„BMW schreibt neu aus“

Interview „BMW schreibt neu aus“ Beim Automobil- und Motorradhersteller BMW Group werden in diesem Jahr die Karten in der Logistik neu gemischt. Welche Anforderungen das Unter-nehmen an seine Transport- und Speditionspartner hat, sagt im Interview Logistikchef Karl May. Die BMW Group hat soeben ihr Einkaufsnetz neu gestaltet. Welchen Einfluss hatten diese Veränderungen auf die Logistik? Karl May: Früher war die Logistik im Produktionsressort angesiedelt. Dadurch hatte die Logistik eine sehr enge Schnittstelle zu den Fahrzeugwerken, allerdings weniger zum Einkauf. Heute sind Logistik und Einkauf in einem Ressort verankert. Die Logistik ist damit in Einkaufsentscheidungen viel enger eingebunden als früher. Wir können damit also die Logistikbelange viel stärker in die Einkaufsprozesse einbringen. Was hat sich dadurch konkret für Ihre externen Logistik- und Speditionspartner verändert? Vor allem eines: In unseren Verhandlungen herrscht verstärkt nun das Vier-Augen-Prinzip. Sprich: Bei unseren Gesprächen mit den externen Dienstleistern sitzen sowohl ein Mitarbeiter aus dem Einkauf als auch einer aus der Logistik am Tisch. Bei kaufmännischen Endverhandlungen ist der Einkäufer also immer dabei. Das hat viele Vorteile, beispielsweise in puncto Compliance. Außerdem kann ein Einkäufer die Einkaufsprozesse viel effizienter gestalten. Aufgabe der Logistikmitarbeiter ist es dagegen, nach wie vor die Leistungsanforderungen an unsere Logistikdienstleister zu definieSren. Klingt gut, für Ihre Logistikpartner dürfte der Preisdruck dadurch aber zunehmen! Natürlich haben wir ein starkes Interesse an möglichst geringen Kosten. Und was fordern Sie darüber hinaus von Ihren Speditionsdienstleistern? Der Preis ist ein Entscheidungskriterium. An erster Stelle steht aber: Unsere Dienstleister müssen zuverlässig sein. Sie müssen die Leistung, die sie verkaufen, auch erbringen. Jeden Tag aufs Neue. „Just too late“ reicht nicht. Zudem müssen sie flexibel sein, weil wir aus diversen Gründen Schwankungen in unseren Produktionsprogrammen haben, die auf Lieferantenseite zu nennenswerten Sprüngen führen können – Stichwort Mengenschwankungen. Trotzdem müssen die bestellten Teile zuverlässig und termingerecht an unsere Werke geliefert werden. Es kann nicht sein, dass ein Spediteur zwei Tage lang nicht weiß, wo sein LKW ist, und wir deshalb im schlimmsten Fall ein Werk abschalten müssen. Als gäbe es kein GPS! Spätestens wenn ein Fahrer sich einen halben Tag lang nicht bei der Spedition gemeldet hat, sollte die Disposition nachhaken – egal wo dieser LKW europaweit gerade unterwegs ist – und uns darüber informieren! Das klingt so, als wären Sie mit der Qualität Ihrer Dienstleister unzufrieden! Angesichts der immensen Mengen, die jeden Tag an unsere Werke geliefert werden, sind das zum Glück Einzelfälle. Dritter Punkt ist für uns die Wettbewerbsfähigkeit eines Spediteurs in puncto Kosten. Schließlich wollen wir uns über die Logistikkette keine Nachteile gegenüber unseren Wettbewerbern einhandeln. Logistik wird vom Autokunden nicht bezahlt. Das ist leider so. Messen Sie gezielt die Qualität Ihrer Speditionspartner mittels bestimmter Kennzahlen? Natürlich! Das tun wir ganz offen. Wir wollen die beste Qualität zum besten Preis! Und in welchem Bereich sehen Sie bei Ihren Speditions- und Transportpartnern den größten Nachbesserungsbedarf? Wie gesagt: beim Thema Zuverlässigkeit. Das fängt schon bei der Personalauswahl der einzelnen Dienstleister an. Wir alle wissen beispielsweise, dass es in Westeuropa einen massiven Fahrermangel gibt. Jeder