"Da ist viel Musik drin"

Im Einkauf von Frachten liegt noch viel Potenzial - zu diesem Ergebnis gelangte vergangene Woche das 9. BME-Forum des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) in Oberursel, auf dem Transport- und Logistikentscheider aus der verladenden Wirtschaft gemeinsam nach Kosteneinspar-Möglichkeiten im Einkauf von Transport- und Logistikleistungen suchten. Regelrechte Stammdaten-Schlacht Um diese Einsparmöglichkeiten heben zu können, fehlt aber offenbar vielen Auftraggebern die Daten-Transparenz. So schätzt Christian Schneider, Leiter Transportmanagement der IT- und Logistikberatung Städtler Logistik in Nürnberg, dass "50 Prozent der Versender nicht einmal wissen, was sie einkaufen und was sie für bestimmte Transporte bezahlen." Stattdessen herrsche in manchen Unternehmen eine "Stammdaten-Schlacht", formuliert es Schneider, der auf dem Forum das IT-Analysetool SCALA der Städtler Logistik vorstellte, das Auftraggeber dabei unterstützen soll, eben diese Intransparenz im Frachteinkauf erfolgreich zu bekämpfen, um auf diese Weise nachhaltig effizienter zu werden. Andererseits ist "diese Intransparenz von den Dienstleistern offenbar gewollt", formuliert es Volkmar Klein, Leiter Benchmarkservices beim Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME), der für den BME-Preisspiegel regelmäßig Preis- und Marktinformationen ermittelt, analysiert und aufbereitet - unter anderem aus den Bereichen Komplettladungen, Stückgut und Teilladungen, KEP-Dienste und Seefracht. Gewollte Intransparenz Mit seinem jüngsten BME-Preisspiegel "Top-Kennzahlen im Einkauf von Transportdienstleistungen" hat Klein in Zusammenarbeit mit Fachexperten 22 Kennzahlen definiert, die Verladern einen Vergleich der eigenen Leistung mit der branchenweit ermittelten Performance zulassen und so Verbesserungspotenziale aufzeigen sollen. Klein wörtlich: "Man kann sich nicht vorstellen, was am Markt los ist und wie unterschiedlich die Raten sind - selbst bei den gleichen Unternehmen", resümiert er. So würden allein im Stückgut- und Teilladungsmarkt die Preise um 20 bis 30 Prozent variieren. Jede Preisvereinbarung sei da anders, hat der Experte festgestellt. Auch im KEP-Markt ist die Bandbreite der Preise groß. So liegt der niedrigste Preis für ein Zehn-Kilo-Paket bei 2,50 bis 2,70 Euro, der Durchschnittspreis bei 3,50 bis 3,70 Euro und der höchste Preis bei 6,50 Euro, zitiert Klein aus dem BME-Preisspiegel. Kurz: Die Potenziale im Einkauf sind demnach aus Verladersicht noch nicht ausgereizt. Da sei noch viel Musik drin, um Kosten zu sparen, auch und gerade in der Seefracht - so die einhellige Aussage auf dem BME-Forum. Das zeigen auch die Ausführungen von Michael Laier, der bei Freudenberg Business Services den strategischen Seefracht-Einkauf managt. "Der Marktpreis in der Container-Seeschifffahrt ist am Boden und die Reedereien bauen weiter Kapazitäten auf, obwohl die Nachfrage nicht steigt", beschreibt er das Marktszenario. Angesichts dieses Wettbewerbs plädiert Laier indirekt dafür, dass Verlader mit entsprechendem Auftragsvolumen die Konditionen mit den Reedereien selbst aushandeln sollten - unter Umgehung der in diesem Segment tätigen Speditions- und Logistikdienstleister. Als unabdingbare Voraussetzungen für kostenoptimale Direktkontrakte nennt Laier insbesondere das richtige Timing des Tenders, ein attraktives Mengenvolumen aufseiten des Auftraggebers, die Tender-Ausgestaltung, vor