„Die deutsche Wirtschaftsleistung dürfte im dritten Quartal 2023 etwas schrumpfen“, schreibt die Bundesbank in ihrem am Montag, 18. September, veröffentlichten Monatsbericht. Deutschland sei jedoch nicht der „kranker Mann Europas“.
Noch zeige sich die deutsche Wirtschaft „insgesamt gut aufgestellt“, schreibt die Bundesbank in ihrem Monatsbericht. Dank Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland halte sich die Auswirkungen der Alterung der deutschen Gesellschaft auf den Arbeitsmarkt bislang in Grenzen.
Den Schock starkgestiegener Energiepreise infolge des russischen Krieges gegen die Ukraine habe die Industrie „dank guter Ertrags- und Finanzierungsverhältnisse und temporärer staatlicher Hilfen insgesamt recht gut“ abgefedert. Das Fazit der Bundesbank-Ökonomen: „Die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft ist trotz der verschiedenen Belastungen im Mittel noch eher günstig.“ Zudem sei der Arbeitsmarkt „trotz des aktuell gedämpften wirtschaftlichen Umfelds bis zuletzt stabil“ geblieben.
Politik muss für geeignete Rahmenbedingungen sorgen
Gleichzeitig lässt die Bundesbank keinen Zweifel daran, dass viel passieren muss, um den Standort Deutschland attraktiv zu halten: Es gebe „definitiv Handlungsdruck“. Die Liste der Aufgaben ist lang: Bezahlbare Energie und Umbau der Wirtschaft angesichts des Klimawandels, Digitalisierung und schnellere Genehmigungsverfahren etwa bei der Integration ausländischer Fachkräfte oder der Umsetzung von Investitionen. Und: Abhängigkeiten verringern – zum Beispiel bei der Lieferung wichtiger Rohstoffe oder der Produktion in China.
„Der Staat kann zur Attraktivität des Standorts Deutschland beitragen, indem er für geeignete Rahmenbedingungen sorgt“, schreibt die Bundesbank. „Die Politik unternimmt gegenwärtig einige Schritte in diese Richtung. Diese müssen allerdings auch umgesetzt und fortgeführt werden.“
Mit ihrem Zehn-Punkte-Plan von Meseberg habe die Bundesregierung nach Ansicht der Bundesbank einen Schritt in die richtige Richtung gemacht, die Beschlüsse seien aber „für die Bewältigung der Herausforderungen noch nicht ausreichend“.
Ein Problem der Exportnation Deutschland: Neue Beziehungen zu Rohstofflieferanten und Handelspartnern knüpfen sich nicht über Nacht. Fast die Hälfte der Industrieunternehmen hierzulande ist nach Bundesbank-Angaben auf kritische Vorprodukte aus China angewiesen. 80 Prozent davon hielten einen Ersatz aus anderen Ländern für schwierig.
Auch seine Energieversorgung muss Deutschland grundsätzlich neu aufstellen – ein langwieriger Kraftakt. Immerhin: Hinweise für eine breit angelegte Deindustrialisierung hierzulande wegen des Anstiegs der Energiekosten sieht die Bundesbank bislang nicht.
Viele Konjunkturprognosen gehen inzwischen davon aus, dass das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Gesamtjahr 2023 im Minus landen wird. Wie es aussieht, brauchen Unternehmer und Verbraucher einen langen Atem. Das Bundeswirtschaftsministerium prognostizierte Mitte September: „Frühestens zum Jahreswechsel 2023/24 ist mit einer spürbaren konjunkturellen Belebung zu rechnen.“