Der neue Player?

Der Lebensmitteldiscounter Lidl besitzt in Deutschland über 3000 Filialen (Stand: 2017). Mit der Einzelhandelskette Kaufland, die wie Lidl zur Schwarz-Gruppe gehört, kommen noch einmal über 1200 dazu. Die Schwarz-Gruppe selbst ist mit 400.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von knapp 100 Milliarden Euro der größte Lebensmittelkonzern Europas. Jede Menge Holz - oder besser gesagt: jede Menge Abfall und vor allem Kosten. Denn Lidl allein bezahlt nach Branchenangaben für die Entsorgung über ein duales System zwischen 70 und 80 Millionen Euro pro Jahr. Ein neues Geschäftsfeld Es lag also nahe, dass die Schwarz-Gruppe die Entsorgung ihrer Verpackungsabfälle einfacher und auch günstiger abwickeln kann, wenn sie es selbst macht, statt auf einen externen Dienstleister zu setzen. Mit dem unternehmensinternen Entsorgungsdienstleister Greencycle GmbH organisierte man die eigene Wertstofflogistik, vor allem im Bereich PET-Flaschen und Altpapier. Zunächst für die eigenen Marken Lidl und Kaufland, später auch für andere Unternehmen. Nach 15 Jahren folgte 2018 der nächste große Schritt: Mit der Übernahme des Entsorgungsunternehmens Tönsmeier, immerhin der fünftgrößte Entsorger in Deutschland, stieg Greencycle im großen Stil auf dem deutschen Recyclingmarkt ein. Tönsmeier wurde in Prezero umbenannt und brachte neben 3000 Mitarbeitern auch viel Erfahrung in der Entsorgungslogistik zur Schwarz-Gruppe mit. Das Ziel ist Wachstum Die Zeichen stehen also ganz klar auf Wachstum im Entsorgungs- und Recyclinggeschäft bei der Schwarz-Gruppe. Im Jahr 2017 erwirtschaftete die Vertriebsmarke Prezero einen Umsatz von 500 Millionen Euro. In den kommenden Jahren möchte man den Umsatz um 50 Prozent auf insgesamt 750 Millionen Euro steigern. Damit gehört Prezero mit 80 Standorten zu den Top-5-Entsorgern in Deutschland und ist überdies neben Polen auch in den Niederlanden aktiv. Dort hat man im März 2019 am Standort Zwolle begonnen, eine der modernsten Sortieranlagen für Leichtverpackungsabfall (LVP) zu errichten. Laut Prezero sollen dort ab 2020 etwa 80.000 Tonnen LVP jährlich für den holländischen Markt aufbereitet werden. Kostenpunkt: rund 30 Millionen Euro. Doch Prezero wird sich nicht nur auf die Entsorgung und Aufbereitung von LVP konzentrieren. Auch in den Bereichen Papier und Pappe, Sperrmüll, Lebensmittel und Gewerbeabfällen will die Vertriebsmarke aktiv werden. Für Gerd Chrzanowski, Vorsitzender der Schwarz Zentrale Dienste KG, ist eine breite Aufstellung der Schlüssel zum Erfolg: "Wir wollen sowohl Partner der Kommunen sein als auch kleiner und mittelständischer Entsorgungsunternehmen. Ebenso werden wir Großkunden ein Angebot machen." Auch in der steigenden Regulierung und der wachsenden Nachfrage nach hochwertigem Recyclingmaterial sieht Chrzanowski Wachstumschancen. Die Branche ist gespalten Mit der Ankündigung, bis 2021 ein eigenes duales System namens Prezero Dual aufzubauen, hat Prezero erneut innerhalb der Recyclingbranche für Aufmerksamkeit gesorgt. Die Reaktionen auf die Ankündigung waren gespalten. Gerade bei Mittelständlern wächst die Furcht vor einem neuen Riesen am Markt, der mit einem eigenen dualen System entsprechend großen Einfluss besitzt. Das bestätigt Eric Rehbock, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Sekundärrohstoffe und Entsorgung (BVSE): "Die Schwarz-Gruppe hat eine enorme Marktmacht auf dem Gebiet der Verkaufsverpackungen. Das darf man nicht unterschätzen." Laut BVSE entfallen am Gesamtmarkt allein auf Lidl in etwa zehn Prozent, also rund 100 Millionen Euro, Lizenzvolumen. Auf der anderen Seite sei es noch zu früh, um schon Rückschlüsse auf mögliche Veränderungen am Markt durch den Wachstumskurs von Prezero zu ziehen: "Durch den Einstieg der Schwarz-Gruppe sind bisher keine neuen Impulse feststellbar. Wir müssen die weitere Entwicklung abwarten", so Rehbock. Wie geht es weiter? Der Recyclingmarkt in Deutschland ist bitter umkämpft, und die Konkurrenz wird immer härter. Im letzten Jahr musste die Europäische Lizenzierungssysteme GmbH (ELS) als erstes duales System Insolvenz anmelden. Und im März 2019 kündigte das Kölner Unternehmen Recycling Kontor Dual (RKD) an, die Tätigkeit als Systembetreiber ab April einzustellen. Durch ein weiteres duales System würden sich die Marktanteile entsprechend neu verteilen. Das könnte dazu führen, dass noch weitere kleinere Systeme das Schicksal von ELS und RKD ereilt. In Branchenkreisen heißt es, dass Lidl noch bis Ende 2019 einen Vertrag mit dem dualen System Interseroh, einer Tochter des Alba-Konzerns aus Berlin, hat. Sollte Prezero Dual tatsächlich 2021 an den Start gehen, würde Interseroh einen wichtigen Kunden verlieren. Laut Prezero befindet man sich für das eigene duale System bereits in Gesprächen mit allen prozessbeteiligten Stellen. Um deutschlandweit als Systembetreiber anerkannt zu werden, sollen auch bereits in allen Bundesländern Genehmigungsverfahren laufen. Ob noch weitere Übernahme folgen wie die von Tönsmeier, um den straffen Zeitplan bis 2021 umzusetzen, darüber kann momentan nur spekuliert werden. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Entsorgung www.verkehrsrundschau.de/dossiers

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