Da spitzt der Windhund die Ohren

Es ist so etwas wie eine Wiedergutmachung für wütende Windhunde: Das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) bescheidet bereits abgelehnte Anträge auf staatliche Beihilfen für Aus- und Weiterbildungs- sowie De-Minimis-Maßnahmen derzeit neu. In diesen Fällen handelt es sich um Spediteure und Transporteure, die wegen fehlender Haushaltsmittel kein Geld für die Förderperiode 2012 erhalten und beim Verwaltungsgericht Köln gegen Ablehnungsbescheide des BAG geklagt hatten. Dessen Vergabepolitik nach dem Windhundverfahren (Wer zuerst kommt, mahlt zuerst), sei teilweise ungerecht, sagen sie (siehe Kasten). Aus Schreiben, die die Behörde seit Mitte Oktober verschickt, geht nun hervor, dass die für 2012 ausgestellten Ablehnungsbescheide aufgehoben werden. Wer damals beim Rennen um Zuschüsse vom BAG leer ausgegangen ist und sich fristgerecht gegen die Absage aus Köln gewehrt hat, darf also auf Nachzahlungen hoffen. BAG verstieß gegen Willkürverbot Thomas Weick, Fördermittelberater aus Ladenburg bei Mannheim, vertritt einen Teil der betroffenen Unternehmer vor dem Verwaltungsgericht Köln und weiß, warum die Beamten einigen seiner Kunden plötzlich entgegenkommen: "Grund dafür ist ein Erörterungstermin, der im September stattfand", erläutert er. Um die Bearbeitung der anhängigen Klagen zu vereinfachen, wählten die Richter drei Verfahren aus, die die Bandbreite des Rechtsstreits abdecken, und trafen sich mit den Beteiligten. "Nach dieser ersten Anhörung äußerten sie erhebliche Zweifel an der rechtmäßigen Ausgestaltung des Prioritätsprinzips in der Verwaltungspraxis des Bundesamtes für Güterverkehr", berichtet Weick. Demzufolge deuten die Ausführungen des BAG darauf hin, dass die Umsetzung des Windhundverfahrens teilweise gegen das Willkürverbot im Grundgesetz verstoße. Der Berater glaubt, dass das BAG aktuell in die Offensive geht, um ein rechtskräftiges Urteil zu vermeiden und somit Schadenbegrenzung zu betreiben. Auch der Bayreuther Anwalt Tom Petrick hatte im vergangenen Frühjahr im Namen mehrerer Unternehmer Klage beim Verwaltungsgericht Köln eingereicht. "Die Richter listeten der Behörde eine Reihe von Fehlern auf und legten ihr nahe, der Forderung der Kläger auf Aufhebung der Ablehungsbescheide nachzukommen und die Anträge neu zu bescheiden", sagt der Rechtsexperte der Kanzlei Fels. Sie hätten in diesem Zusammenhang dazu geraten, sich nicht mehr auf den bisherigen Einwand fehlender Haushaltsmittel zu berufen, weil die Zuwendungspraxis problematisch gewesen sei. Antragsauswahl war nicht sachgerecht Wie aus einem Schreiben des Verwaltungsgerichts Köln an die Prozessbeteiligten hervorgeht, missfiel den Richtern vor allem die Differenzierung zwischen sogenannten rangwahrenden und nicht rangwahrenden Antragsunterlagen, die das BAG mit Blick auf die Vollständigkeit eines Förderantrags vorgenommen hatte. "Als es darum ging, für 2012 eine Reihenfolge der Antragseingänge zu bilden, hatten die Beamten nicht nur vollständige Anträge berücksichtigt, sondern auch unvollständige Anträge, bei denen weniger wichtige Unterlagen nachzureichen gewesen waren", erzählt Weick. Unklar ist demnach, nach welchen Kriterien die Anträge den beiden Kategorien zugeordnet wurden. Das Gericht zweifelte weiterhin daran, dass eine solche Differenzierung überhaupt sachgerecht ist, wenn letztendlich doch sämtliche Unterlagen für eine positive Bescheidung der Anträge erforderlich sind. "Denn so besteht die Gefahr, dass Zuschüsse durch unvollständige Anträge gebunden werden und für andere vollständige Anträge nicht mehr zur Verfügung stehen", erklärt der Berater. Nicht nur die Berücksichtigung unvollständiger Anträge könnte willkürlich gewesen sein, sondern auch das komplizierte Verfahren für den Fall, dass Unterlagen nachzureichen waren. Je