"Das ist kein fairer Wettbewerb"

Die Bundestagswahl steht vor der Tür. Wenn Sie als neuer AMÖ-Präsident einen Wunsch an den neuen Bundeskanzler äußern könnten, wie würde der lauten? Ich wünschte mir, dass die Interessen des gesamten Verkehrsgewerbes - und damit meine ich nicht nur die Möbelspedition - mehr Aufmerksamkeit in der Gesellschaft und Politik finden würden. Der Logistikbereich hat gemessen an dem, was hier produziert und transportiert wird, einen ganz hohen, aber zumeist unterschätzten Stellenwert. Dieses schlechte Image ist mit ein Grund dafür, dass wir keine Fahrer finden. Auf das Image nimmt aber auch die Politik Einfluss. Nehmen Sie die Debatte um den Lang-Lkw: Die zeigt, wie ein Thema auch mangels politischer Unterstützung in der Öffentlichkeit zerredet werden kann und damit einen schlechten Ruf erhält - zu Unrecht. Was können Verbände wie die AMÖ tun, damit die Wertschätzung in der Politik steigt? Wir müssen im Gespräch mit der Politik bleiben und weiterhin unsere Bedürfnisse beim Namen nennen. Gerade jetzt bei einer so wichtigen Wahl wie die zum Bundestag müssen wir Flagge zeigen. Dazu müssen die Mitglieder auch mit ihren Politikern vor Ort sprechen. Ist das Fahrverbot für Dieselfahrzeuge in den Städten die größte Bedrohung, mit der sich Möbelspediteure derzeit befassen müssen? Es ist eines der großen Probleme. Hier werden Diesel-Lkw und -Pkw in einen Topf geworfen, obwohl die Methoden zur Erfassung der Emissionen unterschiedlich sind und der Lkw nach allem, was wir Stand heute wissen, auch tatsächlich das ausstößt, was in den Tests gemessen wird. Als Folge dieser Debatte ist zu befürchten, dass sich die Investitionszyklen verändern werden. Für mein Unternehmen kann ich sagen, dass ich vier neue Fahrzeuge bestellt habe, obwohl unsere Lkw alle eine grüne Plakette haben. Doch bei den geringen Laufleistungen der Lkw in vielen Umzugsunternehmen kann man nicht erwarten, dass der Fuhrpark alle zwei oder drei Jahre ausgetauscht wird. Wenn wir jetzt eine Investition tätigen, müssen wir zudem darauf vertrauen können, dass diese Zusagen auch noch in x Jahren Bestand haben und wir es nicht wieder erleben wie bei Euro 3, dass wir über Nacht einen enormen Verfall des Anlagevermögens hinnehmen müssen. Wir können da keine Schnellschüsse gebrauchen, die uns das Leben schwer machen und die Unternehmen finanziell belasten. Wird es zu Dieselfahrverboten kommen? In einzelnen Städten ist das zu befürchten. Dann aber muss es Ausnahmen für den Wirtschaftsverkehr geben. Doch muss man auch darauf achten, dass der bürokratische Aufwand zur Erlangung solcher Ausnahmen sich in Grenzen hält. Aber Möbelspediteure sind besonders betroffen, weil die Laufleistung der Fahrzeuge häufig gering ist und es bei ihnen daher einige Lkw gibt, die noch mit Euro-3-Motoren fahren? Das ist richtig. Aber trotzdem muss man sich die Frage stellen, was ist sinnvoller Umweltschutz? Bei der Produktion eines Lkw entstehen auch Emissionen. Wenn dieser Lkw nur ab und zu in die Stadt fährt und dort kaum Emissionen verursacht, weil er die meiste Zeit steht, soll man dann tatsächlich ein Umzugsunternehmen zwingen, in ein neues Fahrzeug zu investieren? Wir haben ja keine Fahrzeuge wie beispielsweise in der City-Logistik, die dort Tausende von Kilometern zurücklegen. Sind Elektrofahrzeuge eine Alternative? Es gibt zumindest einige Projekte zur E-Mobilität, die Hoffnung machen. Daran habe ich selber großes Interesse. Mir ist aber nichts bekannt, wo es Fahrzeuge gibt, die einen entsprechenden Radius haben und