Die Risiken nehmen zu

Was verbirgt sich hinter diesem Spalt? Das fragen sich Kinder kurz vor der Bescherung an Weihnachten, wenn sie mal durch die Tür einen Blick in das Wohnzimmer erhaschen dürfen. Nicht viel anders ergeht es den Unternehmern, wenn sie auf das kommende Jahr blicken. Sie würden auch nur allzu gerne wissen, was sie erwartet, wie sich die Nachfrage entwickelt und mit welchem Umsatz sie rechnen können. Doch im Gegensatz zur kindlichen Vorfreude auf die Lüftung des Geheimnisses herrscht bei vielen Unternehmern in Transport und Logistik zumindest in diesem Jahr eher eine skeptische Grundhaltung vor, was das Jahr 2019 so bringen wird. Das hängt ausnahmsweise weniger mit ihren Kunden und deren Bedürfnissen zusammen. Denn für das Jahr 2019 wird weiterhin mit einem - wenn auch etwas geringeren - Wachstum gerechnet. Allerdings, diese Aussage trifft zwar auf die Mehrheit zu, nicht aber auf jeden (siehe Kasten Seite 17). Auslöser für die skeptische Grundhaltung sind derzeit eher die politischen Risiken. Die bereiten der Wirtschaft und damit auch dem Transport- und Logistikgewerbe Sorgen. Vollkommen zu Recht im Übrigen, wie einer der profiliertesten deutschen Konjunkturexperten gegenüber der VerkehrsRundschau bestätigt. Professor Timo Wollmershäuser, beim Ifo-Institut unter anderem für den Ifo-Geschäftsklimaindex verantwortlich, bezeichnet es "als die größte Gefahr," dass all die politischen Risiken vom harten Brexit über eine weitere Verschärfung der Handelskonflikte bis hin zu dem Problemfall Italien, zu dem sich jetzt auch noch Frankreich gesellen könnte, der Konjunktur einen spürbaren Dämpfer verpassen könnten (siehe Interview Seite 19). Für die Transport- und Logistikbranche sind das bedeutsame Entwicklungen, weil die Transportnachfrage eine abgeleitete Nachfrage ist: Geht es der Wirtschaft gut, brummt das Geschäft der Logistiker. Schwächelt die Konjunktur, haben auch die Transportdienstleister weniger zu tun. Hört man sich bei den Verbandsvertretern um, sind deren Aussagen zur konjunkturellen Entwicklung optimistisch geprägt. Frank Huster, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Speditions- und Logistikverbandes (DSLV), beruft sich auf die Güterverkehrsprognose, die das Bundesverkehrsministerium bei Intraplan in Auftrag gegeben hat, und zitiert ein Plus von 3,1 Prozent für 2019 bei der Güterverkehrsleistung (siehe Grafik Seite 16). Optimismus bei den Verbänden Professor Dirk Engelhardt, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL), weist ebenfalls auf die Intraplan-Studie hin und bezeichnet die Prognosedaten als "eine realistische Größenordnung". Wobei er jedoch die Einschränkung macht: "eine konstante Entwicklung der wirtschaftlichen Lage vorausgesetzt." Beim Bundesverband Wirtschaft, Logistik und Verkehr (BWVL) ist man etwas zurückhaltender. Hauptgeschäftsführer Christian Labrot zitiert die derzeitigen Prognosen für das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) in Deutschland, die zwischen 1,4 und 2,0 Prozent lägen. "Der Güterverkehr als abgeleitete Nachfrage dürfte daher um 2,0 bis 2,5 Prozent wachsen, wobei der Straßengüterverkehr daran weiterhin überproportional partizipieren wird", lautet die trotzdem immer noch zuversichtliche Einschätzung Labrots. In der Tat, die Wachstumsraten der erst im September 2018 veröffentlichten Güterverkehrsprognose