Das Dilemma mit den E-Fuels

Mittlerweile ist klar: Wer den CO2-Ausstoß im Straßenverkehr bekämpfen will, der braucht viele verschiedene Waffen. Dazu gehört sicherlich die Elektromobilität, es braucht auch die Brennstoffzelle und höchstwahrscheinlich ist man auch auf die sogenannten E-Fuels angewiesen. Diese sind in der Lage, herkömmliche Verbrenner zu befeuern, und belasten die Umwelt im besten Falle nicht oder nur wenig. Auf dem Kongress "Kraftstoffe der Zukunft 2021", der Anfang des Jahres in digitaler Variante stattfand, widmeten sich gleich mehrere Seminare den zukunftsträchtigen Kraftstoffen. Zum Begriff Unter E-Fuels versteht die Wissenschaft Kraftstoffe, die unter Zuhilfenahme von Elektrizität hergestellt werden. Im Fachjargon werden sie auch Ptx (Power-to-x) genannt. Es gibt verschiedene Verfahren mit etlichen komplizierten Prozessschritten, in denen Rohstoffe zu einem flüssigen oder gasförmigen Kraftstoff veredelt werden. In der Regel braucht es als Basis eine Kohlenstoff- und eine Wasserstoffquelle, aus denen schließlich das Endprodukt entwickelt wird. In ferner Zukunft sollen diese Kraftstoffe die fossilen Brennstoffe zu einem Teil ersetzen, so die Hoffnung. Grundsätzlich ist man von einer Massenproduktion aber noch ein Stück weit entfernt. Chemische Prozesse Hinter der Entwicklung eines Kraftstoffes steht ein kompliziertes Geflecht aus verschiedenen Arbeitsschritten. Beispiel: E-Diesel. Dieser wird unter anderem im Kopernikus-Projekt P2X des Bundesministeriums für Bildung und Forschung entwickelt. Ein Gerät filtert Kohlenstoffdioxid (Kohlenstoffquelle) aus der Luft und schickt es gemeinsam mit Wasserdampf (Wasserstoffquelle) in eine Elektrolyseanlage, die nach dem sogenannten Fischer-Tropsch-Verfahren arbeitet. Unter Zuhilfenahme von Strom generiert das Gerät Kohlenwasserstoff-Ketten, die am Ende teilweise wieder aufgespalten werden. Lange Rede, kurzer Sinn: Es entstehen drei Stoffe: Wasser, ein Wachs und das E-Fuel, das in Raffinerien zu E-Diesel umgewandelt werden kann. Möglich wäre auch die Veredelung zu Benzin oder Kerosin. Umweltgedanken Der gesamte Prozess sieht auf den ersten Blick wie ein bahnbrechender Erfolg auf der Suche nach umweltfreundlichen Fortbewegungsmöglichkeiten aus. Vorteil eins: Es wird kein zusätzliches Kohlenstoffdioxid in die Umwelt geblasen. Denn der Anteil, den das Auto ausstößt, wurde zuvor der Umwelt entnommen. Alles, was an CO2 in der Luft landet, war im Prinzip vorher schon da. Vorteil zwei: Das Tankstellennetz kann für die E-Fuels weiterverwendet werden. Auch die Autos brauchen keine Aufrüstung und können mit den bestehenden Motoren weiterfahren. Vorteil drei: E-Fuels sind Forschern zufolge sogar sauberer als herkömmliche Treibstoffe, da sie keine Verunreinigungen, wie beispielsweise Schwefel, enthalten. Weiterführend seien E-Fuels relativ geruchsneutral, der Benzingestank bleibt also auf der Strecke. Klingt alles nach heiler Welt - und doch ist ein flächendeckender Einsatz noch sehr weit entfernt. Denn jetzt kommen die großen Aber: Ganz so einfach, wie eben beschrieben, ist es leider nicht. Denn es gibt einige Hindernisse. So existieren bisher nur wenige Anlagen, die in der Lage sind, E-Fuels in großem Stil herzustellen. Um beim Kopernikus-Projekt zu bleiben: Der erste Komplex in der Größe eines Wohnzimmers schaffte gerade mal zehn Liter E-Fuels am Tag. Dieses Problem dürfte sich in den nächsten Jahren aber wohl beheben lassen. So hat das Unternehmen Ineratec angekündigt, in wenigen Jahren 4,6 Millionen Liter E-Fuels pro Jahr produzieren zu wollen. 2022 soll die bis dahin größte Anlage der Welt in Frankfurt-Höchst in Betrieb gehen. Die Menge scheint also ein behebbares Problem zu sein. Ein anderes macht aber vor allem den Forschern noch Bauchschmerzen: die Frage des Stromes. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass sich die politischen Streitigkeiten der Zukunft nicht mehr um Ölfelder, sondern um die Möglichkeiten für die Gewinnung von umweltfreundlichem Strom drehen werden. E-Fuels sind genau so lange umweltfreundlich, wie die Energie für die Elektrolyse aus regenerativen Quellen gewonnen wird. Steht dahinter ein Braunkohlekraftwerk, ist der Aufwand für die Katz. Bei "Kraftstoffe der Zukunft 2021" zeigte Dr. Ilkka Hannula von der International Energy Agency den deutschen Strombedarf für E-Fuels im Jahre 2050 auf. Der Forscher rechnet mit 587 Terawattstunden pro Jahr - nur für die Herstellung der umweltfreundlichen Treibstoffe. Zum Vergleich: Heute erzeugt Deutschland den Zahlen zufolge lediglich 302 Terawattstunden umweltfreundlichen Strom pro Jahr. Allerdings muss auch gesagt sein: Diese Rechnung zeigt nur auf, wie viel Energie Deutschland bräuchte, um die E-Fuels selbst herzustellen. Nicht wenige Forscher