Brüssels Wunsch ein Traum

Als Verkehrspolitiker über den Tellerrand von Europa hinaussehen - so definierte Gerhard Schulz, Leiter der Abteilung Grundsatzangelegenheiten im Bundesverkehrsministerium (BMVI) seine Arbeit im Eingangsstatement des Dialogforums des Bundesverbandes Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL). Mit Kopfschütteln würde er beobachten, was in Straßburg vorgeht. "Wie ist es passiert, dass wir bei CETA zwei belgische Regionen so schwer mit ins Boot bekommen?" Die gute Nachricht für die anwesenden Logistiker hatte Schulz dennoch im Gepäck: "Es wird keine unterschiedlichen Mautsätze geben", so das Bekenntnis des BMVI. Und Schulz beruhigte weiter: "Wir gehen nicht davon aus, dass wir Euro 7 bekommen", entgegnete er Mutmaßungen, nach denen Euro-6-Lkw im Zuge einer blauen Plakette schon bald wieder zum alten Eisen gehören würden. Der Abteilungsleiter äußerte sich im Sinne von Verkehrsminister Alexander Dobrindt, der einer vierten Plakette nach Rot, Orange und Grün eine Absage erteilt. "Feinstaub und NOx sind ein lokales Problem und damit auch nicht über die Fläche zu lösen", so Schulz. Er machte aber klar, dass Brüssel neben einer Lösung für das genannte Problem eine künftige CO2-Bemautung favorisiert. "Das ist allerdings aktuell nicht möglich. Ebenso werden wir den Verkehr bis 2030 nicht dekarbonisiert haben - das ist unrealistisch. Das wird die nächsten Wochen und Monate ein harter Kampf mit Brüssel werden. Aber es wird uns gelingen", zeigte sich Schulz in Hamburg kämpferisch. Generell sieht er vor 2020 keinen Ansatz, dass es eine an die Kohlendioxidemissionen geknüpfte Maut geben wird. Mautkompensation obligat Auf das Thema Mautharmonisierung angesprochen, musste Schulz zugeben, dass es ein "nach wie vor schwieriges Thema" sei. "Das werden wir wohl über die Förderung obligatorischer Maßnahmen erledigen müssen." Die Ausführungen zum Thema Straßenbau hatte man alle schon einmal gehört: 70 Prozent der Investitionen gehen in den Erhalt. Mit den verbleibenden 269 Milliarden Euro könne man bis 2030 alle wichtigen Projekte realisieren. Die nächsten 12 bis 13 Jahre sei genug Geld vorhanden, um alles zu finanzieren, was wichtig sei . Ein Statement von Schulz ließ zumindest Jörg Salomon von DHL aufhorchen. Der Vice President StreetScooter war als Referent nach Hamburg gekommen und freute sich besonders über die Aussage: "Das BMVI geht jetzt das Thema Ladeinfrastruktur an". Denn das sei, so Salomon, einer der wunden Punkte der E-Mobilität. Ansonsten sei man bei DHL mit dem StreetScooter auf dem richtigen Weg. "Wichtige Erfolgsfaktoren sind das Ladevolumen eines 2,8-Tonners in einem wesentlich leichteren Fahrzeug, die kurzen Strecken, in denen die E-Verteiler zum Einsatz kommen, die Steuerung des Ladevorgangs durch das Fahrzeug (statt durch die Ladesäule) sowie eine Beschränkung auf 85 km/h. "Wir haben für uns einen guten Weg gefunden und zur IAA kam unser neues, größeres Modell auf den Markt", erläuterte Salomon. E-Mobilität nicht für die Fernstrecke Hubertus Goldkuhle, bei Daimler für die Verbändebetreuung zuständig, nahm sich des Themas Antriebsalternativen an - beruhigte aber im Hinblick auf das viel zitierte autonome Fahren erst einmal das Fahrpersonal: "Fahrer, die heute anfangen, werden bis zu ihrer Rente fahren können." Platooning sei, so Goldkuhle, eine sinnvolle Lösung. "Wegen der Bremsverzögerung von 0,1 Sekunden von Fahrzeug zu Fahrzeug kann es aber nicht unendlich lang sein." Dem Thema E-Mobilität in Lkw und Transporter widme Daimler viel Aufmerksamkeit. "Die Zellen kann man aber besser zukaufen. Dafür bleiben Steuerung, Kühlung und Energiemanagement Kernkompetenz der OEMs." Goldkuhle beschrieb den Verteiler-Lkw bis 26 Tonnen als sinnvolle Lösung: "Unser in Hannover vorgestellter Urban E-Truck wiegt gewichtsbereinigt nur 700 Kilo mehr als ein konventioneller Lkw. Aber im Fernverkehr ist E-Antrieb aktuell unmöglich. Der Lkw dafür