzehnten kennen, lieber als ein Hafen, der Neuland für sie ist? Eine Frage, die es in den nächsten Monaten zu beantworten gilt. J. Müller wächst im Seehafen Brake Weites Land Das ist einer der großen Vorzüge des Seehafens Brake, gelegen an der Unterweser: Es gibt Platz, reichlich Platz. Ideal für den Umschlag von sperrigen Flügeln für Windkraftanlagen. Ein Geschäftszweig, mit dem sich auch die J. Müller AG in Brake befasst, die der Hauptnutzer im Seehafen ist.Mit Fertigstellung der zweiten Ausbaustufe des Niedersachsenkais 2012 gibt es jetzt zwei Liegeplätze an der 450 Meter langen Kaje. 400.000 Quadratmeter Fläche stehen zur Verfügung, davon 110.000 Quadratmeter für Schwerlast geeignet. J. Müller verlädt sowohl Flügel wie auch Generatoren, Turmsegmente sowie Ein- und Anbauteile für Windkraftanlagen, sowohl für Anlagen an Land (onshore) als auch im Wasser (offshore)."Das Thema Logistik für Windkraftanlagen ebbt jedoch derzeit ein wenig ab", sagt Jan Müller, Vorstandsvorsitzender der J. Müller AG. Die Novelle zum Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) verunsichere derzeit die Branche in Deutschland. Da trifft es sich gut, dass das Unternehmen auch in anderen Geschäftsfeldern unterwegs ist. Dazu gehören die Lagerung und der Umschlag von Agrarprodukten. J. Müller importiert vor allem Agrarprodukte für die im Nordwesten Deutschlands tätige Landwirtschaft, einer der größten Europas: Getreide, Futtermittel, Biomasse, Zucker und sonstige Schüttgüter werden verschifft und gelagert. Letzteres ist angesichts sich verschärfender Anforderungen an das Handling mit Lebensmitteln eine immer anspruchsvollere Tätigkeit. Vom Gesamtumschlag im Seeverkehr (5,7 Millionen Tonnen) entfielen 2013 2,86 Millionen Tonnen auf Getreide/Lebensmittel. Fast eine Million Tonnen Forstprodukte wurden in Brake gelöscht. Hinzu kommen 0,625 Millionen Tonnen Eisen/Stahl. Der Rest entfällt auf Projektladung, Schrott und sonstige Güter.Müller erwartet für 2014 ein kräftiges Wachstum."In den ersten fünf Monaten betrug der Zuwachs 12 Prozent", sagte er. Für 2014 rechnet er damit, dass die 6-Millionen-Tonnen- Grenze übersprungen wird. Das entspräche einem Plus von fünf Prozent. Damit läge das Wachstum über dem in der Seeverkehrsprognose, die für Brake bis 2030 eine jährliche Zunahme von 4,1 Prozent vorhergesagt hat - das höchste Wachstum aller betrachteten Seehäfen zwischen Le Havre und Hamburg. cd Der Seehafen Nordenham von Rhenus Midgard Tradition trifft Moderne Das ist eher selten in der Hafenszene: ein Hafen, der komplett in Privatbesitz ist. Rhenus Midgard, eine Tochter der Rethmann-Gruppe, ist Eigentümer des Hafens in Nordenham."Das hat den Vorteil, dass wir unabhängig sind von der Bereitstellung staatlicher Gelder", sagt Jürgen Froese von der Cargo Abteilung im Hafen. Andererseits muss Rhenus selbst in Renovierungen oder Ausbauten investieren.Der Hafen ist Spezialist für Massengüter wie Kohle (bis zu 2,4 Millionen Tonnen Umschlag pro Jahr), Holz und Flüssiggüter wie Gas, Diesel- und Schweröl sowie Zink- und Bleikonzentrat. Aber Nordenham reitet auch auf der Offshore-Welle und schlägt beispielsweise Seekabel für die ebenfalls in Nordenham ansässigen Norddeutsche Seekabelwerke um. Und in unmittelbarer Nachbarschaft, in Nordenham Blexen, hat sich Steelwind angesiedelt, ein Unternehmen der Dillinger Hütte. Steelwind errichtet dort gerade ein Werk zur Herstellung von Offshore-Fundamenten, sogenannte "Monopiles" für Offshore-Windparks. Rhenus Midgard hofft darauf, dass im logistischen Handling der Monopiles auch das eine oder andere Geschäft bei ihnen landet. cd

A7 wird zeitweise gesperrt

Schwerpunktkontrollen: Viele Verstöße von Lkw und Bussen

BGA: Situation im Großhandel ist schlecht

Luftfracht: DHL Express und Shell kooperieren

Konjunktur: KfW Research senkt Wachstumsprognose

Alle Schlagzeilen

Entscheidende Monate in Wilhelmshaven

HASHTAG

#Seefracht

Reeder diskutieren über 24.000-TEU-Schiffe

Reeder unzufrieden mit Fortschritten bei E-Dokumenten

EU nimmt Steuerbefreiungen in niederländischen Häfen im Visier

MEISTGELESEN

Emons Spedition siedelt sich am c-Port an

Bund und Länder fördern Brennstoffzellen-Lkw von Daimler Truck

Fiege baut Logistikzentrum bei Leipzig

STELLENANGEBOTE

Area HR Business Partner

Schichtleiter (w/m/d) Logistik - Warenausgang

Head of Logistics (w/m/d) mit fundierter Erfahrung im internationalen Versand

Koordinator (m/w/d) Intralogistik mit Teamleitungsfunktion

Leiter (w/m/d) Logistik Teilbereich Warenausgang

WEITERLESEN

NEWSLETTER