nachdem, welche Vollständigkeitskriterien ein Antrag erfüllte, behielt er den Rang seines ursprünglichen Eingangstages oder rutschte in der Bearbeitungsliste nach hinten. "Die Ausgestaltung des Nachreichungsverfahrens dürfte mit den Anforderungen eines gleichheitsgerechten Verteilungsprogramms kaum zu vereinbaren gewesen sein", sagt Weick. Verfahren hing mitunter vom Zufall ab Außerdem waren die Richter nicht davon überzeugt, dass das BAG die von ihr vorgenommene Differenzierung zwischen rangwahrenden und nicht rangwahrenden Unterlagen in der Antragsbearbeitung auch tatsächlich einheitlich umgesetzt habe. Die Beamten hätten hierzu ausgeführt, dass Antragsteller im Falle unvollständiger Unterlagen per Schreiben aufgefordert wurden, diese innerhalb von zwei Wochen zu vervollständigen, erklärt der Berater. "Zur Ermittlung des endgültigen Eingangsdatums des Antrags wurde die Zeitspanne zwischen dem Datum des Nachreichungsschreibens und dem Eingang der nachgeforderten Unterlagen zum ursprünglichen Eingangsdatum des unvollständigen Antrags addiert." Das Ergebnis sei damit von den Zufälligkeiten des Behördengangs und des weiteren Postverlaufs abhängig gewesen. "Ein zustellungsfreier Feiertag konnte etwa zu einem schlechteren Rang beim BAG führen." Gericht kritisiert Dokumentation Die Erörterung vor dem Verwaltungsgericht Köln habe also mehrere Mängel bei der Mittelvergabe offengelegt, resümiert der Berater. Die Richter hätten auch kritisiert, dass die Verwaltungspraxis nicht ausreichend dokumentiert gewesen und deshalb kaum nachvollziehbar sei. Weick zweifelt deshalb daran, dass die abgelehnten Förderanträge seiner Kunden tatsächlich nach der Reihenfolge ihres Eingangs bearbeitet und beschieden wurden. "Das ist schwer vorstellbar, wenn man bedenkt, dass am 1. Oktober 2011 Hunderte Anträge durch den Zaun der BAG-Zentrale gereicht wurden und zeitgleich unzählige E-Mails, Faxe und Briefe in den elf Außenstellen eingingen", sagt er. Passend dazu stellte sich vor Gericht heraus, dass es keine Liste für 2012 gab, in der die bei den elf Außenstellen auf unterschiedliche Art und Weise übermittelten Anträge zusammengeführt wurden. Erst später in der Zentrale der Behörde in Köln wurden die Anträge demzufolge nach den verschiedenen Programmen sortiert, eingescannt und nach ihrem Eingangsdatum zentral erfasst. Windhundverfahren bleibt bestehen An dem Prioritätsprinzip als Methode der Bewilligung der Zuschüsse für die Förderprogramme wird sich nichts ändern. Nach der Auffassung der Richter gebe daran im Grundsatz nichts zu meckern, erklärt das BAG auf Anfrage. "Auch ist es nicht zu beanstanden, die Reihenfolge des vollständigen Antragseingangs als maßgebliches Kriterium heranzuziehen", sagt ein Sprecher. Darauf hatte die Behörde bereits im vergangenen Frühjahr hingewiesen. An der Mittelvergabe in Form des Windhundverfahrens sei nichts auszusetzen, denn es sei mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar, hieß es im Schreiben an die Kläger. Mit anderen Worten: Alle Antragsteller hätten dieselben Chancen. Darüber hinaus gehe zwar aus den entsprechenden Förderrichtlinien hervor, dass man ab Antragseingang mit der beantragten Maßnahme beginnen könne, auch wenn die Entscheidung über die Förderung noch ausstehe. Darin stehe aber auch, dass vor Erhalt eines Zuwendungsbescheides niemand Anspruch darauf habe, den begehrten Zuschuss zu erhalten. Anträge würden nur im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel bewilligt, argumentierte die Behörde. Ob das Prioritätsprinzip in späteren Förderperioden rechtmäßig umgesetzt worden ist, darüber lässt sich nur spekulieren. Um dies herauszufinden, sagt Petrick, müsste man gegen Ablehnungsbescheide anderer Zeiträume klagen. Schließlich wisse niemand, wie das Verfahren nach 2012 gehandhabt worden sei, so der Jurist. "Und