Seattle. Der boomende Handel im Internet und florierende Cloud-Dienste bescheren Amazon in der Corona-Krise starke Geschäftszuwächse. Im ersten Quartal stieg der Umsatz verglichen mit dem Vorjahreswert um 26 Prozent auf 75,5 Milliarden Dollar (68,9 Milliarden Euro), wie der weltgrößte Online-Händler am Donnerstag letzte Woche (Ortszeit) nach US-Börsenschluss mitteilte. Allerdings verursacht die Pandemie auch hohe Ausgaben - etwa aufgrund einer Einstellungsoffensive angesichts des großen Kundenansturms auf Amazons Lieferdienste.
„Wenn Sie Amazon-Aktien besitzen, sollten Sie sich jetzt lieber hinsetzen, denn wir denken nicht klein“, warnte Konzernchef Jeff Bezos angesichts des bevorstehenden Kostenanstiegs, der im aktuellen Quartal den gesamten Betriebsgewinn verschlingen könnte. Amazon profitiere zwar in vielen Bereichen von der Krise, doch es seien zugleich „die härtesten Zeiten, mit denen wir jemals konfrontiert waren“. Amazon will viel Geld ausgeben, um seine Mitarbeiter besser zu schützen und eigene Covid-19-Tests zu entwickeln.
Vier Milliarden Dollar Sonderkosten wegen Corona-Krise
Der Gewinn fiel im vergangenen Quartal bereits um rund 30 Prozent auf 2,5 Milliarden Dollar, doch die größten Belastungen stehen noch bevor. Für das laufende Vierteljahr warnte Amazon vor Sonderkosten von rund 4 Milliarden Dollar wegen der Corona-Pandemie. Neben der Arbeitssicherheit soll auch massiv in die Lieferlogistik investiert werden. Für das Betriebsergebnis gab Amazon eine Prognose in einer Spanne von minus bis plus 1,5 Milliarden Dollar ab und stellte einen Anstieg der Erlöse zwischen 18 und 28 Prozent in Aussicht. Amazon betonte, dass verlässliche Vorhersagen derzeit schwer seien.
Anleger reagierten verschreckt, die Aktie fiel am Freitag zeitweise um rund sieben Prozent. Dennoch zählt Amazon in der Krise bislang unbestritten zu den großen Gewinnern. In den vergangenen drei Monaten ist der Aktienkurs um mehr als 30 Prozent gestiegen und hat neue Rekordhochs erreicht. Davon profitiert als Großaktionär auch Chef und Gründer Jeff Bezos stark. Sein Vermögen ist dem Bloomberg Billionaires Index zufolge seit Jahresbeginn um rund 29 Milliarden auf 143 Milliarden Dollar gestiegen, sodass er seinen Status als reichster Mensch der Welt in der Krise noch deutlich ausbaute.
Hohe Investitionen und deutlicher Mitarbeiter-Zuwachs
Ausgangsbeschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie haben die Nachfrage nach Amazons Lieferdiensten in vielen US-Regionen zuletzt regelrecht explodieren lassen. Das Unternehmen tat sich mit dem großen Andrang jedoch schwer und war zeitweise überfordert. Nach wie vor müssen viele Kunden länger als gewöhnlich warten oder können bei den begehrten Lebensmittelbringdiensten gar keine Bestellungen aufgeben. Diese Probleme will Bezos mit hohen Investitionen beheben.
Während US-Unternehmen im Rekordtempo Jobs abbauen, stellt Amazon dafür etwa in großem Stil Mitarbeiter ein. Im März wurde angekündigt, 100.000 Beschäftigte anzuheuern, um die gestiegene Nachfrage zu bewältigen. Im April folgte die Einstellung weiterer 75.000. Doch Amazon steht wegen seiner Arbeitsbedingungen auch stark in der Kritik - gerade in der Corona-Krise. Der Konzern wird beschuldigt, nicht genug für den Schutz seiner Beschäftigten zu tun und ist immer wieder mit Protesten konfrontiert. Amazon weist die Vorwürfe zurück, könnte aber noch Ärger bekommen. So schalteten sich beispielsweise wegen der umstrittenen Kündigung eines Streik-Organisators in New York der dortige Bürgermeister Bill de Blasio und die mächtige Generalstaatsanwältin Letitia James ein.
Jeff Bezos trotz Erfolgskurs unter Druck
Amazon-Chef Bezos gerät unterdessen wegen einer Recherche des „Wall Street Journal“ unter Druck, laut der Amazon-Mitarbeiter Daten anderer Verkäufer auf der Plattform ausspionierten und für die Entwicklung eigener Produkte nutzten. Der Justizausschuss des Repräsentantenhauses forderte Bezos in einem am Freitag veröffentlichten Brief zur Aussage bei einer Kongressanhörung auf. US-Politiker verdächtigen Amazon-Vertreter, bei früheren Anhörungen falsche Angaben zu dem Sachverhalt gemacht zu haben. (dpa/sn)