Die Tücken des Booms

Rund drei Monate kann es dauern, bis ein neuer Mitarbeiter die Leistung seines Vorgängers bringt. Auch seine Vorgesetzten können sich während dieser Zeit nicht uneingeschränkt auf ihre gewohnte Arbeit konzentrieren, weil sie dem "Neuen" immer wieder über die Schulter schauen müssen. Einarbeitungskosten reduzieren "Jede Einarbeitung kostet richtig Geld", weiß Michael Finsterwalder, Inhaber der gleichnamigen Spedition in Türkheim. Mit E-Learning möchte der Unternehmer diesen Prozess deutlich beschleunigen. Jeden neuen Mitarbeiter lädt er ein, auf der Plattform Spedifort einen Einführungskurs zu besuchen. In 30 Lerneinheiten erhält er dann Tipps für seinen künftigen Berufsalltag und informiert sich über die Besonderheiten seines neuen Arbeitgebers. "Wir buchen Kurse sowohl für Azubis als auch für Abteilungsleiter", sagt Finsterwalder. Wenn der "Neue" der Einladung folgt und von den ersten Arbeitstagen an den Online-Kurs besucht, weiß er binnen eines Monats alles Wichtige über Arbeit und Arbeitgeber. Und Finsterwalder hat ein zusätzliches Indiz, dass dieser Kollege für seinen Betrieb engagiert arbeiten wird und schnell an die Leistungen seiner Vorgänger anknüpfen dürfte. Genau 99 Euro berechnet Spedifort-Anbieter INN-ovativ KG, Kiefersfelden, pro Teilnehmer, für große Kunden gibt es Rabatte. Finsterwalder darf diese Ausgaben als Investition betrachten, die zumindest indirekt Personal- und andere Betriebskosten senken können. "Mit solchen Maßnahmen können Sie Ihre Personalkosten in den Griff bekommen", ermuntert Andrea Möckel, Inhaberin der Münchener Personalberatung Möckel & Partner, andere Unternehmen. "Da im Personalhaushalt viele Posten durch Gesetze, Tarifverträge und andere Regelungen fix sind, fallen kostensparende Maßnahmen in diesem Bereich besonders schwer", sagt sie. Im schlimmsten Fall spart ein Betrieb sogar an der falschen Stelle, wenn er beispielsweise Fahrern und anderen Mitarbeitern niedrigere Löhne als der Wettbewerb zahlt und deshalb nicht ausreichend oder nur unzureichend qualifiziertes Personal anstellen kann. Attraktive Arbeitsplätze schaffen und mit gezielten Weiterbildungs- und anderen Maßnahmen die Mitarbeiter zu besonderen Leistungen zu motivieren, heißt aus diesem Grund die Herausforderung. Wenn ein Arbeitgeber Mitarbeiter langfristig binden kann, spart er in jedem Fall Ausgaben für Personalsuche und Neueinstellungen. Gutes Miteinander zahlt sich aus Viel hängt auch von einem guten Betriebsklima ab. Weil viele Transport- und Logistikdienstleister Gleitzeitregelungen, Home-Office-Angebote und andere Formen der flexiblen Arbeitszeit gewerblichen Mitarbeitern nicht anbieten können, müssen sie noch stärker als Unternehmen in anderen Branchen auf einen guten Umgang der Mitarbeiter untereinander achten und Vorgesetzte dafür sensibilisieren. Für die Personalexpertin Möckel zahlt sich diese Strategie spätestens dann aus, wenn vorübergehende oder dauerhafte Auftragsspitzen zu bewältigen sind. Zum Beispiel zum Weihnachtsgeschäft in der Handelslogistik. "Jedes Unternehmen muss dann durchrechnen, ob zusätzliche Arbeitszeiten und -schichten durch fest angestellte Mitarbeiter oder aber der vorübergehende Einsatz von Leiharbeitern unterm Strich preisgünstiger sind", sagt die Münchener Personalexpertin. Mit dem neuen Arbeitnehmerüberlassungsgesetz sind die Spielräume aber noch enger geworden. Da Leiharbeiter als Folge der Equal-Pay-Regelung spätestens nach neun Monaten den gleichen Lohn wie die eigenen Mitarbeiter beziehen müssen, können solche Arbeitskräfte vermutlich nur noch innerhalb solcher Fristen kostensparende Arbeitseinsätze garantieren. Flexible Arbeitszeiten prüfen Grundsätzlich empfehlen Personalberater deshalb jedem Speditions- und