Dienst nach Vorschrift

Die Arbeit nach Anweisung erledigen, Geld kassieren, fertig: Es gibt Mitarbeiter, die ihre Berufstätigkeit pragmatisch sehen, sei es generell oder weil es nur ein vorübergehender Job ist. Andere Arbeitnehmer sind mit mehr Engagement bei der Sache, erhoffen sich aber auch mehr, zum Beispiel Sinnhaftigkeit ihres Tuns, Wertschätzung, persönliche Entwicklung. Probleme können entstehen, wenn wichtige Erwartungen solcher Mitarbeiter auf Dauer unerfüllt bleiben. Die Waage gerät für sie ins Ungleichgewicht: Für die Leistung, die sie erbringen, bekommen sie nicht genug zurück - und dabei geht es nicht nur ums Gehalt. Eine solcherart unbefriedigende Situation kann Beschäftigte dazu bringen, selbst für Ausgleich zu sorgen, und zwar in Form von reduzierter Arbeitsleistung. So beschreiben die Experten der Initiative Gesundheit und Arbeit iga das Entstehen einer "inneren Kündigung". Die iga ist eine Kooperation verschiedener gesetzlicher Krankenkassen (AOK, BKK, vdek) und der gesetzlichen Unfallversicherung DGUV. Sie beleuchtet den deutschen Arbeitsmarkt aus gesundheitlicher Sicht und hat soeben den iga-Report33: "Engagement erhalten - innere Kündigung vermeiden" herausgegeben. Betroffene Mitarbeiter, heißt es darin, seien irgendwann nicht mehr nur enttäuscht und unmotiviert, sondern resigniert und empfänden ihre Tätigkeit als sinnlos. Dass sich dies auf ihre Leistungsfähigkeit und Gesundheit auswirkt, liegt auf der Hand. Leistung und Innovationskraft fehlen Das Berliner Beratungsunternehmen Gallup veröffentlicht jedes Jahr den "Engagement Index Deutschland". Danach hatten 2018 in einem durchschnittlichen Unternehmen 14 von 100 Mitarbeitern keine emotionale Bindung zu ihrer Firma. Jeder siebte Mitarbeiter also arbeitet nur (noch) fürs Geld, umgerechnet über fünf Millionen Beschäftigte. Den Unternehmen fehlt die Leistung und Innovationskraft dieser Mitarbeiter. Gallup beziffert die wirtschaftlichen Kosten aufgrund innerer Kündigung für das Jahr 2018 auf eine Summe zwischen 77 und 103 Milliarden Euro. Die Betroffenen haben höhere Fehlzeiten und Krankenstände, sie leisten weniger, machen mehr Fehler, achten weniger auf Arbeitsmaterialien oder verhalten sich nicht adäquat gegenüber Kunden. Ihre negative Grundstimmung wirkt sich belastend, wenn nicht "ansteckend" auf Kollegen aus: Sie äußern häufig ihren Unmut, sprechen aber nicht offen mit Vorgesetzten und bringen kaum noch konstruktive Kritik oder Ideen ein. Ihnen ist egal, ob sie durch ihr Verhalten Betriebsabläufe stören und ob andere Mehrarbeit haben. Dieser gewollt unmotivierte "Dienst nach Vorschrift" wird aber auch für die Betroffenen zum Minusgeschäft: Oftmals macht sich die Unzufriedenheit im Privatleben Luft, Frust und Resignation können sich zur ernsthaften seelischen Krise auswachsen. Sie grenzen sich aus, sind anfälliger für Suchterkrankungen. Ein Jobwechsel kommt möglicherweise aus wirtschaftlichen, familiären oder Altersgründen nicht infrage - und zugleich gefährden sie durch ihr Verhalten ihre Weiterbeschäftigung. Nach den Gründen forschen Die Kündigung eines solchen Mitarbeiters sollte für Personalverantwortliche jedoch die letzte Wahl sein. Die klügere Entscheidung ist: hinsehen, nach den Gründen für das Verhalten des Mitarbeiters forschen und zusammen