Der Ritt auf der Rasierklinge

Unternehmerische Cleverness oder schlichtweg Fortüne? Als im Jahr 2005 Birkart Systemverkehre zum Verkauf standen, die die Thiel Logistik (heute Logwin) einst von Birkart übernommen und später an den Finanzinvestor Future Lane SA veräußert hatte, schlug seine Stunde. Ewald Raben, CEO der Raben Group mit Hauptsitz im polnischen Robakowo, übernahm rückwirkend zum 1. Januar 2005 die Birkart-Aktivitäten. Im Gegensatz zu manchem deutschen Branchenkollegen, denen dieses Birkart-Geschäft seinerzeit zu marode schien, erkannte der gebürtige Niederländer Raben damals seine Chance: Dank Birkart wurde er Gesellschafter der System Alliance, einer der größten Stückgutkooperationen Deutschlands, und konnte so in den deutschen Stückgutmarkt einsteigen. Und zum 1. Januar 2018, 13 Jahre später, präsentierte Ewald Raben hierzulande sein eigenständiges flächendeckendes Stückgutnetz. Dass dies dem niederländischen Unternehmer tatsächlich gelingen würde, gerade im heiß umkämpften Stückgutmarkt Deutschlands, ahnten anfänglich nur wenige. Zumal Ewald Raben eher ein Mann der leisen Töne ist. Der smarte Mittelständler weiß aber sehr genau, was er will und wie er dies effizient erreicht. "Wenn Raben sich etwas vornimmt, zieht er das durch - durchaus mit einer gewissen Aggressivität." Die deutschen Speditionen dürften hier Großes erwarten, sagt ein früherer polnischer Wegbegleiter von ihm. Dass Raben aber Unternehmer kann, zeigt sein Erfolg in Polen. Dort hatte er 1991, nach dem Zerfall der Sowjetunion, mit gerade einmal 23 Jahren Raben Transport in Robakowo bei Posen gegründet, lange bevor Polen Mitglied in der EU und Nato war. Angeblich soll er sich kurz zuvor eine Landkarte Polens gekauft und auf dieser zwölf Standorte markiert haben, wo er sein Niederlassungsnetz aufziehen wollte. Heute ist Raben Group umsatzmäßig die Nummer eins im polnischen Speditionsmarkt - weit vor DB Schenker Polen und DPD - und setzt dort fast jeden zweiten Euro um (siehe Kasten Seite 30). "Der Löwenanteil unseres Ebits im Jahr 2016 stammt aus Polen", sagt Raben selbst. Raben investierte in Deutschland Und dieses in Polen verdiente Geld reinvestierte der Unternehmer vor allem in Deutschland und kaufte dort in den vergangenen Jahren kräftig auf. Allein von 2015 bis 2017 übernahm er, um konkrete Namen zu nennen, die Speditionen HRL Eurocargo, Stuhr, die Balter-Gruppe, Koblenz und Gera. Weisshaupt, Albstadt, Spedition Peter, Sieger, Heinrich Scheffler Logistics, Hannover, die Rhenus-Speditionsstandorte in Fellbach und in Weilimdorf, GS Frachtlogistik, Garching, den Standort Kamen der Schmalz + Schön Logistik, Busse Logistik, Kassel - immer mit Rabens Ziel vor Augen: "Wir wollen in Deutschland das drittgrößte unabhängige Stückgutnetz werden." Denn die Nummer eins in Polen zu sein, reicht Raben nicht. Er will auch hierzulande punkten - Deutschland sei nun einmal mit über 82 Millionen Einwohnern der wichtigste Markt Europas, sagt er, auch als Basis für seine weitergehenden Ambitionen in Europa. "Wir haben in den letzten sieben Jahren sehr schwer dafür gearbeitet, um unser deutsches Netz zusammen zu bauen. Das hat uns sehr viel Energie und Management-Kapazitäten gekostet", sagt der CEO (siehe Kasten Seite 30). "Jetzt zum 1. Januar 2018 sind wir aber so weit. Wir sind sehr gut vorbereitet." Knapp 1000 Zustell-Lkw, weit über 500 Linien-Verkehre und 3000 Mitarbeiter seien dafür täglich unter der Marke "Raben Trans European" hierzulande im Einsatz. Nurmehr wenige Dinge müssten operativ noch in manchen Niederlassungen