Logistikunternehmen, die Einführung von flexiblen Arbeitszeiten zu prüfen. Auch mit langfristigen Lösungen wie Zeitwertkonten, die die Lebensarbeitszeit flexibel gestalten, können Mitarbeiter dauerhaft gebunden werden (siehe Kasten Seite 23). Für Unternehmen mit regelmäßig schwankenden Auftragsvolumina haben sich gleitende Arbeitszeiten bewährt. Hier können Mitarbeiter Überstunden und Wochenenddienste, die in auftragsstarken Phasen notwendig werden, in auftragsärmeren Zeiten "abfeiern". Allerdings ist dies nur auf dem Papier eine kostenneutrale Lösung. Gewerkschaften und Betriebsräte haben in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen durchgesetzt, dass der Arbeitgeber lediglich über einen bestimmten Prozentsatz der Arbeitszeiten frei verfügen darf und deshalb den Mitarbeiter nicht nach Belieben freistellen kann. Üblich ist ein Arbeitgeberanteil von 80 Prozent. Über die verbleibenden 20 Prozent entscheidet der Mitarbeiter selbst, wann er diese als Auszeit nehmen will. Stammkräfte als Springer einsetzen Möckel bringt deshalb zwei interessante Alternativen ins Spiel - die befristete Einstellung von Mitarbeitern als "Aushilfen" sowie die Zusatzqualifikation von Stammkräften, die als "Springer" dann auch an anderen Arbeitsplätzen einsetzbar sind. "Wenn ein Unternehmen Schwankungen für mindestens ein halbes Jahr einschätzen kann, machen fest angestellte Aushilfen Sinn", sagt die Personalexpertin. Für kürzere Zeiträume sei der Aufwand, den Personalakquisition, Einarbeitung und administrative Arbeiten verursachen, einfach zu hoch. Ansonsten hängt es vom Einzelfall ab, ob eine fest angestellte Aushilfe unterm Strich wirklich günstiger ist als Leiharbeiter. Für Letztere muss das entleihende Unternehmen eine Provision einkalkulieren. Im Gegenzug spart dieses - zumindest innerhalb der "Equal-Pay-Fristen" - Lohnkosten und muss auch nicht für Krankheitstage und andere Ausfallzeiten zahlen. "In der Praxis ist der Leiharbeiter unterm Strich zehn bis 20 Prozent teurer", räumt Möckel ein. E-Learning als interessante Option Der Einsatz von Springern wiederum stößt allein wegen der unterschiedlichen Qualifikationsanforderungen in den bisherigen Berufen an Grenzen. So ist ein Fahrer vorstellbar, der vorübergehend auch mal im Lager kommissioniert, nicht aber ein Kommissionierer, der ersatzweise einen Lkw steuert. "Vor allem für Unternehmen mit zahlreichen Just-in-time- und Just-in-sequence-Verkehren sind Springer eine interessante Option, weil sie Lieferausfälle nahezu unmöglich machen", sagt Jasmina Jansen von der Personalvermittlung und Personalberatung Logistic People in Hamburg. So hat eine nordwürttembergische Spedition mit Kunden in der Automobilindustrie alle Fahrer zu Kommissionierern weitergebildet. Bei Sonderfahrten und anderen ungeplanten Touren können diese direkt vom Lager in die Fahrerkabine wechseln. Weiterbildungskosten reduzieren Wenn solche Mitarbeiter sich ihr zusätzliches Wissen per E-Learning aneignen, spart ihr Arbeitgeber außerdem auch noch Geld. Für das Lernen an Desktop, Laptop oder Tablet sprechen nicht zuletzt die deutlich geringeren Weiterbildungskosten. Der Arbeitgeber spart Ausgaben für Präsenzseminare inklusive Reisespesen und verzeichnet geringere Fehlzeiten am Arbeitsplatz. Allerdings muss er auf digital aufbereiteten Lehrstoff zugreifen können. Viele bekannte Speditions- und Logistikunternehmen wie Dachser, DB Schenker oder Hoyer haben während der letzten Jahre ihre innerbetriebliche Weiterbildung digitalisiert. Jetzt fassen in diesem Markt auch externe Anbieter wie Spedifort Fuß. Deren Basiskurs "Vom Anfänger bis zum Disponenten" wendet sich zum Beispiel an Quereinsteiger, die in dem neuen Beruf möglichst schnell Fuß fassen wollen. Die