mit ihm das Problem lösen. So schützt sich das Unternehmen zugleich davor, dass andere Mitglieder der Belegschaft in so eine Krise geraten. Zunächst ist eine gründliche Bestandsaufnahme wichtig. Die iga-Experten beschreiben, dass jeder Beschäftigte neben dem formalen Arbeitsvertrag - der die Arbeitszeiten oder den Lohn regelt - immer auch einen ungeschriebenen "psychologischen Vertrag" mit dem Unternehmen abschließt. Dabei handelt es sich aufseiten des Beschäftigten um subjektive Erwartungen wie Wertschätzung, kollegiale Zusammenarbeit, persönliche Weiterentwicklung, Arbeitsplatzsicherheit oder Aufstiegsmöglichkeiten, während auf der Arbeitgeberseite zum Beispiel Engagement, Eigenverantwortung, Loyalität und eine ziel- und leistungsorientierte Arbeitsweise erwartet werden. Klärung: Wie kam es zum Bruch? Es gilt zunächst abzuklären, ob es sich bei dem Verhalten des Mitarbeiters tatsächlich um eine innere Kündigung handelt. Denn die Symptome ähneln denen des "Burn-outs", einer schweren emotionalen und körperlichen Erschöpfung. Sie wird aber erstens typisch bei chronischer Überlastung diagnostiziert und zweitens gibt es einen entscheidenden Unterschied: Der Zustand der inneren Kündigung entsteht aus eigenem Betreiben heraus - und kann vom Mitarbeiter aus eigener Kraft heraus rückgängig gemacht werden. Wichtig sind vertrauensvolle, strukturierte Gespräche, die auf beiden Seiten gut vorbereitet wurden. Ziel muss sein, das Engagement des Mitarbeiters wieder zu entfachen, ihn zurück ins Spiel zu bringen. Dazu müssen die beiderseitigen Hoffnungen in das Arbeitsverhältnis auf den Tisch gelegt werden. Für so ein Gespräch bietet der iga-Report33 (Download: www.igainfo.de) einen guten Leitfaden. Zu überprüfen wären zum einen die formalen Dinge: Stimmen die Arbeitszeiten und die Arbeitsinhalte, ist die Bezahlung angemessen? Wie ist das Führungsverhalten des Vorgesetzten, sind die Berichtslinien klar? Gab es vielleicht im Unternehmen eine Umstrukturierung, bei der der Mitarbeiter "unter den Tisch gefallen" ist? Ein Bruch des psychologischen Vertrags? Möglicherweise haben unerfüllte Erwartungen aus dem psychologischen Vertrag den Mitarbeiter zur inneren Kündigung gebracht. Was genau fehlt ihm? Wird seine Arbeit nicht wertgeschätzt, fühlt er sich austauschbar? Auch aufseiten der Führungskraft ist Selbstreflexion gefragt, sie sollte die eigenen Ansprüche an den Betroffenen überprüfen und offen dafür sein, Kritik einzustecken oder etwaige Managementfehler zu korrigieren. Treffen Sie dann konkrete Vereinbarungen. Am besten wäre es natürlich, das Problem gar nicht erst entstehen zu lassen. Hier ist Prävention gefragt. Im Kasten unten finden Sie dazu wichtige Leitlinien. Mehr zum Thema im Dossier Unternehmensführung www.verkehrsrundschau.de/dossiers In Kürze Eine emotionale Bindung an die Firma ist wichtig für die Leistungsfähigkeit und Gesundheit ihrer Mitarbeiter. Das häufig auftretende Problem der"inneren Kündigung" mindert das Geschäftsergebnis, schadet dem Unternehmensimage und ruiniert das Betriebsklima. Was Personalverantwortliche tun können. 14 von 100 Beschäftigten eines durchschnittlichen Unternehmens haben keinerlei emotionale Bindung an ihre Firma.Quelle: Gallup - Engagement Index 2018

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