umgestellt werden. Einmal aber wäre Raben mit seinem Expansionskurs fast gescheitert, heißt es in der Branche. Das war im Jahr 2011. Da kaufte er die deutschen Wincanton-Aktivitäten. Sie hätten ihm damals, behaupteten seinerzeit Branchenkenner, "finanziell fast das Genick gebrochen". Raben selbst dementierte dies gegenüber der VerkehrsRundschau und sprach von 36 Millionen Euro Kosten für Wincanton und 15 Millionen Euro Restrukturierungs-Kosten. Woher er all das Geld hat, ist nicht bekannt. Hinter vorgehaltener Hand wird aber gemunkelt, dass ein Fremdinvestor mit an Bord sei. Raben selbst sagt dazu: "Wir finanzieren alles mit eigenen Mitteln. Jeden Euro, den wir verdienen, investiere ich in unser Unternehmen." Die Frage, die im Moment sehr viel mehr Stückgutunternehmen in Deutschland umtreibt, ist: Wie erfolgreich wird Raben mit seinem Stückgutnetz hierzulande werden? Wird er sich hier wirklich durchsetzen, und wenn ja, zulasten welchen Anbieters? Denn fest steht laut Jörn Peter Struck, Vorsitzender der CargoLine-Geschäftsführung: "Es gibt zu viele Anbieter im deutschen Stückgutmarkt." Zu befürchten sei deshalb, dass die Preise im ohnehin schon extrem preissensiblen Stückgutsegment weiter nachgeben, auch wenn Raben betont: "Wir wollen über Qualität und nicht über niedrige Preise punkten." Einen Verdrängungswettbewerb über Preise schließe er kategorisch aus. Zumindest die Stückgutmengen sind im Moment da und die Netze der Speditionen bestens ausgelastet, wenn nicht sogar überlastet. "Der Zeitpunkt für Rabens Start ist also günstig", meint Knut Heymann, Unternehmensberater und Ex-Top-Manager bei Schenker. Mindestens zehn Millionen Sendungen, schätzt er, bräuchte Raben aber gleichwohl hierzulande, um sein Netz betriebswirtschaftlich rentabel zu gestalten. Doch eben von dieser Profitabilität scheint die Firma noch weit entfernt. Wie hoch der konkrete Verlust im vergangenen Jahr war, ist noch nicht bekannt. Die im Jahr 2016 veröffentlichte Bilanz wies bei einem Umsatz von 314 Millionen Euro einen Jahresfehlbetrag von 13,8 Millionen Euro aus. Ewald Raben zufolge sind die roten Zahlen in Deutschland im ersten Schritt aber eingeplant, aktuelle Zahlen werde er in rund sechs Monaten präsentieren. Ob sich Raben mit seiner Entscheidung also einen Gefallen getan hat, bezweifeln manche Experten. So ist Klaus van Marwyk, Partner von Roland Berger, eher skeptisch, dass Raben Group mit seinem Stückgutnetz in Deutschland wirtschaftlich erfolgreich sein werde (siehe Kasten Seite 29). Aus verschiedenen Gründen: So sei die Struktur der Betriebe, die Raben im Lauf der vergangenen Jahre gekauft hat, sehr heterogen und deren Integration sehr aufwendig, urteilt er. Größte Herausforderung sei aber, dass das Stückgutgeschäft ein Volumengeschäft sei. Und um profitabel arbeiten zu können, werde das für Raben verbleibende Volumen in Deutschland möglicherweise zu gering sein oder die Preise zu schlecht, sagt van Marwyk. "Der Markt war ja schon vorher massiv unter Druck, und mit einem zusätzlichen Player wird es noch schwieriger. Der Verdrängungswettbewerb wird dadurch sicherlich verstärkt." Auch Heymann sieht noch etliche Stolpersteine, die vor Raben Group liegen. "Der Start des Stückgutnetzes ist nur der erste Schritt. Nun muss Raben die weißen Flecken auf der Landkarte noch füllen. Und das Volumen muss natürlich wachsen - zehn Millionen innerdeutsche Sendungen braucht er mindestens. Dann muss ein Zentralhub errichtet sowie ein Nord- und Süd-Hub etabliert werden. Weitere wichtige Maßnahmen sind die Etablierung