Manston. In Südostengland haben die britischen Behörden mit Corona-Tests für die Tausenden wartenden Lastwagenfahrer begonnen. Derzeit würden mehr als 5000 Fahrzeuge in der Grafschaft Kent auf die Ausreise nach Frankreich warten, teilte das britische Verkehrsministerium in London am Mittwoch mit. Der Spediteursverband RHA geht von bis zu 10.000 Fahrzeugen aus. Seit Tagen haben die Fahrer ausgeharrt. In der Nacht zum Mittwoch öffnete Frankreich nach zwei Tagen wieder die Grenze für Lkw aus Großbritannien – für die Einreise ist ein negativer Corona-Test vorgeschrieben.
Stand Mittwochmorgen hätten etwa 3800 Lkw auf dem stillgelegten Flughafen Manston geparkt, hieß es vom Verkehrsministerium. Dort soll das größte Testzentrum entstehen. Die Gesundheitsbehörde NHS und das Militär tragen die Verantwortung. Auch in Dover wurde direkt am Hafen ein Testzentrum eingerichtet. Mehr als 1240 weitere Fahrzeuge wurden demnach auf den Autobahnen Richtung Ärmelkanal abgestellt. Neuankömmlinge müssten auch auf den Fahrbahnen parken, da der Platz in Manston nun für die Tests benötigt werde. Das Verkehrsministerium rief Lkw-Fahrer auf, weiterhin nicht nach Kent zu kommen.
Nach der Grenzschließung Frankreichs zum Schutz vor der neuen Corona-Mutation stecken nach Verbandsangaben aktuell auch mehrere hundert Lkw-Fahrer aus Deutschland im Stau in Großbritannien fest. Der Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV) sagte der „Deutschen Presse-Agentur“ am Mittwoch, er gehe von 300 bis 400 Betroffenen aus. Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) sprach von mehreren hundert deutschen Fahrern. Nach Einschätzung von Regierung und Verbänden wird es Tage dauern, den Rückstau wegen der tagelangen Schließung der französischen Grenze aufzulösen.
BGL pocht auf Aussetzung von Lkw-Fahrverbot
Seit der angekündigten Wiedereröffnung der Grenze hat sich die Lage laut BGL leicht verbessert. „Wir haben eine Zielsetzung, und das ist, dass unsere Fahrer nach Hause kommen und Weihnachten bei ihren Familien verbringen können“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung, Dirk Engelhardt, der „Welt“. Er sei sich aber sehr sicher, dass es nicht alle Fahrer rechtzeitig zum Fest schaffen würden.
Der Verband pocht darauf, dass unter anderem das Feiertagsfahrverbot gekippt wird, damit die Menschen schnellstmöglich nach Hause kommen können. Engelhardt forderte zudem freien Warenverkehr zwischen den europäischen Staaten auch nach dem Brexit: „Die Fahrer müssen frei die Grenzen passieren können.“ Immerhin: Um den Rückstau schneller aufzulösen, lockerte der britische Verkehrsminister Shapps erneut die Ruhezeiten: Lkw-Fahrer dürfen nun elf statt neun Stunden am Steuer sitzen.
Deutscher Botschafter berichtet: Kein Durchkommen
Der deutsche Botschafter Andreas Michaelis twitterte, es sei kein Durchkommen nach Manston gewesen. Er habe nur mit einigen deutschen Brummi-Fahrern telefonieren können. „Weiterhin sehr schwierige Situation für sie“, schrieb Michaelis. Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat persönlich in London und Paris interveniert, um eine Rückkehr Tausender polnischer Lastwagenfahrer aus Großbritannien zu ermöglichen.
RHA-Chef Richard Burnett warnte: „Hunderte Fahrer laufen Gefahr, nicht rechtzeitig zu Weihnachten zu Hause zu sein.“ Burnett betonte, dass auch der Einsatz von Schnelltests für erhebliche Verzögerungen in der Lieferkette sorgen würde. Zudem warnte er vor Gesundheitsrisiken. Viele Fahrer hätten noch immer keinen Zugang zu Sanitäranlagen. (dpa/ag)