auch bezahlbar sind. Sie haben auch Fahrzeuge bis 7,5 Tonnen, finden aber dennoch kein Elektroauto? Nein, und das, obwohl unsere Lkw oft weniger als 100 Kilometer pro Tag zurücklegen. Also grundsätzlich ideal für ein Elektrofahrzeug. Aber wir brauchen auch die Ladeinfrastruktur dazu. Da muss noch sehr viel passieren. Hat die Nutzfahrzeugindustrie den Trend zur Elektromobilität verschlafen? Für mich kann es keine andere Antwort geben als ein klares "ja". Man hat offenbar zu lange gehofft, dass der Diesel noch jahrzehntelang nachgefragt wird. Dass es anders geht, sieht man an den verschiedenen Elektro-Fahrzeugen in der Paketzustellung. Würden Sie Ihren Kollegen raten, sich mit der Elektromobilität zu befassen? Befassen, definitiv ja. Ob es allerdings kurzfristig die Lösung ist, wage ich zu bezweifeln. Mittel- bis langfristig werden diese Fahrzeuge kommen. Was schätzen Sie: Wann steht das erste Elektrofahrzeug in Ihrem Fuhrpark? Im Bereich der kleineren Fahrzeuge hoffe ich in zwei bis drei Jahren. Gehen den Möbelspediteuren die Fahrer und die Fachkräfte aus? Ja. Es fängt bei der Ausbildung an. Wir finden kaum geeignete Bewerber. Aber auch generell ist es schwierig, Personal zu finden. Mittlerweile höre ich von vielen Kollegen, dass Lkw nicht bewegt werden können, weil das Personal fehlt und deshalb Aufträge nicht angenommen werden können. Bei Ihnen im Unternehmen auch? Ja, wir müssen jonglieren. Deshalb peile ich auch kein großes Mengenwachstum an, weil ich nicht weiß, ob mir die dafür benötigte Zahl an Fahrern dauerhaft zur Verfügung steht. Da halte ich eine überschaubare Größe mit einem entsprechenden Sicherheitspuffer für die bessere Variante. Sind aber auch Anhebungen der Gehälter unausweichlich, um den Job attraktiver zu machen für potenzielle Interessenten? Das machen wir bereits. Doch wir haben das Problem, dass wir im Wettbewerb zu Anbietern stehen, die mit Fahrzeugen unter 3,5 Tonnen unterwegs sind. Die unterliegen nicht dem Güterkraftverkehrsgesetz (GüKG), sind nicht erlaubnispflichtig, benötigen keine Berufskraftfahrerqualifikation und müssen keine Güterschadenhaftpflichtversicherung abschließen. Diese Anbieter können deutlich günstiger anbieten als wir. Das macht es uns schwer, höhere Löhne zu zahlen, da wir unsere Kosten kaum in Preise umsetzen können. Wie sollte eine Angleichung aussehen? Die AMÖ fordert schon lange, die Gewichtsgrenze im GüKG für Umzugstransporte auf zwei Tonnen abzusenken. Es ist nicht einzusehen, warum Anbieter mit Transportern unter 3,5 Tonnen viel größere Freiheiten genießen und damit deutlich geringere Belastungen haben. Denken Sie an den digitalen Tachografen und an die erforderliche Qualifikation der Mitarbeiter. Es gehört eine schulische Ausbildung dazu, die IHK-Prüfung sowie diverse Fortbildungen. Das kann auch für Bewerber eine Hürde sein, die dann lieber zu den Unternehmen gehen, bei denen sie nicht so hohe Anforderungen erfüllen müssen. Wie realistisch ist es, dass die Politik einer solchen Absenkung der Gewichtsgrenze zustimmt? Das wird nicht leicht, aber vielleicht kommt es im Rahmen des Mobility Package zu Lösungen, auch wenn die Bundesländer über den Verwaltungsaufwand stöhnen. Wenn man aber nicht nur ein Interesse an einem fairen Wettbewerb hat, sondern auch an einer verbesserten Verkehrssicherheit, ist eine solche Maßnahme unverzichtbar. Ein anderes Problem, das vor allem den Umzugsspeditionen Sorgen bereitet, ist die Schwarzarbeit. Kontrollieren die Behörden genug? Das können wir nicht beurteilen, weil wir nicht erfahren