"Einfach mal mitspinnen"

Ist es noch mutig, nachhaltig zu agieren? Wo Nachhaltigkeit über CO2-Messung hinausgeht, erfordert sie Forschung und Entwicklung in Technologie und Infrastruktur. Das ist teuer und geht nicht ohne Kollaboration - und Mut. Welche Rolle spielt Klimaschutz in den meisten Transport- und Logistikbetrieben? Oft wird das noch als Compliance-Thema gesehen, viele experimentieren oft ohne klare Zielrichtung. Das ist eher ein zaghaftes Vorfühlen, aber so lernen Unternehmen - durch kleine Erfolge. Impulse müssen dabei nicht immer nur von außen kommen, auch die eigenen Mitarbeiter können gute Ideen einbringen. Inwiefern zeichnet sich hier ein Wandel ab? Noch mangelt es an den Antriebstechnologien, an der Infrastruktur, an der Energieversorgung. Wer baut das alles auf? Diese Fragen bewegen die Branche, die noch eine aktivere Rolle einnehmen dürfte. Das wäre der nächste Schritt. Gerät der Klimaschutz durch die Konjunkturkrise jetzt ins Hintertreffen? Ich denke nicht. In den letzten zwei Jahren konnten wir spüren, was Klimawandel bedeutet - vor Ort in Europa. Das macht Angst. Auch durch eine Konjunkturkrise wird das Thema nicht an Bedeutung verlieren. Allerdings ist hier auch die Politik gefragt, die sich national und vor allem international auf Standards einigen muss. Wie sehen Sie das neue Klimaschutzpaket? Das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, aber er hätte mutiger ausfallen dürfen, um echte Anreize zu setzen. Gut finde ich die Steuerung über den CO2-Preis, statt Technologien vorzuschreiben. Welche Konsequenzen sind für Transport- und Logistikunternehmen zu erwarten? Alles wird teurer werden. Es kann sein, dass das auf die ohnehin schmalen Margen geht, gerade beim Straßentransport. Wie können sie sich dafür rüsten? Indem sie Innovationen ausprobieren und das Thema CO2-Reduktion über Pilotprojekte pushen. Es gibt hier viele verrückte Ideen, die Unternehmen sollten einfach mal mitspinnen und dazu Partner suchen. Wie lässt sich das gegenüber Politik, Transportpartnern und Kunden kommunizieren? Einerseits, indem sich die Firmen in der Politik mehr gestalterisch einbringen, aber auch, indem sie soziale Medien nutzen, um Endkonsumenten direkt zu beeinflussen. Zudem können sie Investitionen ihrer Frachtführer bezuschussen beziehungsweise mit Bürgschaften absichern. Was sind die wichtigsten nächsten Schritte? Klare Ziele und Strategien zu formulieren und aktive Partnerschaften aufzubauen. Wir dürfen das Thema Klimaschutz nicht dem Zufall überlassen. Was wünschen Sie sich langfristig von der Branche, wenn es um Nachhaltigkeit geht? Ich bin überzeugt, dass das geht: der komplett CO2-neutrale Transport. Allerdings fürchte ich, das ist erst in etwa 50 Jahren realistisch. Studie: Klimaziel bis 2020 nicht erreichbar Deutschland wird einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zufolge mit dem Anfang Oktober verabschiedeten Klimapaket sein Klimaschutzziel für 2020 frühestens mit rund fünf Jahren Verspätung erreichen. Unter anderem sei der geplante CO2-Preis zur Verteuerung von Diesel, Benzin, Heizöl und Erdgas in den ersten Jahren noch zu niedrig, um umfassend zu wirken, heißt es in dem Kurzgutachten im Auftrag von Greenpeace. Julia Hartmann Professorin für nachhaltiges Supply Chain Management am Operations Department der EBS Business School, Wiesbaden