Die Versicherungsprämien steigen für viele

Bis zum 30. November ist es nicht mehr allzu viel Zeit. Wer bis dahin seinem Kfz-Versicherer kündigt, kann zum 1. Januar zu einem anderen Anbieter wechseln. Spediteure, Transporteure und Logistiker mit mehreren Nutzfahrzeugen haben sich dadurch oft schon einige Tausend Euro an Jahresbeitrag für die Haftpflicht- und Kaskopolice gespart. Doch diese Zeiten sind vorbei: "Kein Versicherer kauft mehr Umsatz zulasten des Ertrags ein", stellt Kristin Russow, Leiterin Broking Mobility Services beim Münchner Versicherungsmakler Schunck, fest. Es gebe kaum noch untertarifierte Verträge. Die Assekuranzen schauen genau auf die Zahlen. Mehr als 2,8 Millionen Lkw über 7,5 Tonnen und mehr als 194.000 Sattelzugmaschinen sind für deutsche Güterverkehrsunternehmer im Einsatz. Im Durchschnitt fahren sie über 100.000 Kilometer im Jahr. Dabei sorgen vor allem kleine Fehler beim Rangieren, Abbiegen oder Spurwechsel immer wieder für Schäden im Fuhrpark. Lkw-Flotten-Geschäft ist teils defizitär Setzen die Versicherer ihre Prämieneinnahmen und die Ausgaben für die Schadenregulierung sowie die Betriebskosten ins Verhältnis zueinander, steht bei vielen noch derzeit eine rote Zahl unter dem Strich. Diese durchschnittliche Schaden-Kosten-Quote liegt zwar laut der Statistik des Gesamtverbands der deutschen Versicherungswirtschaft sowohl in der Kfz-Haftpflicht- als auch der Vollkaskoversicherung nur knapp unter 100 Prozent. In dieser Zahl sind aber auch Privat-Pkw erfasst, auf deren Konto deutlich weniger Schäden gehen als auf den gewerblichen Güterverkehr. Beim isolierten Blick auf die Nutzfahrzeuge ist die Kfz-Versicherung im besten Fall ein Nullsummenspiel: Der Flottenbereich sei hier oft defizitär, weiß Russow. Bei im Markt durchschnittlichen Schadenkostenquoten von 107 Prozent im vergangenen und von voraussichtlich 108 Prozent in diesem Jahr zahlen die Versicherer drauf. Jedem eingenommenen Euro stehen Ausgaben von 1,08 Euro gegenüber. Früher ließen sich mit den Prämien-Milliarden noch Gewinne am Kapitalmarkt erzielen, doch diese Einnahmequelle ist mit der Niedrigzinspolitik der Notenbanken nahezu versiegt. Versicherer arbeiten an weniger Schäden Die Kfz-Versicherer drängen ihre Kunden deshalb, ihre Schadenfrequenz zu senken. Wer häufig Unfälle meldet, den stuft die Assekuranz in eine schlechtere Schadensklasse ein und verlangt einen Aufschlag auf die Prämie. Die Versicherer halten sich dafür ein Hintertürchen offen: Eine Klausel in der Police erlaubt ihnen Beitragsanpassungen nach oben und unten, wenn sich der Schadenverlauf ändert. In der Güterverkehrsbranche ist es üblich, jährliche Zielschadenquoten vertraglich festzuschreiben. "Überschreitet der Kunde die vereinbarte Schadenquote, sind Prämiennachforderungen möglich oder die Beitragsanpassung kommt im Folgejahr", sagt Russow. Auch Spediteure, Transporteure und Logistiker profitieren davon: Schaffen sie es, ihre Schäden zu senken und unter der Zielmarke von beispielsweise 60 Prozent zu bleiben, gibt es je nach Vertrag eine Prämienerstattung oder eine Einstufung in eine bessere Risikoklasse im Folgejahr, was wiederum Geld spart. "Zuschläge oder Erstattungen belaufen sich in der Regel auf maximal 20 Prozent der Versicherungsprämie", erläutert Winfried Nibus, Leiter Kfz-Versicherungen bei dem Versicherungsmakler Aktiv Assekuranz, den Mechanismus. Besonders wenn Unternehmer ihren Fuhrpark über einen Rahmenvertrag - eine Flottenpolice - absichern, sollten sie die Schadenquote im Auge behalten (siehe Kasten). Der Charme vieler Flottenangebote: ein einheitlicher