BMVBS-Untersuchung Lagerrampen

BMVBS-Untersuchung Lagerrampen Schluss mit der ewigen Warterei Exklusiv: Die ersten Ergebnisse der BMVBS-Untersuchung zur Vermeidung von Wartezeiten an Lagerrampen. Ministeriums-Berater präsentieren eine Reihe von Lösungsvorschlägen. Verlader und Spediteure sind uneins über die Ergebnisse. Berlin, 13. Juni im Bundesverkehrsministerium (BMVBS). Ist das der Tag, der das Ende der oftmals endlosen Wartezeiten an Deutschlands Lagerrampen einleitet? Wohl kaum. Zu unterschiedlich die Interessen der anwesenden Vertreter aus Verladerschaft und Speditionsbranche. Aber die an diesem Tag von den Beratern des Ministeriums präsentierten Analysen und Vorschläge führen zu einer intensiven Diskussion über den richtigen Weg. Die VerkehrsRundschau zeigt exklusiv, über welche Maßnahmen in den Hinterzimmern des Ministeriums nachgedacht wird. Im Rahmen des Aktionsplans Güterverkehr und Logistik hatte sich die Bundesregierung des vor allem von den Logistikverbänden beklagten Problems der zu langen Warte- und Standzeiten für die LKW-Fahrer an den Wareneingangstoren deutscher Läger angenommen. Der Bundesverkehrsminister beauftragte die HWH Gesellschaft für Transport- und Unternehmensberatung, „Lösungen zur Vermeidung von Wartezeiten an den Rampen“ zu erarbeiten. Mitte Juni präsentierten die Berater um Professor Paul Wittenbrink in einem Zwischenbericht ihre Vorschläge. Besteht überhaupt ein größeres Wartezeitenproblem an deutschen Rampen? Schon bei dieser Frage gehen die Meinungen auseinander: Kim Cheng vom Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) betont, dass ein generelles Problem an der Schnittstelle Laderampe in der Handelsbranche überhaupt nicht existiere. „Unstreitig gibt es Unternehmen, die einen Optimierungsbedarf in Bezug auf die Prozesse an der Laderampe haben, es kann jedoch hierdurch nicht auf die Zustände in der gesamten Branche geschlossen werden“, betont die Abteilungsleiterin Verkehr und Logistik. Eine Position, bei der in Berlin so mancher Vertreter des Transportgewerbes verständnislos die Nase rümpfte. Denn für die Spediteure ist klar: An den Verhältnissen an den Rampen muss etwas geschehen. „Da besteht Handlungsbedarf, da können alle Beteiligten nur von profitieren“, betont zum Beispiel Hubert Valder vom Deutschen Speditions- und Logistikverband (DSLV). Wie groß das Problem nun aber tatsächlich ist, konnte auch Wissenschaftler Wittenbrink in Berlin nicht wirklich klären. Der Professor von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Lörrach präsentierte Ergebnisse von bereits veröffentlichten Studien, die darauf hindeuten, dass bei Zentrallägern des Lebensmitteleinzelhandels und der Konsumgüterwirtschaft gehäuft Probleme mit längeren Wartezeiten auftreten. Wittenbrink betonte in seinem Zwischenbericht aber auch: „In jeder Branche existieren sowohl Lager mit sehr guten Rahmenbedingungen als auch solche mit kritischen Zuständen.“ Klärung zu diesem Punkt soll eine Befragung bringen, die von den Wissenschaftlern in den kommenden Wochen durchgeführt wird. Lösungsansätze umstritten Umstritten sind die von Wittenbrink präsentierten Handlungsansätze: „Die vorgestellten Lösungsvorschläge können an der einen oder anderen Stelle sicherlich zu Verbesserungen führen. Ein großer Durchbruch ist beim Thema Warte- und Standzeiten an den Wareneingangsrampen dadurch aber nicht zu erwarten“, kommentiert Gunnar Gburek vom Bundesverband Materialfluss, Einkauf und Logistik (BME). Und auch der Bundesverband Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL) zeigt sich von den vorgelegten Zwischenergebnissen enttäuscht: „Wir hatten auf deutlich differenziertere Ergebnisse gehofft, die die Gesamtproblematik und die wirklichen Problembereiche und Schwachstellen aufdecken“, sagt Hauptgeschäftsführer Christian Labrot. Zufrieden mit dem Zwischenbericht der HWH-Unternehmensberatung sind hingegen die Transport- und Speditionsverbände: „Der Bericht gibt aus unserer Sicht die Situation realistisch wieder. Wir finden dort viele Themen, die der BGL seit einiger Zeit anmahnt“, sagt Adolf Zobel vom Bundesverbandes Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL). Es gebe keinen Lösungsvorschlag des HWH-Zwischenberichts, der nicht sinnvoll oder aber zumindest diskussionswürdig sei, so der stellvertretende Geschäftsführer. Auch DSLV-Chefjurist Valder begrüßt die Vielzahl der präsentierten Maßnahmen, die zu einer Verbesserung der Situation an den Rampen beitragen sollen. Allerdings seien aus Sicht des DSLV die Maßnahmen auch kritisch zu hinterfragen. Das gelte zum Beispiel für die Zeitfenstersysteme, die anfangs als Problemlöser gesehen wurden. Seine Begründung: „Je mehr davon Gebrauch gemacht wird, desto mehr Probleme haben die Speditionen, weil sie nicht nur Personal abstellen müssen für die Einbuchung, sondern sie auch in ihrer Dispositionsfreiheit beim Fahrzeugeinsatz immer mehr beeinträchtigt werden.