Das Duell: Blei-Säure vs. Brennstoffzelle

Das Ergebnis ist eindeutig: Es kommt darauf an. Ob sich mit einer Brennstoffzelle und Wasserstoff betriebene Gabelstapler rechnen und ökologisch vorteilhaft sind, kommt auf die konkreten Einsatzbedingungen an. Herausgefunden haben dies der Flurförderzeughersteller Linde Material Handling, der Autobauer BMW und der Lehrstuhl für Fördertechnik, Materialfluss und Logistik (FML) an der Technischen Universität München (TUM) im Rahmen des vom Bundesverkehrsministerium geförderten Forschungsprojektes H2Intra-Drive. H2 ist das chemische Kürzel für ein Wasserstoffmolekül. Das Projekt lief von Ende 2013 bis Ende 2015. Für das Experiment hat Linde sechs Routenzugschlepper und fünf Elektro-Frontstapler vom Typ E25 HL und E35 HL mit Tragfähigkeiten von 2,5 und 3,5 Tonnen geliefert. Ihr Job: den Karosseriebau für die Elektrofahrzeuge I3 und I8 von BMW im Werk Leipzig mit Teilen zu versorgen. Täglich laufen dort unter anderem 120 der Elektro-BMW vom Band. Stapler und Werk umgebaut Ganz ohne Umbaumaßnahmen an Werk und Stapler ließ sich das allerdings nicht realisieren. Weder liefert Linde Serienstapler mit Brennstoffzelle noch hatte BMW eine Wasserstofftankstelle parat. So schmissen die Linde-Techniker die Blei-Säure-Batterie raus und besorgten ein Brennstoffzellensystem mit 80 Volt Spannung, das in die Abmessungen des Batterietrogs passte. Es besteht im Wesentlichen aus einem Zusatzgewicht, das als Komponententräger dient, Wasserstofftank, Kühlsystem, Brennstoffzellenstack sowie einem Lithium-Ionen-Akkumulator (Li-Ion). Da in der Brennstoffzelle neben Strom und Wasser auch reichlich Wärme entsteht (siehe Kasten Seite 29), tauschten die Linde-Ingenieure die normale Seitentür gegen eine neue mit Lüftung und Serviceklappe für den Tankstutzen. "Der Wirkungsgrad der Brennstoffzelle liegt bei etwa 50 Prozent", erklärt Mark Hanke von Linde das Wärmeaufkommen. Ein weiteres Zusatzgewicht gleicht die Gewichtsdifferenz zwischen Brennstoffzelle und Blei-Säure-Akku aus und erhält die Kippstabilität. Sensoren in der Serviceklappe verhindern, dass der Stapler beim Tanken benutzt werden kann. Im Fahr- und Arbeitsbetrieb stellt die Brennstoffzelle die Grundlast bereit, während die Li-Ionen-Batterie die Leistungsspitzen abdeckt. Beim Bremsen gewonnene Energie wird dazu in den Li-Ionen-Akku gespeist. Das erhöht die Einsatzdauer des Fahrzeugs. Damit ist der Antrieb genau genommen ein Brennstoffzellen-Hybrid. Auch im BMW-Werk mussten Techniker anrücken. Linde Gas lieferte die Wasserstoffinfrastruktur. Zudem sorgte das Unternehmen für den Nachschub mit dem von TÜV Süd zertifizierten grünen Wasserstoff (GreenHydrogen). Dieser wird aus der Elektrolyse von Wasser gewonnen. Dafür errichteten die Techniker die erste Indoor-Zapfsäule für wasserstoffbetriebene Flurförderzeuge in Deutschland. Vor der Halle stehen zudem ein Wasserstoffbündelspeicher und ein Verdichter. Der ist zwischen Speicher und Tankstelle geschaltet und sorgt für den nötigen Druck beim Tanken. An der Zapfsäule finden sich zwei Anschlüsse. Einer für die Schlepper und einer für die Stapler, beide arbeiten mit unterschiedlichen Drücken. Bei dem Stapler muss zusätzlich noch ein Abwasserschlauch angeschlossen werden, über den das Reaktionswasser abgepumpt wird. Bei den Schleppern verdampft es. Der wesentliche Unterschied in der Praxis: Tanken statt wechseln. Das Tanken funktioniert beim Brennstoffzellenstapler ähnlich wie bei einem Auto mit Gasantrieb. Es dauert beim Gabelstapler drei Minuten und beim Schlepper anderthalb. Die Zeiten für den Batteriewechsel mit Hubwagen liegen dagegen mit zehn und fünf Minuten wesentlich darüber. Zudem sind Brennstoffzellen weniger wartungsintensiv als Blei-Säure-Batterien. Unter dem Strich kommen die Brennstoffzellenfahrzeuge so auf längere Einsatzzeiten. Zudem spart die Wasserstofftechnologie Platz: Ein Raum für den Batteriewechsel mit Hubeinrichtungen, Ladegeräten, Ersatzbatterien und Lüftungssystem entfällt. "Bei der Brennstoffzelle haben wir eine Lernkurve durchschritten", sagt Hanke. Die führte zu neuen Komponenten und Updates der Brennstoffzellensoftware. So konnte die mittlere Betriebsdauer zwischen Ausfällen der