sind mit Vorsicht zu genießen. Denn ihr liegen für 2017 und 2018 deutlich höhere BIP-Zuwachsraten zugrunde, als die wissenschaftlichen Institute zum Jahresende prognostiziert haben. So rechnet das Ifo-Institut für 2019 mit einem Wachstum, das nur noch halb so groß ist wie das in der Güterverkehrsprognose (siehe Grafik Seite 16). Eine solche Abschwächung hätte eine geringere Zunahme der Güterverkehrszahlen zur Folge, wie der Geschäftsführer von Intraplan, Markus Schubert, schon bei der Veröffentlichung der Intraplan-Prognose gegenüber der VerkehrsRundschau (siehe VR 44/2018, Seite 16) bestätigte. Vor diesem Hintergrund scheint eher unwahrscheinlich, dass bei dem Wachstum der Güterverkehrsleistung 2019 tatsächlich eine "Drei" vor dem Komma steht, selbst eine "Zwei" erscheint zweifelhaft. Das ist die wissenschaftliche Analyse. Das andere ist die Erwartung der Praktiker. Hier ist neben der Umfrage der Verkehrs-Rundschau (siehe Kasten unten) die monatliche Befragung des Ifo-Instituts eine wichtige Orientierungsmarke. Etwas überraschend ist die gute Stimmung unter den Straßengüterverkehrsunternehmen: Der Indikator für die Erwartungshaltung (betrifft die Geschäftslage in den kommenden sechs Monaten) kletterte im Dezember entgegen dem allgemeinen Trend um 2,6 Punkte gegenüber dem Vormonat auf gute 17,8 Punkte. Anders die Einschätzung der Spediteure: Der Erwartungsindex verlor gegenüber dem November 8,2 Punkte und landete mit 11,5 Punkten unter dem Wert der Unternehmen im Straßengüterverkehr. Die aktuelle Lage wird von beiden Gruppen deutlich besser eingestuft, was nicht überrascht, ist doch der Dezember in der Regel ein Monat mit einer hohen Nachfrage. Hört man sich im Speditionsgewerbe nach den Wachstumsmärkten des kommenden Jahres um, gehören laut DSLV-Vertreter Huster der Straßengüterverkehr und der Schienengüterverkehr (hier vor allem der Kombinierte Verkehr) dazu. BGL-Hauptgeschäftsführer Engelhardt erwartet ein besonders hohes Wachstum "erneut im Bereich der Kabotage". Hier hofft er nicht zuletzt aus Sicherheitsgründen auf "eine baldige zielführende Einigung beim Mobilitätspaket". Die hätte zur Folge, dass Kabotage nicht mehr in dem Ausmaß wachsen würde wie bisher. Labrot als Vertreter des Verladerverbandes BWVL sieht ein großes Wachstum weiterhin bei kleinen, paketaffinen Produkten aufgrund des zunehmenden Online-Handels sowie in der Bauindustrie und dem Baustoffhandel aufgrund der hohen öffentlichen Infrastrukturinvestitionen und der privaten Bautätigkeit. Einigkeit besteht unter den drei Verbandsvertretern, dass 2019 der Fachkräftemangel - und hier insbesondere der Fahrermangel - zu den dominierenden Themen gehören wird. Hier sind laut Labrot alle gefragt, mitzuwirken: die Transport- und Logistikbranche, Industrie und Handel und auch die Politik. Die Frage ist allerdings, ob sich das Thema wirklich entschärfen lässt. Denn der Fachkräftemangel ist ein bundesweites Problem. "Wir hatten in den letzten Jahren einen hohen Zugang von ausländischen Arbeitskräften, nicht nur von Flüchtlingen, sondern auch zum Beispiel aus der EU. Nur mit diesen Arbeitskräften war es möglich, die hohe Nachfrage der letzten Jahre überhaupt zu bewerkstelligen", sagt Ifo-Experte Wollmershäuser. Doch das derzeitige Bevölkerungswachstum verlangsamt sich. "Vor allem bei der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter beobachten wir eine Tendenz nach unten", analysiert Wollmershäuser. Daher könne das geringe Arbeitskräftepotenzial im Falle einer ansteigenden Nachfrage ein hemmender Faktor sein - eine Entwicklung, die das Transportgewerbe jetzt schon spürt und die sich 2019 noch weiter verschärfen könnte (siehe Interview Seite 7). Hohe Investitionen in die Digitalisierung Ein weiteres Thema wird die Digitalisierung sein, von der sich die Verbandsvertreter auch erhoffen, dass damit die Prozesse optimiert werden und so dem Fachkräftemangel entgegengesteuert werden kann. "Dies verlangt hohe Investitionen in Soft- und Hardware", weist Huster darauf hin, was bei den Speditionen im Jahr 2019 ansteht. Eine andere Aufgabe verortet der DSLV-Hauptgeschäftsführer bei der Fahrzeugindustrie und der Energiewirtschaft: "Die müssen eine neue Antriebs- und Energiebasis schaffen, auf der die Logistik wird arbeiten können." Die Umsetzung weiterer Dieselfahrverbote in deutschen Innenstädten wird im Jahr 2019 dazu führen, dass diese Forderung sicher noch des Öfteren zu hören sein wird. Mit schwierigen Rahmenbedingungen hat auch der Schienengüterverkehr zu kämpfen. Hier sind die Kapazitäten ebenfalls knapp: Es fehlen Lokführer, Trassen und Umschlags- und Lagermöglichkeiten in den Terminals. Und dennoch gilt der Kombinierte Verkehr (KV) als das Segment, das auch 2019 am stärksten wächst. Ob die 5,2Prozent, die die Intraplan-Studie bei der Güterverkehrsleistung voraussagt, tatsächlich erreicht werden, bleibt abzuwarten. Aber sicher wird der KV wieder der Treiber für den Schienengüterverkehr sein, dem für 2019 zusammen mit dem Straßengüterverkehr das größte Plus vorhergesagt wird (+ 3,4 Prozent). Auch die Luftfracht schwebt in diesen Sphären (+ 3,2 Prozent). Kleinere Brötchen backen müssen hingegen 2019 die Binnenschifffahrt (+ 1,2 Prozent) und auch der Seeverkehr (+ 0,8 Prozent bei dem Aufkommen), die beide stark vom Außenhandel abhängig sind und daher darunter leiden könnten, dass hier neue Handelshemmnisse das Wachstum begrenzen. Wichtige Kennzahlen für die Transportbranche VR-Kennzahlen: Dienstleister und vor allem Verlader erwarten nur geringen Anstieg der NachfrageIm Rahmen der Erhebungen zum VerkehrsRundschau-Index werden die Logistikdienstleister und Verlader unter anderem zu ihren Erwartungen für das kommende Quartal und die kommenden zwölf Monate befragt. Dass im ersten Quartal 2019 mit rückläufigen Mengen gerechnet wird, ist nicht verwunderlich, da die Nachfrage in diesem Zeitraum immer ein wenig schwächer ausfällt. Allerdings ist das Minus, das die Verlader erwarten, mit 1,9 Prozent überraschend hoch. Für die kommenden zwölf Monate rechnen die Unternehmen zwar mit einem Wachstum, aber das erwartete Plus ist deutlich geringer als beispielsweise die Zunahme der Güterverkehrsleistung laut Mittelfristprognose von Intraplan.Weitere Kennzahlen zur Preis- und Mengenentwicklung finden Abonnenten der Verkehrs-Rundschau unter www.verkehrsrundschauplus.de/kennzahlen. Zudem gibt es dort wichtige Benchmark-Zahlen wie die durchschnittliche Lkw-Standzeit an den Laderampen, Durchschnittsgehälter nach Berufsgruppen oder die Preise für Epal-Paletten. Wer beim VR-Index mitmachen will, findet dazu Infos unter www.verkehrsrundschau.de/transportpreise. cd

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