Zurückhaltender Applaus der Logistik

Es lebe der Planet", jubelte der französische Staatspräsident François Hollande, als er am 13. Dezember letzten Jahres den Durchbruch verkünden durfte: 196 Staaten hatten sich auf dem Pariser Gipfel darauf verpflichtet, die Erderwärmung auf 2 Grad, besser noch auf 1,5 Grad, zu beschränken. Dieses Ziel ist doppelt so ambitioniert wie der bisherige Klimaschutzplan der Weltgemeinschaft. Erreicht werden soll es durch ein massives Eindämmen des CO2-Ausstoßes. Genaue Regelungen stehen zwar nicht in dem Vertragswerk, auch nicht für Transport und Logistik, dennoch meinen einige Branchenkenner schon die Wirkungen von Paris spüren zu können. "Das hat dem Thema Nachhaltigkeit eine neue Dynamik gegeben", sagt Gunnar Gburek, Logistik-Experte beim Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME). "Es gibt kein Unternehmen von Bedeutung, das in dem Bereich nichts macht." CO2-Steuer nicht ausgeschlossen Das zunehmende Interesse der Verlader spürt Gburek vor allem an dem Zulauf für seinen Arbeitskreis "Nachhaltigkeit und CO2". Er wurde vom BME im Mai 2015 ins Leben gerufen und soll unter anderem den Austausch mit der Politik fördern. "Derzeit werden aufseiten der Behörden noch Ideen gesammelt", so Gbureks Eindruck. Er ist sich jedoch sicher, dass es innerhalb der nächsten fünf Jahre Regelungen zum Klimaschutz in der Logistik geben wird - zunächst vielleicht nur eine Selbstverpflichtung, später auch gesetzlich. Langfristig sei auch eine CO2-Steuer oder ein Zertifikatssystem nicht auszuschließen, so Gburek. Dann müsste ein Verlader für jeden Transport das Recht erwerben, die entsprechende Menge CO2 auszustoßen. "Das wäre sicher eine harte Maßnahme für den Logistikweltmeister Deutschland." Vor allem große Verlader trifft Paris nicht unvorbereitet. Hier arbeitet man schon länger daran, den CO2-Flußabdruck des Geschäfts zu verkleinern. Die Rewe Group etwa hat sich schon vor drei Jahren dazu verpflichtet, ihre Treibhausgas-Emissionen bis 2022 (gegenüber dem Jahr 2006) zu halbieren. "Daran hat sich auch durch das Klimaabkommen nichts verändert", stellt Birgit Heitzer, Leiterin Logistik Konzern der Rewe Group, klar. In welcher Form und in welchem Umfang sich Paris auswirke, müsse sich noch zeigen, so Heitzer. Ähnlich äußert sich DHL. "Die Nachfrage nach grünen Transportangeboten ist in den letzten Jahren immer stärker angestiegen", sagt Katharina Tomoff, Vice President Shared Value beim Bonner Konzern. Man erwarte, dass das Signal aus Paris die Kunden weiter animieren wird, Umweltschutz mit ihrem Geschäft zu verbinden. DHL bietet den Verladern schon heute Leistungen wie klimaneutrale Transporte sowie die Erstellung einer CO2-Bilanz in der Logistik an. Logistiker reagieren zurückhaltend Soweit die offiziellen Positionen. In der Realität allerdings reagieren manche Verlader derzeit noch recht träge auf die vermeintliche Revolution von Paris. Weder der Versandhändler Otto noch der Fensterbauer Schüco etwa wollte oder konnte sich gegenüber der "VerkehrsRundschau" zum Stand beim Thema Grüne Logistik äußern - trotz eines Vorlaufs von drei Tagen. Interessanterweise sind beide Unternehmen Mitglied in der Stiftung 2 Grad, die den Klimaschutz in der deutschen Wirtschaft vorantreiben will. Insider berichten, dass sich das Interesse für umweltschonende Logistik aufseiten der Industrie insgesamt in Grenzen hält. "Das ist kein brennendes Thema, vor allem nicht im Mittelstand", sagt Christian Labrot, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL), Bonn, in dem 1200 Firmen organisiert sind. Von "Desinteresse" seitens der Verlader will Labrot zwar nicht sprechen, dennoch sei das Thema von der Praxis einfach noch zu weit entfernt. "Bis solche Abkommen national umgesetzt werden, vergeht in der Regel viel Zeit." Auffällig ist, dass die Verlader den Klimawandel wohl am