Fahrzeuge verbessert werden. Mussten die Stapler 2014 im Durchschnitt nach 70 Betriebsstunden einen ungeplanten Boxenstopp einlegen, so war es 2015 erst nach 115 Stunden so weit. Bei den Schleppern verbesserte sich der Wert von 186 auf 380 Betriebsstunden. Alternativ nicht immer ökologisch Im Vergleich zu den konventionellen Elektrofahrzeugen lag die Reichweite der wasserstoffbetriebenen Schlepper über dem Standard, die Reichweite der Gabelstapler darunter. Ein größeres Tankvolumen und ein höherer Druck im Tank können die Reichweite erhöhen. Der Wirkungsgrad des Brennstoffzellensystems liegt noch knapp unter dem der Blei-Säure-Batterie. "Der Serienbetrieb funktioniert", bilanziert Christina Wörle aus der Logistikplanung von BMW. Ob das Ganze ökologisch korrekt ist - kommt darauf an. Werden Strom aus der Steckdose und konventionell erzeugter Wasserstoff verwendet, schneiden die Brennstoffzellen etwas besser ab als ihre Blei-Säure-Konkurrenten. Die Brennstoffzelle punktet vor allem bei ihrer Herstellung mit geringeren Emissionen, verliert aber etwas im Betrieb. Der Grund: Die Analyse bezieht sich auf die Lebensdauer der Fahrzeuge und hier werden beim Blei-Säure-Stapler gleich 3,3 Batterien verschlissen, denen nur eine Brennstoffzelle gegenübersteht. "Beim Einsatz von grünen Energieträgern reduzieren sich die Emissionen im Betrieb der Flurförderzeuge und die anderen Phasen gewinnen an Bedeutung", erklärt Robert Micheli, wissenschaftlicher Mitarbeiter am FML. Die anderen Phasen sind die Herstellung von Stapler und Brennstoffzelle, deren Transport sowie Service und Wartung. Je nachdem welches Treibhausgasminderungspotenzial als grün definiert wird, ist die Brennstoffzelle oder der Blei-Säure-Akku besser. Im Fall des bei BMW verwendeten GreenHydrogen hatten die Blei-Säure-Stapler klar die Nase vorn. "Flurförderzeuge mit Brennstoffzelle können bereits heute ohne Förderung wirtschaftlich sein", sagt Micheli. Bei der von ihm im Rahmen des Forschungsprojekts aufgestellten Kostenanalyse sind die Brennstoffzellenfahrzeuge allerdings deutlich teurer als die Blei-Säure-Konkurrenz. Auf der Soll-Seite stehen bei den Brennstoffzellengeräten vor allem die Investitionen in Infrastruktur und Brennstoffzelle, die Kosten für Wartung von Infrastruktur und Brennstoffzelle sowie der Energieverbrauch. Auf der Haben-Seite finden sich die deutlich geringeren Personalkosten für weitere Tätigkeiten. Hier spielen die Zellen ihren Verfügbarkeitsvorteil aus. Wegen der kurzen Tankzeiten können die Flotten kleiner sein und es wird kein Personal fürs Laden und Pflegen der Batterie benötigt. Für den wirtschaftlichen Betrieb sind also vor allem die Personal- und Flächenkosten wichtige Hebel. Sind sie hoch, kann sich die Brennstoffzelle rechnen. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Gabelstapler www.verkehrsrundschau.de/dossiers So funktioniert eine Brennstoffzelle Aus Wasserstoff und Sauerstoff wird Strom, Wärme und Wasser Jede Zelle enthält zwei plattenförmige Elektroden: Anode und Kathode. Getrennt werden diese durch einen Elektrolyten, den man sich wie eine Art Membran vorstellen kann. Der lässt zwar Ionen durch, das sind elektrisch geladene Teilchen, nicht aber die Gase Wasserstoff und Sauerstoff und verhindert so, dass diese ein nutzloses Knallgas bilden. Die Elektroden sorgen mit ihren katalysatorischen Eigenschaften dafür, dass die zugeführten Gase Ionen als Ladungsträger freisetzen. Die Wasserstoffmoleküle (H2) zerfallen an der Anode in Wasserstoffatome, die durch die Elektronenabgabe zu positiv geladenen Wasserstoff-Ionen (H+ ) werden. Die freien Elektronen fließen als nutzbarer Strom über einen Leiter zur positiv geladenen Kathode, da sie Elektronen (negativ geladen) anzieht. An der Kathode wird Sauerstoff (O2) zugegeben. Dort bilden die Elektronen mit den Sauerstoffatomen negative Sauerstoff-Ionen (O2-). Parallel wandern die positiv geladenen Wasserstoff-Ionen durch den Elektrolyten zur Kathode, wo sie sich mit den Sauerstoff-Ionen zu Wasser vereinigen und dabei noch Wärme freisetzen. Wenn mehrere solcher Zellen zusammengeschaltet werden, bilden sie einen sogenannten Stack. sv

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