einheitlicher Prozesse, Strukturen und Systeme im Netz und in den Terminals", zählt der Berater auf. "Das alles wird kosten - vor allem viel Zeit." Sieben Jahre habe Schenker-Deutschland-Vorstandschef Wolfgang Monning seinerzeit gebraucht, verrät Heymann, um aus Schenker und Rhenus ein profitables Stückgutnetz mit einheitlichen Strukturen und Prozessen zu bauen. "Als dann aber der Break Even erreicht war, bedeutete Ende der 90er-Jahre jede zusätzliche D-Mark Umsatz 50 Pfennig Gewinn - schlichtweg weil die Fixkosten des Netzes durch das Basisvolumen gedeckt waren." Besonders wichtig ist laut Heymann aber die Entwicklung einer Raben-DNA, mit der sich die Führungskräfte und Mitarbeiter identifizieren können. Trotz Digitalisierung sei der Mensch der wichtigste Erfolgsfaktor. "Unterm Strich aber Chapeau!", meint Heymann: "Bislang hat Raben alles richtig gemacht. Er hat sich mit seinen Unternehmen einige leistungsstarke Platzhirsche aus anderen Kooperationsnetzen gekauft." Nun müsse er nur im Tagesgeschäft in Deutschland beweisen, dass er damit auch Erfolg hat. Dazu müsse er die genannten Schritte konsequent gehen und entsprechend investieren, sagt Heymann. "Bis das Raben9Netz wirklich steht und profitabel ist, wird es also wohl weitere fünf Jahre dauern." Mehr zum Thema finden Sie im Dossier "Stückgut" www.verkehrsrundschau.de/dossiers Daten + Fakten Ewald Raben und sein Unternehmen Raben Group Ewald Raben, heute CEO der Raben Group, wurde am 31. August 1968 in Winterswijk in den Niederlanden geboren. Nach Abschluss seines Studiums für Transport und Logistik an der Universität Rotterdam stieg er 1990 in das elterliche Transportunternehmen in den Niederlanden ein. 1991 gründete er das Unternehmen Raben Transport, heute Raben Group, im polnischen Robakowo bei Posen. Im Jahr 2012 war Raben in Polen Gewinner des Ernst & Young-Awards "Entrepreneur of the Year".Im Jahr 2016 erwirtschaftete Raben Group nach eigenen Angaben in zwölf Ländern mit über 10.000 Mitarbeitern mehr als eine Milliarde Euro Umsatz (Stand 2016). In Deutschland beschäftigt das Unternehmen rund 3000 Mitarbeiter. Der Umsatz von Raben Trans European Germany lag 2016 nach eigenen Angaben bei 500 Millionen Euro. Im deutschen Stückgutgeschäft schrieb das Unternehmen 2016 rote Zahlen. eh Experteneinschätzung "Für Raben Group wird es in Deutschland anspruchsvoll" "Ich habe größten Respekt vor der unternehmerischen Leistung Ewald Rabens. Er ist in diesem Geschäft kein Neuling und die Unternehmen, die er gekauft hat, waren ebenfalls in diesem Segment etabliert", kommentiert Klaus van Marwyk, Partner bei Roland Berger in Düsseldorf, den Start der Raben Group mit eigenem Netz im deutschen Stückgutmarkt. "Eine Zahl von rund 30 eigenen Standorten liegt für ein eigenes Stückgutnetz in Deutschland aber eher am unteren Ende", meint er. "Für mich hätte die Profitabilität der Standorte in jedem Fall Priorität. Daher macht es Sinn, in schwächeren Regionen mit Partnern zu arbeiten, wie es Raben Group tut", sagt van Marwyk.Knackpunkt aus Sicht des Stückgut-Experten: "Das Stückgutgeschäft ist ein Commodity-Geschäft. Erfolg in diesem Geschäft hat der, der hohe Mengen effizient abwickelt. Da es aber in diesem Segment schon viele Anbieter gibt, wird es für Raben Group anspruchsvoll." Das Unternehmen könne aber versuchen, so van Marwyk, sich über mehr Kundennähe und höhere Flexibilität, etwa bei Sendungsgrößen und -umfängen und im internationalen Geschäft, von anderen Anbietern abzugrenzen." eh

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