Die Radlogistiker

Martin Schmidt vom Berliner Radlogistiker Velogista glaubt an Citylogistik mit Lastenrädern. Nicht umsonst ist er Vorsitzender des Radlogistik-Verbandes Deutschland (RLVD), der die 1. nationale Radlogistik-Konferenz in Berlin mit Politprominenz und Anbietern organisiert hat. Velogista - ganz ohne Fördergelder Velogista hat sich darauf spezialisiert, kleine Mengen verschiedenster Einlieferer zu konsolidieren und auszuliefern. Dabei geht es zum Beispiel um Gemüsekisten von Öko-Bauernhöfen aus dem Umland, die per Lastenrad bis an die Haustür transportiert werden. Es gebe auch Kunden, die nur eine Sendung pro Postleitzahlbereich beisteuerten. Dank der Konsolidierung könne Velogista aber auch in solchen Fällen akzeptable Preise anbieten. "Wir machen das ohne Fördergeld. Wir brauchen einfach mehr Flexibilität", sagt Schmidt. "Mit 15 Teilzeit-Mitarbeitern werden aktuell sechs bis acht Vollzeit-Touren pro Tag gefahren." Große Herausforderung bei Velogista sei es, sagt Schmidt, dass nicht nur relativ homogene Pakete ausgeliefert werden. Vielmehr bringe jeder Einlieferer erst einmal eigene Vorstellungen bezüglich des optimalen Gefäßes für seine Waren mit. Der eine bevorzuge stapelbare Kisten, der andere Wannen. Hier müsse man auch mit den Kunden arbeiten und ihnen die Vorteile eine Standardisierung nahebringen. Schließlich gehe es - anders als bei Paketen - auch um die kostengünstige Rückführung von Leergut. Anders als in der KEP-Zustellung, wo fast ausschließlich mehrspurige Lastenräder mit großen Ladevolumina eingesetzt werden, dominieren bei Velogista vergleichsweise kleine einspurige Räder. "Sie sind wendiger und schneller", erläutert Schmidt. Velogista stellt innerhalb des gesamten Berliner S-Bahn-Rings zu, während im Komodo-Projekt nur einige Postleitzahlbereiche in den Stadtteilen Prenzlauer Berg und Mitte bedient werden. Auch Tiefkühl-, Frische- und Pharmatransporte seien problemlos per Lastenrad möglich, ergänzt der Mainzer Radlogistiker Thomas Schmitz (Schmitz & Bramer). "Dabei reicht Passivkühlung, denn wir fahren nur die 'allerletzte Meile', also maximal eine Stunde." Selbst im Mainzer Hochsommer mit über 40 Grad in der Innenstadt habe Passivkühlung mit Isolierbox und Kühlelementen ausgereicht. Mit Temperatursensoren in der Sendung werde die ununterbrochene Kühlkette dokumentiert. Komodo wird nun doch verlängert Das "Komodo"-Pilotprojekt hat sich dagegen auf Paketzustellung mit Lastenrädern spezialisiert. Interessant daran ist, dass das Projekt nicht mehr direkt finanziell gefördert wird und dennoch erneut verlängert wird, wie Julius Menge von der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klima in Berlin auf der Konferenz mitteilte. Eine ungeplante Erkenntnis aus diesem Projekt Komodo ist, dass Radlogistik die immer wieder strittig diskutierte "White Label"-Zustellung möglich machen könnte. Beim Sortieren der Sendungen im gemeinsamen Mikrohub der anfangs fünf, jetzt vier KEP-Dienste sei den eigentlichen Zustellern immer wieder aufgefallen, dass häufig fast identische Touren zustandekommen. Es jucke dann schon in den Fingern, Sendungen an dieselbe Adresse zusammenzulegen und dann den Empfänger mit mehreren Scannern in der Hand aufzusuchen, sagte einer der Beteiligten. Aber seitens der KEP-Dienste gelte dafür ein striktes No-Go. Martin Schmidt glaubt aber, dass das letzte Wort in dieser Sache noch nicht gesprochen ist. "Die Konsolidierung wird kommen, wenn der Leidensdruck der KEP-Dienste zunimmt und die Städte anfangen, zu regulieren." Richtig bleibe allerdings auch die These des Bundesverbandes Paket- und Expresslogistik (BIEK), dass das Konsolidieren in den Verteilzentren am Stadtrand nicht sinnvoll ist. Am Projekt sind im Übrigen nach wie vor DHL, DPD, GLS und Hermes beteiligt. UPS hat sich dagegen zurückgezogen - dem Vernehmen nach deshalb, weil sich die für diesen Stadtteil zuständigen Auftragnehmer schwertaten, Lastenräder in ihre Abläufe einzubinden. Herausforderung ist die Technik Ein großes Thema in der Radlogistik-Szene ist die im Vergleich zum Lieferwagen geringe Zuverlässigkeit der Technik. "Die Räder haben noch nicht die Standfestigkeit, die Transporter haben. Beim Sprinter oder VW-Transporter weiß man, dass in den ersten drei bis fünf Jahren mechanisch nichts passiert", sagt Schmidt. "So weit sind wir heute bei den Lastenrädern noch nicht." Sowohl bei Komodo als auch bei Velogista gibt es daher eine Werkstattecke. Bei Velogista sind die häufigsten Defekte gerissene Speichen und - man höre und staune - gebrochene Rahmen. Bei den Komponenten (Bremsen, Schaltung, Ketten) ist dem Vernehmen nach bei den großen Zulieferern steigende Bereitschaft zu erkennen, Heavy-Duty-Varianten herzustellen. Dem Großhändler Zweirad-Einkaufs-Genossenschaft (ZEG) war das aber nicht genug. Die ZEG hat ein eigenes maximal robustes Cargo-Dreirad namens A-N.T. entwickelt, das auf Vespa-Rädern rollt und von Motorradbremsen verzögert wird. Der Preis ist ein Leergewicht von mindestens 60 Kilogramm, mit Ladebehältern können es auch 80 Kilogramm werden. Das mit Kabine versehene Ono toppt das allerdings noch: Schon ohne Fracht müssen 260 Kilogramm bewegt werden. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Urbane Logistik www.verkehrsrundschau.de/dossiers In Kürze In der urbanen Logistik werden Lastenräder für die Zustellung von Paketen und Sendungen immer wichtiger, gerade vor dem Hintergrund der Klimaschutzdebatte und der überfüllten Straßen in Städten. Vergangene Woche fand in Berlin nun zum ersten Mal die nationale Radlogistik-Konferenz statt.

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