Beitragssatz für alle Fahrzeuge. Meist ist solch eine Bonus-/Malus-Vereinbarung aber in den Vertrag eingebaut. Die Prämie für das nächste Versicherungsjahr richtet sich nach der Schadenquote des vergangenen Jahres. Sonderkündigungsrecht bezweckt wenig Bei drastischen Preiserhöhungen ihres Kfz-Versicherers haben Unternehmer mit Fuhrpark zwar ein außerordentliches Kündigungsrecht von einem Monat. Doch dieses bringt ihnen derzeit wenig. "Ein neuer Versicherer kalkuliert meist restriktiver und verlangt höhere Preise", erklärt Nibus. Das Großschadenrisiko ist vielen Assekuranzen zu hoch. Einige Anbieter wie die Versicherungskammer Bayern (Generali) haben sich ganz aus dem Markt zurückgezogen oder zeichnen nur noch punktuell - nach genauer Prüfung. So verkündete der Versicherer Zurich bereits Ende 2014 in der Kfz-Sparte Güterverkehr, nicht mehr wachsen zu wollen. Auch die Axa prüfe kritischer und bei der Ergo gebe es Einschränkungen bei der Absicherung von Gefahrguttransporten. "Der Markt ist kleiner geworden und gibt im Moment kaum günstigere Prämien her", beteuert der Experte der Aktiv Assekuranz. Übrig bleibt etwas mehr als eine Handvoll Kfz-Versicherer: Neben den Marktführern, der R+V-Tochter Kravag-Logistic und der Allianz, bleiben noch HDI und Ergo, die Lippische im Kleinflottengeschäft sowie teilweise die Sparkassenversicherungen oder die Provinzial. Selbst Güterverkehrsunternehmer mit geringfügigen Schäden finden nicht automatisch einen Versicherer, der ihnen günstigere Konditionen bietet. Ein Beispiel: Eine Ausschreibung für eine Spedition mit 125 Zugmaschinen und der gleichen Zahl an Aufliegern, die im Nahund Fernverkehr tätig ist, brachte trotz einer niedrigen Schadenquote von 50 Prozent in den letzten zwei Jahren nicht das gewünschte Ergebnis. Der Spediteur wollte seine Jahresprämie von derzeit 350.000 Euro brutto senken. Die günstigsten Angebote der vom Makler angefragten Assekuranzen lagen bei 428.000 und 442.000 Euro. "Es bringt mehr, mit seinem derzeitigen Versicherer zu verhandeln", rät Nibus. Die Preisreduzierungen durch einen Versicherungswechsel würden sich auf maximal fünf bis zehn Prozent belaufen. Beim bestehenden Versicherer setzte die Aktiv Assekuranz dagegen eine zehnprozentige Prämienreduktion durch. Zudem können Makler simulieren, wie sich eine höhere Selbstbeteiligung auf den Versicherungsbeitrag auswirkt. Häufig ist dies die einzige Möglichkeit, die Kosten zu senken. Im Durchschnitt wird es 2017 wohl teurer Im Durchschnitt kosten Haftpflicht- und Vollkaskopolice für einen Lkw zusammen 2700 Euro Versicherungsbeitrag inklusive Steuer im Jahr. Zugmaschinen schlagen mit mindestens 3100 Euro Prämie zu Buche, Anhänger - je nach Typ - mit weiteren 1000 bis 3000 Euro. "Es gibt ein riesiges Gefälle in der Tarifierung", erklärt Kristin Russow. Neben der Schadenstatistik, der Größe und Beschaffenheit des Fuhrparks und des Geschäfts spielt auch der Ort der Zulassung eine wichtige Rolle. "Der Norden ist häufig günstiger als der Süden", berichtet die Expertin des Versicherungsmaklers Schunck. Zu vergleichen ist immer sinnvoll, zumal sich Lkw-Flotten-Betreiber im kommenden Jahr auf weitere Preissteigerungen einstellen müssen. Auch Kravag-Logistic, deren Kerngeschäft die Absicherung des Güterverkehrs ist, muss an der Beitragsschraube drehen. "Angesichts steigender Gesundheits- und Reparaturkosten werden die Prämien voraussichtlich um drei bis vier Prozentpunkte steigen", sagt Harald Seliger, Abteilungsleiter Kraftfahrt-Vertrag. Daneben fließt die hohe Zahl der Elementarschäden, besonders die Überflutungen, Sturm und Hagel in