liebsten vor der eigenen Haustür bekämpfen, zum Beispiel im Lager. Rewe etwa spricht in seinem Klimaplan vor allem davon, die Energieeffizienz in den Märkten verbessern und klimafreundlichere Kältemittel einsetzen zu wollen. Um die Transporte geht es dagegen nur selten - abgesehen von den Tests mit Elektro-Lkw, die sich fast jeder Konzern leistet. "Man geht davon aus, dass die Dienstleister das im Griff haben", so fasst ein Industrievertreter die verbreitete Einstellung zusammen. Seitens der Dienstleister selbst hört man jedoch skeptische Einschätzungen: "Grüne Logistik klingt gut, spielt aber bei unseren Verhandlungen mit Verladern keine Rolle", fasst der Geschäftsführer einer Spedition (200 Mitarbeiter, 180 Lkw) aus Süddeutschland zusammen. Seine Auftraggeber kommen aus dem Maschinenbau, dem Handel, der Automobilindustrie. Sporadisch würden Kunden zwar fragen, was man in Sachen CO2-Reduzierung tue, doch dahinter stünden wohl eher Marketing-Erwägungen, vermutet der Praktiker. "Dann berichten wir freilich über unsere Flottenumstellung auf Euro 6, Öko-Reifen, Fahrertrainings, Leerkilometerreduzierung, Solaranlagen und so weiter." Das Ergebnis sei aber immer das Gleiche: "Im Kampf um europäische Landverkehre zählt nur der Preis." Der Leiter der Spedition will weiter in Öko-Technik investieren - aber nur, weil dadurch der Treibstoffverbrauch sinkt und sich so ein Wettbewerbsvorteil ergibt. Nur 20 Prozent messen CO2-Ausstoß Fazit: Bislang geben nur 40 Prozent der Logistikmanager in den Unternehmen an, dass Grüne Logistik für sie eine Bedeutung hat. Nur 32 Prozent sind bereit, für umweltschonende Logistik mehr zu zahlen. Vier von fünf Unternehmen messen ihren CO2-Ausstoß nicht - mangels Nachfrage durch die Kunden. Das ergab eine Umfrage des KEP-Dienstleisters Hermes Ende 2014. Ob der Vertrag von Paris hier ein Umdenken bringt, wird die Zukunft zeigen. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Grüne Logistik www.verkehrsrundschau.de/dossiers Das Abkommen von Paris: Wie die Länder die Ziele erreichen wollen Klimaneutraler Verkehr Die Erderwärmung soll bei 2 Grad Celsius, wenn möglich sogar bei 1,5 Grad, gestoppt werden, so lautet das Ziel des Abkommens, das am 13. Dezember 2015 in Paris unterschrieben wurde. 196 Länder, darunter Deutschland, haben der Verpflichtung zugestimmt. Sie gilt als kleine Revolution, denn bei den derzeit gültigen Klimaschutzmaßnahmen würde die Erwärmung in den kommenden Jahrzehnten wohl drei Grad erreichen.Ihr ambitioniertes Ziel wollen die Länder dadurch erreichen, dass sie weniger Treibhausgase wie CO2 produzieren; der Anstieg der Emissionen soll laut Vertrag "so schnell wie möglich" gestoppt werden. Eine Frist setzt der Vertrag dafür nicht, Sanktionen werden keine angedroht. Dafür überprüfen ab 2023 unabhängige Experten regelmäßig, ob ein Land seine Vorgaben erfüllt hat - oder die Ziele eventuell noch verschärft werden können. Weniger finanzstarke Länder können ab 2020 Geld aus einem Topf von 100 Milliarden US-Dollar bekommen, um ihre Klimaziele umzusetzen.Konkrete Vorgaben für die Transport- und Logistikbranche macht das Abkommen von Paris keine (obwohl in einem früheren Vertragsentwurf welche enthalten waren). Dennoch werden die Auswirkungen erheblich sein. Bislang läuft es nämlich noch nicht rund beim Klimaschutz: Die Bundesrepublik ist von ihrem Ziel, bis 2020 ihre gesamten Emissionen um 40 Prozent zu senken (im Vergleich zu 1990), noch ein gutes Stück entfernt; man hat erst 27 Prozentpunkte erreicht. Paris wird den Druck erhöhen, hier Resultate zu erzielen. Das wird auch die Logistikbranche zu spüren bekommen. Im Interview mit der "VerkehrsRundschau" sagte Martin Schmied, Leiter des Bereiches Verkehr im Umweltbundesamt, dazu:"Der Verkehr muss auf jeden Fall nahezu treibhausneutral werden." cg

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