sind der Meinung, dass E-Fuels in anderen Teilen der Welt produziert und dann nach Deutschland importiert werden sollten. Auch die Effektivität der Herstellung ist ein diskutables Thema. So berechnete Dr. Siegfried Bajohr vom Karlsruher Institut für Technologie Anfang des Jahres, dass die Herstellung von E-Diesel mittels des Direct Air Capture-Verfahrens einen Wirkungsgrad von 48 Prozent hat. Andere Verfahren, beispielsweise der Gewinn von CNG oder LNG aus Biomasse, erreichen Wirkungsgrade von über 70 Prozent. On top muss berücksichtigt werden, dass Verbrennungsmotoren von Haus aus schon nicht wirklich effektiv arbeiten. Es ergibt sich also eine Verkettung ineffizienter Prozesse, mit dem Effekt, dass mehr als drei Viertel der erzeugten Energie verpufft, ohne dass sie auch nur einen Meter Fahrt gebracht hat. Allerdings, so Bajohr in seinem Vortrag bei dem Kongress, sollte der Wirkungsgrad kein Kriterium für die Auswahl des Gewinnungsverfahrens sein. Eher sei die Wissenschaft dazu angehalten, das als Anreiz zur Verbesserung zu sehen. Tatsächlich, das merkte auch Bajohr an, gebe es schon erste Forscher, die bei der Erzeugung von E-Diesel nach dem oben beschriebenen Verfahren höhere Wirkungsgrade erzielt haben wollen. Die Zukunft Glaubt man den Experten bei der Konferenz, so werden E-Fuels in Zukunft eine entscheidende Rolle bei unserer Fortbewegung spielen. Fast alle sind sich aber auch einig, dass die Treibstoffe keine alleinige Lösung darstellen, sondern nur ein Puzzlestück sein können. Erste Schritte werden bereits gegangen, eine Massenproduktion für den breiten Markt ist aber wie gesagt noch nicht abzusehen. Auch wenn die 4,6 Millionen Liter von Ineratec schon nach viel klingen: Alleine der gesamte deutsche Güterverkehr hat 2019 rund 20 Milliarden Liter Kraftstoffe verschlungen, berichtet das Umweltbundesamt. Wer das Engagement der Wissenschaft bei "Treibstoffe der Zukunft 2021" sieht, der erlebt so etwas wie einen Lichtblick. Es gibt massenweise Ideen und Anreize, es folgen fortlaufend neue Erkenntnisse und Innovationen. Dass E-Fuels irgendwann in marktrelevanten Mengen und einigermaßen kostengünstig hergestellt werden können, das steht praktisch außer Frage. Dennoch gibt es einige andere Probleme zu beheben. Dabei muss auch eine moralische Frage genannt werden: Zu welchem Teil ist Deutschland bereit, wieder in Abhängigkeit zu gehen? Denn dass wir die benötigten E-Fuels für den bundesweiten Straßenverkehr komplett selbst herstellen, ist utopisch. Das heißt, man wird weiter von anderen Ländern abhängig sein. Die Frage ist nur, wie stark. Hier gibt es noch ein wenig Spielraum, denn die Möglichkeiten für erneuerbare Energien in Deutschland sind noch nicht ausgeschöpft. Es wird Zeit, sie zu nutzen. Mehr zum Thema finden Sie unter #Kraftstoffe www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag Kommentar Es ist beeindruckend, welch große Schritte die Wissenschaft bei der Suche nach neuen Fortbewegungsmöglichkeiten gemacht hat. Mir ist beim Schreiben dieses Artikels eine Sache wieder klar geworden: Die umweltfreundliche Mobilität von morgen ist nicht Aufgabe der Wissenschaft. Sie ist Aufgabe der Gesellschaft. Es ist an uns, die neuen Möglichkeiten, die verfügbar sind, auch zu nutzen. Dass Unternehmen kalkulieren müssen, ist logisch. Aber wenn es irgendwann um die Frage geht „Kaufen wir etwas teurere E-Fuels oder CO2-Zertifikate?“, sollte die Antwort klar sein. Und doch darf niemand erwarten, dass E-Fuels der Allheilbringer auf dem Weg zu einer CO2-armen Fortbewegung sind. Bis Deutschland ausreichende Mengen zu einem wettbewerbsfähigen Preis zur Verfügung hat, ist der Prozess hin zum sauberen Elektromotor wahrscheinlich schon abgeschlossen. Kurioserweise kündigt sich also der Zustand an, dass wir irgendwann saubere Kraftstoffe, aber keine Verbrennermotoren mehr haben. Die neuartigen E-Fuels sollten meiner Meinung nach langfristig nur dort eingesetzt werden, wo eine Elektrifizierung nicht möglich ist. Beispiele wären der Flug- und Schiffsverkehr. Für den Straßenverkehr können E-Fuels höchstens eine Art Ergänzung sein, langfristig geht aber kaum ein Weg an Elektromotoren vorbei. So imposant das Tempo der Wissenschaft heutzutage (in vielen Dingen) auch ist – hier sind wir wohl zu spät dran. In Kürze E-Fuels sind eine spannende Geschichte: Sie werden zwar mithilfe von Strom hergestellt, treiben letztendlich aber einen Verbrennermotor an. Obendrein sind sie umweltfreundlich und haben noch einige weitere Vorteile. Problematisch sind eher die Frage nach der Beschaffung und noch ein anderer Faktor: Zeit. 640 Millionen Euro investiert das Bundesverkehrsministerium bis 2024 in die Entwicklung erneuerbarer Kraftstoffe.

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