müsste 35 Tonnen schwere Batterien schleppen." Der Frage, womit Lkw 2040 fahren, widmete sich Adolf Jörg von Shell. Auch wenn es ein wenig so ist, als würde man Phillip Morris über die Zukunft des Rauchens referieren lassen, muss man die Ergebnisse der Shell-Studie zum Straßenverkehr ernst nehmen: Bis 2040 wird sich der Güterverkehr um rund 50 Prozent mehren. Frühere Prognosen von 80 Prozent wurden inzwischen relativiert. Dennoch müssten alternative Kraftstoffe enorme Potenziale aufweisen, um die angepeilten CO2-Reduktionen zu realisieren. Dekarbonisierung ist unmöglich "Bei unserem Alternativszenario gehen wir trotz Steigerung davon aus, dass wir bis 2040 den Energiebedarf beim Transport um 13 Prozent reduzieren", so Adolf. Aber auch der Shell-Experte ist sicher, dass der Straßengüterverkehr das angepeilte CO2-Minderungslevel nicht erreichen kann. Auch BWVL-Präsident Jochen Quick äußerte eine gewisse Besorgnis, dass Themen wie das drohende Verbot von Verbrennungsmotoren ab 2030 sowie die Diskussion um den Diesel generell für die Schlüsselbranche Logistik nicht zielführend sei und es aktuell auch - noch - gar keine Alternativen gäbe. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier BWVL www.verkehrsrundschau.de/dossiers Erstmals diskutieren die Verbände die neuen ADSP "Das ist wirklich eine bemerkenswerte Leistung" Es war eine Sensation, die die Verladerverbände und die Vertreter der Speditions- und Transportwirtschaft am 17. Oktober verkündeten: Man hat sich gemeinsam auf neue ADSp 2017 geeinigt (siehe VR 42, Seite 12). Damit war nicht zu rechnen, nachdem beide Seiten vor einem Jahr eigene Geschäftsbedingungen veröffentlicht hatten und im Unfrieden auseinandergegangen waren.Doch bereits zu Jahresbeginn 2016 wurden erste Gespräche zu neuen ADSp aufgenommen. Als Verhandlungsführer wurden ins Rennen geschickt: Detlef Neufang vom Bundesverband Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL) und Hubert Valder vom Deutschen Speditions- und Logistikverband (DSLV). Zwei Juristen, die sich seit Jahrzehnten kennen (und schätzen). Und zwei Experten, die auch genau um die Probleme der jeweils anderen Seite wissen. Das war sicher ein wichtiger, womöglich sogar der entscheidende Schlüssel zum Erfolg. BWVL-Präsident Jochen Quick sprach dann auf der Jahrestagung des BWVL auch"von einer wirklich bemerkenswerten Leistung". Eben dort fand dann auch ein Workshop statt, in dem erstmals seit Bekanntwerden der neuen ADSp 2017 deren geistige Väter Neufang und Valder zusammen mit Guido Belger vom Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) und Axel Salzmann von der Versicherung Kravag-Sach über das neue Vertragswerk diskutierten.Nach Aussage von Neufang haftet der Spediteur nach den neuen ADSp 2017"wesentlich schärfer als nach den ADSp 2003."Hervorzuheben ist insbesondere die durchgehende Haftung mit 8,33 Sonderziehungsrechten und die deutlich angehobenen Haftungsgrenzen im Lagerbereich", sagte Neufang. Valder wies darauf hin, dass die Verlader jetzt detailliertere Auftragsdaten übermitteln müssen und, umgekehrt, der Spediteur diese auch prüfen und häufiger rückfragen muss. Außerdem seien die Verantwortlichkeiten an der Rampe geregelt worden, "was uns Spediteuren sehr wichtig war".Belger machte darauf aufmerksam, dass als Auftragnehmer der Spediteur definiert wird. "Darunter wird aber auch der Frachtführer verstanden", sagte Belger. Eine Klarstellung, die dem BGL wichtig gewesen sei. Salzmann kündigte an, dass die neuen ADSp der Spedition Geld kosten werde. Er geht davon aus, dass die Prämien 2017/2018 angehoben werden. Betroffen seien vor allem Speditionen, die mit Umschlag zu tun hätten, da dort am häufigsten Schäden zu beobachten seien.Alle Teilnehmer sahen es als einen Erfolg an, dass ein branchenweites Vertragswerk jetzt vorliegt."Gewinner sind alle. Sieger gibt es nicht", fasste Salzmann zusammen. cd

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