Berlin. Angesichts drohender Diesel-Fahrverbote in Städten hat der Deutsche Städtetag die Regierung scharf kritisiert. „Die Bundesregierung, zumindest das Verkehrsministerium, scheint das Thema auszusitzen. Das landet im Ergebnis dann in unseren Rathäusern und da gehört es nicht hin”, sagte Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, der Deutschen Presse-Agentur. Er warf Berlin vor, mit der Autoindustrie zu sanft umzugehen: „Wir wissen bis heute nicht, wie wirksam die Software-Updates wirklich sind. Die Bundesregierung muss mit der Autoindustrie deutlicher sprechen als bisher.”
Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer warf der Bundesregierung massive Versäumnisse vor. Sie versuche seit langem, das Problem auszusitzen, dürfe sich aber nicht aus der Verantwortung für saubere Luft stehlen. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verhandelt am 22. Februar über die Frage, ob Diesel-Fahrverbote rechtlich zulässig sind. In vielen Städten werden Schadstoff-Grenzwerte nicht eingehalten, Diesel-Autos gelten als Hauptverursacher.
Dedy sagte, nach den Vorinstanzen könne es gut sein, dass das Bundesverwaltungsgericht Fahrverbote nach geltender Rechtslage für zulässig erkläre. „Wir wollen keine Fahrverbote. Aber wenn die Länder sie in Luftreinhaltepläne aufnehmen müssen, weil Gerichte das sagen, dann müssen wir in den betroffenen Städten handeln können. Doch nach jetzigem Stand lassen sich Fahrverbote für ältere Diesel-Fahrzeuge überhaupt nicht wirksam kontrollieren.”
Debatte über die „blaue Plakette”
Falls Leipzig Fahrverbote für zulässig erklärt, werde es eine politische Debatte über die Einführung einer „blauen Plakette” geben. „Ich sehe dann keine Alternative zur blauen Plakette”, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags. „Industriepolitisch wäre es klug, das zu machen, weil dann getrennt werden könnte zwischen neuer Technik und alten Diesel-Autos. Und nur wenn man unterscheiden kann, kann man auch vernünftig mit einem möglichen Fahrverbot umgehen”, sagte Deddy. Bisher gehe das nicht.
Der Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer hat der Bundesregierung angesichts drohender Fahrverbote indes massive Versäumnisse vorgeworfen. „Seit Jahren versucht die Bundesregierung das Problem der schlechten Luft in Innenstädten auszusitzen”, sagte Krischer der Deutschen Presse-Agentur. „Die Kumpanei mit den Tricksern und Betrügern in der Autoindustrie lädt das Problem einfach bei den betroffenen Städten ab.” Leidtragende dieser Politik seien die Bewohner der Innenstädte und „Millionen betrogener Dieselfahrer”.
Statt die Automobilindustrie zur Verantwortung zu ziehen, die schmutzigen Diesel durch technische Nachrüstungen sauber zu machen, drohten nun von den Gerichten angeordnete Fahrverbote. „Fahrverbote sind die Folge der Politik dieser Bundesregierung.” Die Große Koalition müsse verstehen, dass das Urteil aus Leipzig der letzte Weckruf sei, die Autoindustrie zu Nachrüstungen auf deren Kosten zu zwingen und die „blaue Plakette” einzuführen, sagte Krischer.
Polizei: Einhaltung von Diesel-Fahrverboten nicht zu kontrollieren
Aus Sicht der Polizeigewerkschaften sind mögliche Diesel-Fahrverbote in deutschen Städten wegen fehlender Kontrolle nicht durchzusetzen. „Wir müssen uns angesichts der Personaldecke auf Kernaufgaben beschränken”, sagte der Vizechef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Arnold Plickert, der „Welt am Sonntag”. „Wer glaubt, dass wir solche Verbote dauerhaft durchsetzen können, der irrt.” Denkbar seien bestenfalls Stichproben. Dabei mache es keinen Unterschied, ob Fahrverbote mit oder ohne Einführung einer neuen blauen Plakette erfolgten.
Auch die Deutsche Polizeigewerkschaft betonte, man habe nicht das Personal, um neben dem Schutz der Bevölkerung auch noch Fahrverbote durchzusetzen. „Wir haben keine Hundertschaften im Keller, die nur auf neue Aufgaben warten”, sagte der Bundesvorsitzende Rainer Wendt der Zeitung. „Das ist nicht kontrollierbar und damit auch nicht durchsetzbar.” (dpa/sno)