Dienstleister muss sich deshalb mit dem Thema intensiv auseinandersetzen, wie er sich qualifizierten Fahrernachwuchs sichert. Was ist für Sie die wichtigste logistische Herausforderung, auf die sich BWM einstellt und die für Ihre Transport- und Logistikpartner relevant wird? 2006 haben wir unser Gebietsspeditions-Netz durch ein FTL-Netz und das Stückgutnetz der DHL abgelöst. In diesem Jahr stehen wir vor einer Neu-Ausschreibung und werden dafür dieses System weiterentwickeln. Ziel ist es, dass wir einen breiteren Wettbewerb bekommen. Das ist uns zu vage. Inwiefern wollen Sie das jetzige Logistikkonzept „weiterentwickeln“? Wir werden versuchen, einen höheren Anteil unserer Frachten in Full-Truck-Loads zu bekommen. Dafür werden wir das eine oder andere Milk-Run-Konzept einsetzen und zum Beispiel in Bayern Cross-Dock-Konzepte stärker nutzen. Planerisch stehen wir aber noch ganz am Anfang. Wichtigstes Ziel ist, dass wir zuverlässiger, flexibler und kostengünstiger werden. Kosteneffekte versprechen wir uns vor allem dadurch, dass wir Sendungen stärker zu Full-Truck-Loads bündeln. Wollen Sie dafür auf mehr Dienstleister als in der Vergangenheit setzen oder die Anzahl reduzieren? Mit einer leichten Ausweitung habe ich kein Problem. Nur so viel steht fest: Wir wollen nicht zur früheren Kleinteiligkeit zurück. Als ich seinerzeit meinen Bereich übernahm, arbeitete BMW mit rund 400 Dienstleistern zusammen. Dorthin wollen wir nicht zurück. Das bekommt man intern nicht gemanagt. Haben da Mittelständler überhaupt noch eine Chance mit BMW zusammenzuarbeiten oder setzen Sie nur noch auf Große? Natürlich haben Mittelständler eine Chance bei uns! Wir arbeiten ja auch mit typischen Mittelständlern. Das Stückgutnetz können aber nur größere Anbieter fahren, weil die ein halbwegs zuverlässiges Netz haben. Das bieten aber auch mittelständische Kooperationen! Über deren Zuverlässigkeit reden wir lieber nicht. Bei uns hängen Fabriken an der Logistik. Da brauchen wir zuverlässige Netze! Es kann sich bei uns keiner leisten, wenn ein Werk mit 20.000 Mitarbeitern nur eine Stunde lang steht. Und bei größeren Anbietern haben wir den Vorteil, dass der BMW-Anteil daran lediglich im einstelligen Prozentbereich liegt. Die Schwankungen, die wir haben, spielen also für das Netz insgesamt keine Rolle. So eine Sicherheit brauchen wir. Für unser Milk-Run-Konzept und unser Premium-Netz sind uns Mittelständler aber selbstverständlich immer willkommen. Und was müssen diese dafür tun, um mit Ihnen ins Geschäft zu kommen? Es gibt dazu eine offizielle Ausschreibung von uns in diesem Jahr. Darüber hinaus müssen sich diese Unternehmen nur an die ihnen bekannten Ansprechpartner in unseren Werken wenden! Die beste Empfehlung für künftiges Geschäft ist aber immer exzellente Leistung in der bestehenden Geschäftsbeziehung – also höchste Zuverlässigkeit und Flexibilität zu wettbewerbsfähigen Kosten! ❙❚■ Eva Hassa Leitet die Logistik der BMW Group: Karl May Anspruchsvoller Auftraggeber: die BMW Group in München Daten + Fakten Karl A. May wurde 1957 in Bad Nauheim geboren und studierte BWL. 1986 schloss er seine Promotion ab. 1987 startete er seine Karriere bei BMW – zunächst im Controlling, später in der Logistikplanung und Transportlogistik. Seit 2010 ist er Leiter Logistik, Gestaltung und Betrieb Versorgungsnetzwerk. Der Automobil- und Motorradhersteller BMW Group mit Hauptsitz in München betreibt 25 Produktions- und Montagestätten in 14 Ländern. Im Geschäftsjahr 2010 erwirtschafteten die 95.500 Mitarbeiter des Unternehmens weltweit einen Umsatz von 60,5 Milliarden Euro. eh