abgesehen davon hat das BAG die Regeln für die Vergabe der staatlichen Fördermittel seitdem mehrmals geändert." Zum einen, um die Gelder gerechter zu verteilen. Zum anderen, weil viele Altverpflichtungen und Luftbuchungen die Verwaltungspraxis der Behörde in der Vergangenheit erschwert hatten. Nachahmer haben schlechte Karten Wütende Windhunde, die jetzt ebenfalls ihre Chance auf eine nachträgliche Förderung wittern, sollten sich keine allzu großen Hoffnungen machen. "Wer sich nicht rechtzeitig gegen die Absage aus Köln gewehrt hat, hat es schwer, Ansprüche für 2012 anzumelden", meint Weick. Eine Chance, abgelehnte Fördermittel vom BAG doch noch zu bekommen, besteht laut Petrick überhaupt nur dann, wenn man Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid für 2012 eingelegt hat. Das ging innerhalb einer Frist von einem Monat. "Den Widerspruch musste man begründen, danach erging die Widerspruchsentscheidung der Behörde", so der Fachmann. Dagegen konnte man wiederum binnen eines Monats Klage erheben. Sei diese Frist abgelaufen, werde der erste Ablehnungsbescheid des BAG rechtskräftig, erläutert der Anwalt. Auch für die Spediteure und Transporteure, die fristgerecht Rechtsmittel eingelegt haben, ist der Ausgang der Neubescheidung noch ungewiss. Die vor dem Verwaltungsgericht Köln anhängigen Verfahren würden hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung des Prioritätsprinzips gegenwärtig erneut überprüft, so der BAG-Sprecher. "Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Kläger grundsätzlich auch einen Anspruch auf Auszahlung der Fördermittel haben." Maßgeblich ist nach wie vor, dass alle Anforderungen der Förderrichtlinien erfüllt sind. Diesbezügliche Verfahren würden wohl für erledigt erklärt, weil die Hauptsache damit gegenstandslos werde, meint Petrick. Mit Urteilen sei nicht zu rechnen. Zwar ließen sich auch die neuen Bescheide anfechten. "Ich hoffe aber, dass formal korrekte Anträge nun wohlwollend und schnell verbeschieden werden", erklärt er. Auch Weick ist zuversichtlich: "Selbst wenn nur einige Unternehmer davon profitieren, zeigt dies, dass es sich lohnen kann, sich gegen Ablehnungsbescheide des Bundesamtes zu wehren", betont der Berater. Hintergrund Förderperiode 2012: Hohe Ablehnquote löst Klagewelle aus Im Frühjahr vergangenen Jahres haben insgesamt 33 Spediteure und Transporteure gegen Ablehnungsbescheide, die sie vom Bundesamt für Güterverkehr (BAG) auf ihre Förderanträge für 2012 bekommen haben, Widerspruch eingelegt. Nachdem ihr Widerspruch als unbegründet abgewiesen wurde, reichten sie beim Verwaltungsgericht Köln Klagen ein.Allein zwölf Unternehmen vertritt Thomas Weick vor Gericht. Nach Auskunft des Fördermittelberaters aus Ladenburg haben diese bis zu einer halben Million Euro ausgegeben - in der Annahme, die Auszahlung des beantragten Zuschusses sei bloß eine Frage der Zeit. Die Kläger hofften, auf dem Rechtsweg rückwirkend Geld für Aus- und Weiterbildungs- sowie De-Minimis-Maßnahmen zugesprochen zu bekommen, die sie zwar durchgeführt, aber nicht gefördert bekommen haben.Weick kritisierte in den zwölf Klagen unter anderem die nachträgliche Verteilung nicht abgerufener Haushaltsmittel aus dem jeweiligen Vorjahr. Vor allem die Umsetzung des Windhundverfahrens ist ihm ein Dorn im Auge, weil es lediglich die Reihenfolge des Eingangsdatums der Anträge, nicht aber deren Eingangszeit berücksichtige. Letztere gewinne wegen der großen Nachfrage an Bedeutung, meint er. Im Namen seiner Kunden bezweifelte der Berater außerdem, dass zu dem Zeitpunkt, als deren Anträge abgelehnt wurden, bereits feststand, dass die Gelder für 2012 wirklich aufgebraucht gewesen sind, da die Verwendungsnachweise dieser Förderperiode und der Vorjahre noch nicht abgerechnet worden seien. ag

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