E-Learnings sind deutlich günstiger als lange Präsenzschulungen. Auch die VerkehrsRundschau bietet auf ihrer Profiplattform VerkehrsRundschau plus Online-Unterweisungen an. Themen sind unter anderem der Digitale Tachograf, Ladungssicherung oder Unfallverhütung. Bis zu fünf der Kurse sind im VR-Abo enthalten. Mehr Informationen im Internet unter www.weiterbildung. verkehrsrundschau-plus.de. Mehr zum Thema im Dossier Unternehmensführung www.verkehrsrundschau.de/dossiers Experten-Tipp Mit Zeitwertkonten Lebensarbeitszeit flexibel gestalten Gerade im Herbstgeschäft kann es in Transport- und Speditionsbetrieben hektisch zugehen. Für Mitarbeiter ist dies stets eine besondere Belastung, die nicht jeder mitgehen will - Stichwort Work-Life-Balance. Für die Personalexpertin Jasmina Jansen sind hier Zeitwertkonten ein in der Logistikbranche bislang völlig unterschätztes Instrument der Mitarbeiterbindung: "Zeitwertkonten ermöglichen eine flexible Gestaltung der Lebensarbeitszeit", erläutert die Niederlassungsleiterin der Personalvermittlung und -beratung Logistic People in Hamburg. Ein Modell also, das Arbeitgebern in saisonalen Hoch-Zeiten helfen kann, umgekehrt aber auch Arbeitnehmern. So kann jeder Mitarbeiter, der in solche Konten Arbeitsentgelt oder Arbeitszeit einzahlt, längere Auszeiten von der Arbeit realisieren, etwa für Fortbildungen.Arbeitgeber, die ein solches Modell realisieren wollen, sollten auf Besonderheiten in ihrer Belegschaft achten. So haben vor allem ältere Arbeitnehmer häufig Interesse an Zeitwertkonten. Sie sparen Überstunden, Urlaubs- und Weihnachtsgelder und andere Lohnzuschläge zunächst steuer- und sozialabgabenfrei an. Als Konsequenz sinkt ihr Lohnsteuersatz. Wenn die "Auszahlung" jedoch ansteht, muss der Arbeitgeber die bislang eingesparten Steuern und Abgaben nachzahlen. Dabei kann er auch Zeitguthaben in Geldguthaben umrechnen. Solche Details muss er in einer Betriebsvereinbarung regeln, die mit dem Betriebsrat auszuhandeln ist. Die Vereinbarung sollte zudem klären, welche Mitarbeiter Anspruch auf Zeitwertkonten haben, welche Arbeitszeiten und Zuzahlungen eingezahlt werden dürfen und für welche Auszeiten diese verwendet werden können. Zudem müssen die Guthaben gegen den Insolvenzfall abgesichert werden.Kleineren Betrieben, die befristete Auszeiten nur schwer realisieren können, rät Jansen, Zeitwertkonten wenn möglich nur für den vorzeitigen Ruhestand zuzulassen. Grundsätzlich können Zeitwertkonten nur beim aktuellen Arbeitgeber eingelöst werden. Verlässt ein Arbeitnehmer die Firma, kann er unter Umständen eine vorzeitige Auszahlung beantragen. Auch dies muss eine Betriebsvereinbarung regeln. Eine Alternative ist die Übertragung an die Rentenversicherung, die dann bei einer Freistellung die Auszahlung vornimmt. bot Personalsuche So finden Sie auf die Schnelle leichter gewerbliches Personal -> Ermuntern Sie Ihre Mitarbeiter, in ihrem Bekanntenkreis Kollegen auf eine Mitarbeit im Unternehmen anzusprechen.-> Prüfen Sie Kontakte in beruflichen Netzwerken wie Xing oder LinkedIn. Allerdings ist nicht jeder Kandidat an einer beruflichen Veränderung interessiert. Eine interessante Alternative sind Jobmatching-Portale wie Birdiematch. Gegen eine Gebühr können Sie Profile von Mitgliedern abrufen, die sich einen Arbeitsplatzwechsel vorstellen können.-> Schalten Sie Anzeigen in Jobportalen und Printmedien. Stellen Sie in den Arbeitsplatzbeschreibungen auch besondere Leistungen Ihres Unternehmens (Weiterbildung, flexible Arbeitszeiten usw.) heraus.-> Schalten Sie eine Personalberatung ein, wenn die übrigen Maßnahmen zu keinen Ergebnissen geführt haben. Planen Sie eine Provision in Höhe von 15 bis 30 Prozent des voraussichtlichen Bruttojahreseinkommens ein.bot