allem ein fundiertes Marktwissen, für den Tender die richtigen Anbieter auszuwählen. Dienstleistern Hoffnung macht dagegen Andreas Tonke, Leiter Verkehrswesen BSH Hausgeräte in München: "Den Versendern ist die Liefertreue und Lieferqualität der Dienstleister oft wichtiger als der Preis - zumindest bei strategischen Partnerschaften", fasst er die Ergebnisse des Round Tables "Zusammenarbeit mit Dienstleistern - strategische Partnerschaft versus kurzfristige Verträge" zusammen, der am Rande des BME-Forums stattfand. Manche Verlader seien auch gar nicht in der Lage, kurzfristig ihre Dienstleister zu wechseln. Tonke wörtlich: "Strategische Partnerschaften mit Dienstleistern bergen da eine gewisse Komfortzone für Verlader." Sprich: Erst wenn Auftraggeber ihre eigenen Hausaufgaben gemacht haben, so das Resümee des Round Tables, empfehlen sich kurzfristige Ausschreibungen und Verträge mit Dienstleistern. Neue Liebe zum Insourcing Zufrieden zurücklehnen können sich Speditions- und Logistikdienstleister aber nicht. Denn das BME-Forum zeigt auch, dass manche große Auftraggeber ihre Logistik lieber selbst organisieren und managen, als diese an Dienstleister fremd zu vergeben, wie das Beispiel von Volkswagen Original Teile Logistik (OTLG) zeigt, das die Organisation seines Stückgutgeschäfts in die eigene Hand genommen hat. Unter der Ägide von Frank Müssig, OTLG-Leiter Zentrales Transportmanagement/Ressort Logistik, hat das Unternehmen sein eigenes Stückgutnetz aufgezogen, das seit Mai 2016 am Start ist - mit zweistelligen Kosteneinsparungen und deutlich mehr verfügbarem Laderaumvolumen (siehe Kasten). Interessant: OTLG will das Netz für Dritte öffnen und spricht dafür laut Müssig unter anderem auch mit anderen Automobilkonzernen wie BMW Group und Daimler. Fazit des 9. BME-Forums: Auf Dienstleister rollt eine neue Effizienzwelle zu. Zumal etliche Verlader ihre Liebe zum Insourcing neu entdecken. Anstatt auf die Bündelungsvorteile zu setzen, die ihnen Speditionen bieten, streben Auftraggeber mit Mengenvolumen offenbar verstärkt eigene Lösungen an - unter Umgehung der Dienstleister. Insbesondere in der See- und Luftfracht könnte es da zu verstärkten Abwanderungs-Bewegungen kommen. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier BME www.verkehrsrundschau.de/dossiers Volkswagen: Make or Buy? OTLG baut eigenes Stückgutnetz auf Die Volkswagen Original Teile Logistik (OTLG), Baunatal, ist Logistik- und Systempartner für Originalteile, Zubehör und Werkstatt für Vertragshändler und Servicebetriebe im VW-Konzern für Deutschland und Dänemark. Bislang setzte OTLG in der Distribution Speditionspartner ein. Seit Mai 2016 wickelt OTLG dieses Geschäft über ihr eigenes Stückgutnetz ab. Frank Müssig, OTLG-Leiter Zentrales Transportmanagement/Ressort Logistik, begründet den Systemwechsel unter anderem mit den bisherigen Qualitätsmängeln und Lieferverzögerungen vonseiten der bisherigen Partner. Für das eigene Stückgutnetz vernetzt die OTLG alle ihre OTLG- und Zenda-Niederlassungen zu einem Netz inklusive zweier Hubs in Würzburg und Unna und erfasst nun alle Aufträge zentral. Die Transporte werden allerdings nach wie vor von den bisherigen Partnern abgewickelt. Erstes Fazit des eigenen Stückgutnetzes sind laut Müssig jährlich rund 380.00 Euro Kosteneinsparung sowie rund 70.000 Kubikmeter mehr zur Verfügung stehender Transportraum im Jahr. Das Netz sei auch für Dritte offen, betont der OTLG-Mann. eh