Brüssel. Kurz vor Ablauf der Brexit-Übergangsphase kritisieren Europaabgeordnete scharf, dass immer noch kein Handelsabkommen der Europäischen Union mit Großbritannien steht. „Der Irrsinn geht weiter“, sagte der SPD-Brexit-Experte Bernd Lange der „Deutschen Presse-Agentur“ in Brüssel. „Es ist nicht akzeptabel, dass Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen wenige Tage vor dem 1. Januar nicht wissen, wie es weitergeht, und das in einer Lage, die sich wegen der Corona-Pandemie verschärft.“ Die Chancen auf Einigung schätzte er vorsichtig optimistisch ein.
Linken-Fraktionschef Martin Schirdewan sagte der „dpa“, eigentlich hätte ein Abkommen schon vor einiger Zeit fertig sein müssen, um noch eine demokratische Prüfung zu erlauben. „Von daher bleiben nur noch schlechte Optionen. Der schlechteste der schlechten Optionen wäre der No Deal. Damit würden negative soziale Folgen und Jobs riskiert. Das muss vermieden werden.“ Die beste Möglichkeit wäre, die Brexit-Übergangsfrist zu verlängern, sagte der Linken-Politiker.
Es drohen Zölle und Staus an den Grenzen
Diese Übergangsfrist läuft am 31. Dezember aus. Dann scheidet Großbritannien automatisch aus dem Binnenmarkt und der Zollunion aus. Ohne Anschlussvertrag drohen Zölle und Handelshemmnisse sowie verschärfte Warenkontrollen an den Grenzen. Schon jetzt stauen sich auf britischer Seite Tausende Lastwagen auf dem Weg auf den Kontinent, weil Frankreich wegen des mutierten Coronavirus zeitweise die Grenze abgeriegelt hatte – aus Sicht von Kritikern ein Vorgeschmack auf die Lage bei einem No-Deal-Brexit.
Lange und Schirdewan gehören zur Brexit-Expertengruppe im Europaparlament, die am Dienstagabend vom EU-Unterhändler Michel Barnier informiert wurde. Dazu sagte der SPD-Experte Lange: „Ich gehe davon aus, dass beide Seiten einen Deal bekommen werden. Im Moment stehen die Chancen so.“ Noch immer gebe es aber heftigen Streit über Fischereirechte und einige andere Punkte. „Das Paket ist noch nicht rund.“
Sollte es in den nächsten Tagen etwas werden, „müssen wir mit Notmaßnahmen Verwerfungen vermeiden“. Dann sollten die unbedingt nötigen Klauseln vorläufig angewendet und das Paket Anfang nächsten Jahres Ruhe geprüft und ratifiziert werden, sagte Lange. Schirdewan sagte, da auch die vorläufige Anwendung Vorlauf brauche, sähen EU-Juristen als letzte Frist für eine Einigung Heiligabend, mittags. (dpa/ag)