Berlin. Der Mangel an qualifizierten Lkw-Fahrern spitzt sich weiterhin zu. Dadurch würden schwerwiegende Auswirkungen auf die Volkswirtschaften Europas drohen, warnte der Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV) erneut am Dienstag. Inzwischen fehlen der Logistikbranche seinen Angaben zufolge allein in Deutschland mehr als 45.000 Fahrzeugführer – Tendenz steigend. Auch verkehrsträgerübergreifende Lieferketten und die internationalen Wertschöpfungsketten von Industrie und Handel seien bereits von diesem Negativtrend betroffen, mahnte der DSLV.
Dessen Präsident Axel Plaß sieht den Arbeitsmarkt auf Teilmärkten der Logistik sowie in ausgesuchten Regionen mit hoher Unternehmensdichte wie leergefegt. Betroffen von dieser Entwicklung seien der Stückgut-, der Teilladungs- und der Ladungsmarkt. Die See- und die Luftfracht spüre ebenfalls Auswirkungen, weil im Vor- und Nachlauf zu und von den See- und Flughäfen auch immer wieder Kapazitäten in Folge des Fahrermangels fehlen. „Zwar ziehen die Fahrerlöhne an, doch daraus generiert sich auf dem Arbeitsmarkt kein zusätzliches Arbeitskräfteangebot. Trotz nachhaltiger Lohnanpassungen steigt die Attraktivität des Berufsbilds nicht“, so Plaß.
DSLV kritisiert menschenunwürdigen Umgang mit Lkw-Fahrern
Der DSLV macht hierfür mehrere Ursachen aus: Zunächst konnten aus seiner Sicht die externen Begleitumstände des Fahreralltags in den vergangenen Jahren weder im Fern- noch im Nahverkehr wesentlich verbessert werden. Der zum Teil sehr schlechte persönliche Umgang an den Be- und Entladerampen von Industrie und Handel sowie der Airlines verletze die Würde der Fahrzeugführer in einer Weise, die mit dem berechtigten Qualitätsanspruch eines Kunden an seinen Dienstleister längst nicht mehr zu rechtfertigen sei. Weil die verladende Wirtschaft selbst Personalkosten spart, wird der Fahrer zu oft zu Be- und Entladetätigkeiten beim Kunden herangezogen.
Auf europäischen Autobahnen sind zudem Parkplätze knapp, schlecht ausgestattet und teilweise unsicher. Dabei verschärft das gesetzliche Verbot zur Übernachtung in der Fahrerkabine während der Ruhezeit das Problem laut dem DSLV punktuell, anstatt hier Abhilfe für das Fahrpersonal zu leisten. Denn die Übernachtungsalternativen außerhalb des Fahrzeugs seien oftmals – wenn überhaupt verfügbar – noch schlechter. „Die Politik hat mit dieser Maßnahme nicht zur Verbesserung der Situation beigetragen“, kritisierte der DSLV-Präsident. Bei den anstehenden Trilog-Beratungen zum ersten EU-Mobilitätspaket habe die Politik jetzt noch die Chance, den gesetzlichen Rahmen anzupassen.
Image der Logistikberufe muss besser werden
„Es gibt einfach zu wenig qualifizierte Kräfte. Selbst wenn es dem eigenen Unternehmen gelingt, neue Fahrer anzuwerben, reißt dies im Unternehmen des Wettbewerbers ein Loch. Für die Transportbranche insgesamt ist das ein Nullsummenspiel. Auch Lohnanpassungen könnten den Abwärtstrend bislang nicht stoppen“, so Plaß. Zur Bereinigung der dramatischen Situation ist deshalb nach Meinung des DSLV-Präsidenten ein gesellschaftliches Umdenken erforderlich. „Trotz fortschreitender Digitalisierung und Automatisierung des Verkehrs muss allen Lieferempfängern bewusst sein, dass Warentransporte immer noch von Menschen durchgeführt werden. Gelingt es nicht, Nachwuchskräfte zu mobilisieren, drohen Versorgungsengpässe', zeigt sich Plaß überzeugt. Mit der Beteiligung an Imagekampagnen will der DSLV die Attraktivität aller Logistikberufe steigern.
„Soll der Anspruch auf eine universelle Verfügbarkeit von Gütern und Waren bestehen bleiben, müssen Industrie und Handel und am Ende der Konsument im eigenen Interesse zur Entschärfung der Situation beitragen und verstehen, dass Logistik und Transportdienstleistungen nicht zum Spottpreis eingekauft werden können.“ Nach Feststellungen des DSLV reagiert der Markt bereits: nachhaltige Lohnkostensteigerung lassen die Speditions- und Transportkosten spürbar steigen. Logistikkunden müssen sich deshalb auch auf ein höheres Preisniveau einrichten. (ag)
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