Brüssel. Deutschland hat durch Staatsminister Klaus-Dieter Scheurle die Pläne der EU-Kommission für ein europäisches Kernverkehrsnetz mit zehn vorrangigen Korridoren kritisiert. Scheurle wandte sich vor allem gegen die Vorhaben der EU-Kommission, Deutschland und den anderen EU-Mitgliedsstaaten vorschreiben zu wollen, wann und in welche Infrastrukturprojekte Geld zu investieren sei. „Wir wünschen keine Eingriffe in unsere Planungshoheit“, sagte Scheurle auf dem Treffen der EU-Verkehrsminister gestern in Brüssel.
Die EU könne nicht verlangen, dass die Mitgliedsstaaten Milliarden Euro in die Schaffung des Kernnetzes stecken, wo die Staaten zur gleichen Zeit sparen müssten. Auf 1500 Milliarden Euro habe die EU-Kommission die Summe berechnet, die für die Fertigstellung des Kernnetzes bis 2030 nötig sei. Die Hauptlast davon müssten laut Kommissions-Plänen die Mitgliedsländer tragen.
Bei der bereits seit Jahren laufenden Verwirklichung eines europäischen Verkehrsnetzes (TEN-V) solle sich die EU vielmehr auf die Förderung der grenzüberschreitenden Streckenabschnitte beschränken. Hier sei der europäische Mehrwert erkennbar. Die Umsetzung der geplanten Vorschriften zum Ausbau rein nationaler Strecken würde außerdem zusätzliche Bürokratie bedeuten. „Das führt nicht dazu, dass die Strecken schneller gebaut werden“, sagte Scheurle.
Die meisten anderen EU-Staaten übten ebenfalls Kritik an den Plänen für das TEN-V-Kernnetz. Lediglich Italien unterstützte gestern den Kommissionsvorschlag ohne Vorbehalte. EU-Verkehrskommissar Siim Kallas verteidigte seine Ideen. Er bat die Verkehrs- und Staatsminister darum, nicht nur in nationalen Rahmen zu denken, sondern auch das Ganze, die europäische Perspektive im Auge zu behalten. „Das hier ist nur eine Sitzung von vielen, die wir sicher noch haben werden“, versuchte er die deutliche Kritik zu entschärfen.
Neben dem EU-Verkehrsministerrat, der gestern das erste Mal über die Vorschläge diskutierte, muss auch das EU-Parlament sein Votum zu den Plänen der EU-Kommission abgeben. (kw)