dürfen, was tatsächlich passiert. Ich sehe es aber nach wie vor als ein sehr großes Problem an. Wie hoch ist der Anteil der Schwarzarbeit in der Möbelspedition? Dazu gibt es keine verlässlichen Angaben. Es wurde als Zahl mal eine Milliarde Euro bezogen auf den Umsatz genannt. Aber jeder Euro, der schwarz verdient wird, schädigt das Land, führt zu Steuermindereinnahmen und schädigt gerade die Unternehmen, die ihre Arbeit nach Recht und Ordnung verrichten. Da muss dringend mehr kontrolliert werden, da werde ich mich auch einbringen. Aber es macht halt einen Unterschied, ob die Behörden einen kleinen Umzugsanbieter kontrollieren, dessen Fahrer unterwegs sind, oder ob sie auf eine Großbaustelle fahren und dort auf einen Schlag hundert Personen prüfen können. Problematisch ist die Lage an den Rampen des Handels. Hat sich die Lage verbessert durch das gemeinsame Projekt von Handel und Spedition "Zimlog"? Zimlog ist sehr erfolgreich und muss jetzt fortgeführt und umgesetzt werden. In dieser Phase befinden wir uns gerade. Aber eine Verbesserung ist weiterhin notwendig. Denn wenn es an der Rampe nicht funktioniert, führt das nicht nur zu Kosten für alle Beteiligten, sondern auch zu Verdruss beim Fahrpersonal und zur Vergeudung wertvoller Arbeitszeit. Beides können wir uns angesichts der Fahrerknappheit nicht länger leisten. Die AMÖ hat letzte Woche eine Zusammenarbeit mit dem Möbelhaus Höffner verkündet. Was erhoffen Sie sich davon? Die Zusammenarbeit sieht unter anderem vor, dass Kunden von Höffner, die mit einem AMÖ-Mitgliedsunternehmen umziehen, fünf Prozent Rabatt auf ihren Einkauf bei Möbel Höffner erhalten. Zudem warnt Höffner vor Umzugsbetrug und empfiehlt, sich im Falle eines Umzugs an einen AMÖ-Fachbetrieb zu wenden. Muss das AMÖ-Mitglied sich am Rabatt beteiligen? Nein, es entstehen keinerlei Mehrkosten. Ich erwarte, dass mit dieser Vereinbarung die Möbelkäufer bei Höffner sich bei einem Umzug dann häufiger für eine AMÖ-Spedition entscheiden. Damit liefert die AMÖ einen echten Mehrwert. Mehr solche Leistungen dem Mitglied anzubieten und so den Nutzen einer AMÖ-Mitgliedschaft zu erhöhen ist ein Ziel, das ich mir im Rahmen meiner Präsidentschaft gesteckt habe. Werden Sie weitere Kooperationen abschließen? Wir sind in Kontakt mit mehreren Unternehmen. Da bitte ich aber um Verständnis, dass ich erst den Abschluss dieser Gespräche abwarten möchte. Welchem Thema werden Sie sich als neuer Verbandspräsident als Erstes widmen? Ein Thema, das bereits angestoßen ist: Wir werden die AMÖ neu ausrichten für die Zukunft. Dazu gibt es bereits eine Arbeitsgruppe 2020. Wir müssen als Verband schneller werden und näher an das Mitglied herankommen. Dazu planen wir in den nächsten Jahren Veränderungen. Wie sollen die aussehen? Ein Vorschlag der Arbeitsgruppe ist, Kompetenzzentren zu bilden. Das heißt, ein oder mehrere Landesverbände kümmern sich schwerpunktmäßig um technische Themen, andere um rechtliche. Aber das müssen wir noch genau mit den Landesverbänden besprechen. Damit wollen Sie sicher auch die Mitgliederentwicklung beeinflussen. Ja, wir wollen wieder wachsen. Durch Firmenaufgaben, Insolvenzen und fehlende Nachfolger hatten wir in den letzten Jahren einen Rückgang zu verzeichnen. Derzeit hat die AMÖ über die Landesverbände 870 Mitgliedsunternehmen. Vor sieben Jahren waren es noch 1000. Im Markt gibt es aber noch viele Unternehmen, die gut zur AMÖ passen, aber nicht Mitglied sind. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Digitalisierung. Diesem Trend müssen wir als Verband wie auch als Unternehmen stärker Rechnung tragen. Wo besteht der größte Bedarf bei den Speditionen? Da gibt es mehrere Themen: Online-Abschlüsse zum Beispiel. Die Kunden sind es heute gewohnt, per Internet zu jeder Zeit zu bestellen. Dazu müssen wir entsprechende Instrumente aufbauen und vielleicht auch gemeinsam entwickeln. Dazu gehört auch die digitale Besichtigung von Umzugsgut, die Angebotserstellung, die Kommunikation mit dem Kunden. Auch in der Administration lassen sich viele Dinge digital lösen. Ein Thema als Verbandspräsident ist immer auch die Zusammenarbeit mit den anderen Verkehrsverbänden. Ja, ich möchte die Zusammenarbeit mit den Partnerverbänden ausbauen. Meine feste Überzeugung ist, dass wir nur eine starke Stimme haben, wenn wir mit einer Stimme sprechen. Dazu müssen die Verbände miteinander reden, gemeinsam nach Lösungen suchen und vielleicht auch mal den einen oder anderen Kompromiss eingehen, um sich nicht auseinanderdividieren zu lassen. Wir hier in Niedersachsen haben das Glück, dass wir einen Gesamtverband haben und gemeinsam die Interessen vertreten. Damit haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht. Das ist ein Plädoyer für mehr Gesamtverbände in den Ländern. Wenn man sich die Verbandsstruktur in Deutschland auf Landesebene ansieht, haben wir sehr unterschiedliche Konstrukte. Ich glaube, man könnte sich schlagkräftiger aufstellen, wenn wir hier einheitlichere Strukturen hätten. Aber das ist keine Entscheidung der AMÖ, darüber müssen die Landesverbände entscheiden. Würden Sie eine Verknüpfung der Verbände auch auf Bundesebene befürworten? Wenn ich einen Wunsch frei hätte und wir es hinbekämen, dass wir einen starken Verkehrsverband in Deutschland hätten, dann würde ich mir das wünschen. Aber ich bin Realist genug und mir daher bewusst, dass es noch sehr lange dauern wird, bis wir einen solchen gemeinsamen Verband haben werden. Da gibt es doch zu viele individuelle Interessen. Vita Frank Schäfer Möbelspediteur: Der Beruf wurde Frank Schäfer mit in die Wiege gelegt, als er am 28. Januar 1963 in Hannover geboren wurde. Denn sein Vater, Opa und Urgroßvater führten bereits das Umzugsunternehmen L. Spangenberg in Hannover. Kein Wunder, dass Schäfer 1983 eine Ausbildung zum Speditionskaufmann begann und schließlich nach anderen Tätigkeiten 1988 in den elterlichen Betrieb einstieg. Seit 1996 ist er Geschäftsführer, seit 2009 geschäftsführender Gesellschafter des Umzugsunternehmens mit derzeit 20 Mitarbeitern und sieben Fahrzeugen.Schäfer will aber auch über die Betriebsgrenzen hinaus etwas bewegen. Deshalb engagiert er sich bereits seit 1990 im Gesamtverband Verkehrsgewerbe Niedersachsen (GVN). Unter anderem ist er dort seit 2001 stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Fachvereinigung Möbelspedition. In der AMÖ wurde er 2011 zum Vizepräsidenten gewählt und vergangene Woche auf der Tagung in Kassel zum Präsidenten. cd Daten & Fakten AMÖ Der Bundesverband Möbelspedition und Logistik (AMÖ) vertritt die Interessen des deutschen Möbelspeditionsgewerbes. Über seine 18 regionalen Mitgliedsverbände gehören der AMÖ 850 Mitgliedsunternehmen an. Diese sind tätig auf den Gebieten Umzug, Handelsmöbellogistik, EDV- und Kunstspedition. Um Qualitätsstandards durchzusetzen, vergibt die AMÖ an Mitgliedsunternehmen, die sich auf die Einhaltung von Standards (die sogenannten "Zehn Gebote der Möbelspediteure") verpflichten, eine Urkunde: das Zertifikat als anerkannter AMÖ-Fachbetrieb. cd

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