den letzten zweieinhalb Jahren, in die Kalkulationen der Versicherer ein. "Trotz zum Teil guter Schadenquoten werden die Beiträge 2017 wohl weiter steigen", bestätigt Nibus. Über Preise verhandeln können nur die Spediteure, Transporteure und Logistiker, die ihre Unfälle - mittels ihres Versicherers oder Maklers - analysieren und daran arbeiten, die Schadenquote zu verbessern. "Vor allem die Aufmerksamkeit der Fahrer muss geschult werden", sagt Seliger. Am häufigsten würden sie beim Rangieren, Abbiegen und Spurwechseln anecken. Oft seien die Spiegel nicht richtig eingestellt, berichtet der Kravag-Experte. Mit einem Fahrertraining ist es aber meist nicht getan: "Nur wenn sich die Fahrsicherheit nachhaltig verbessert und sich das in der Schadenquote zeigt, sind Prämiensenkungen möglich", sagt der Fachmann. Mehr zum Thema im Dossier Kfz-Versicherung www.verkehrsrundschau.de/dossiers Flottentarife So kalkulieren die Kfz-Versicherer - Flotten bis zehn Fahrzeuge: Bei Fuhrparks mit drei bis zehn Fahrzeugen berechnet der Versicherer den individuellen Beitrag für jeden Pkw, Lkw, jede Zugmaschine oder jeden Transporter aufgrund von Schadenfreiheitsklassen. Schäden wirken sich nur auf ein Fahrzeug aus, nicht auf die ganze Flotte.- Flotten ab zehn Fahrzeuge: Versicherer stufen die gesamte Flotte in eine Verlaufsrabattklasse ein, der die Schadenquote der letzten fünf Jahre zugrunde liegt. Für jedes Fahrzeug gilt derselbe Tarif. Kommen neue Fahrzeuge hinzu, werden sie zum selben Preis mitversichert. Liegt die Schadenquote über 70 Prozent, verlangt der Versicherer meist einen Aufschlag auf die Prämie. Wer dagegen nur wenige Unfälle hatte und unter der vereinbarten Schadenquote bleibt, profitiert von Rabatten für alle Flottenfahrzeuge. Manche Verträge sehen auch Erstattungen vor.- Große Flotten: Bei größeren Flotten - zum Teil aber auch schon ab zehn ziehenden Einheiten - verhandeln die Versicherer mit dem Betrieb die Prämien individuell. Je größer der Fuhrpark und je besser die Schadenquote, desto günstiger wird der einheitliche Beitragssatz pro Fahrzeug. Die Versicherer schauen am Jahresende den Schadensverlauf der Flotte an und nehmen Beitragsanpassungen nach oben oder unten vor.sah Lkw-Haftpflicht und -Kasko Was Spediteure mitversichern sollten - Brems-, Betriebs- und Bruchschäden (BBB): Diese Schäden ersetzt die klassische Kasko-Police nicht. Die Zusatzdeckung kostet einen Aufschlag von 20 bis 25 Prozent auf die Kaskoprämie.- GAP-Deckung bei Leasingfahrzeugen: Sie ersetzt im Falle eines Totalschadens oder eines Diebstahls des Lastwagens die Differenz zwischen der Leistung der Kaskoversicherung und dem meist höheren Ablösebetrag, den die Leasinggesellschaft noch zu bekommen hat.- Umweltschäden: Besonders Gefahrgutspediteure sollten prüfen, ob ihre Haftpflichtpolice auch die Beseitigung von Umweltschäden im ausreichender Höhe deckt.-. Güterschadenfolgedeckung: Vermischen sich Transportgüter in Silofahrzeugen, kommt die normale Haftpflichtversicherung nicht für Folgeschäden auf. Muss etwa eine Charge Apfelsaft aus den Geschäften zurückgerufen werden, weil dieser nach dem Kokosfett schmeckt, das zuvor im Tank transportiert wurde, brauchen Spediteure hierfür eine Sonderdeckung.- Abschlepp- und Bergungskosten: Eine zusätzliche Absicherung sollten Firmenchefs prüfen, denn häufig reichen die Deckungssummen in der Kfz-Police nicht aus.- Pannenhilfe: Eine Absicherung ist bei Altfahrzeugen zu überlegen, da die Mobilitätsgarantie der Fahrzeughersteller nur für Neu- oder Leasingfahrzeuge greift. sah

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