“ Ein Problem, das auch Vertreter der Konsumgüterbranche der VerkehrsRundschau bestätigen: Durch die Einführung des Vorbuchens von Endladeterminen durch den Spediteur beim Empfänger kommt es immer häufiger zu Problemen bei der Tourenplanung. Denn mittlerweile haben immer mehr Handelsunternehmen Zeitfenstersysteme eingeführt. Wissenschaftler Wittenbrink spricht in seiner Studie von 140 von insgesamt 250 großen Zentrallägern, an deren Rampen solche Systeme zum Einsatz kommen. Durch den forcierten Einsatz bekommen die Spediteure mehr und mehr Probleme: Optimierten die Transporteure ihre Fahrten bisher vor allem auf Basis der Entfernungen und Laderaumauslastungen, müssen jetzt immer häufiger die knappen Zeitfenster an den ausgebuchten Laderampen des Handels berücksichtigt werden. Handelsunternehmen lösen dadurch zwar ihren Stau im Lagerhof auf, zu einer Effizienzverbesserung der gesamten Transportkette führt diese Lösung aber nicht. Eine Erkenntnis, bei der zumindest weitgehend Einigkeit unter allen Beteiligten bestand. Vertreter aus der Konsumgüterindustrie plädieren deshalb dafür, bestimmte Verkehre wieder vom Zeitfenstersystem zu befreien. Dazu gehören zum Beispiel planbare, regelmäßige Anlieferungen im Stückgutverkehr. „Starre Zeitfenster können zu Produktivitätsverlusten im LKW-Umlauf führen. Daher sollte über die Einführung von flexiblen Systemen nachgedacht werden“, schreibt auch Ministeriums-Berater Wittenbrink in seinem Zwischenbericht. Diskutiert wurde in Berlin auch über die Möglichkeit, die Öffnungszeiten der Handelszentralläger zu erweitern. Statt bisher nur von 6 bis 13 Uhr, sollten die Unternehmen die Öffnungszeiten bis 18 Uhr erweitern, wie es teilweise auch schon üblich ist. Insbesondere in Feiertagswochen, wo es zu den stärksten Problemen kommt, sei dies eine gute Möglichkeit, Engpässe zu entzerren. Auch eine Öffnung der Läger an Samstagen wurde vonseiten der Konsumgüterhersteller angeregt. Vorschläge, die auf unterschiedliches Echo stießen. Zwar könnten längere Öffnungszeiten für eine Entspannung sorgen, jedoch machten diese nur dann Sinn, wenn die Mehrheit der Warenempfänger diesen Schritt vollzögen. Ansonsten könnten die Spediteure keine sinnvollen, gut ausgelasteten Touren planen, wenn nur vereinzelt Empfänger am Samstag geöffnet hätten. Musterklauseln und HGB-Änderung Auf großen Widerstand bei den Verladern stießen die von Professor Wittenbrink in Berlin vorgestellten neuen Musterklauseln, die in die Lieferverträge zwischen Warenabsender und -empfänger als auch in die Beförderungsverträge zwischen Versender und Logistikunternehmen einfließen sollen (siehe Tabelle). So schlägt der von HWH beauftragte Rechtsanwalt Frank Wilting zum Beispiel vor, vertraglich eine finanzielle Kompensation zu fixieren, wenn die vereinbarten Be- und Entladezeiten nicht eingehalten werden. „Im Liefervertrag sollte der Absender mit dem Warenempfänger vereinbaren, dass dieser den LKW zu entladen hat, und dies innerhalb einer bestimmten Entladezeit mit Personal des Empfängers geschehen muss. Der Hinweis auf ein mit dem Beförderer vereinbartes Standgeld sowie die Vereinbarung, dass der Empfänger dem Absender das an den Frachtführer gezahlte Standgeld auf erste Anforderung zu erstatten hat, bieten sich an“, so Rechtsanwalt Wilting im Zwischenbericht. Und auch eine Änderung des Handelsgesetzbuches (HGB) schlägt der HWH-Rechtsexperte vor: „Erwägenswert wäre eine gesetzliche Klarstellung, dass der abliefernde Unterfrachtführer einen eigenen Standgeldanspruch gegen den die Herausgabe des Gutes verlangenden Empfänger hat“, heißt es im HWH-Zwischenbericht. Dazu soll der § 421 Absatz 3 im HGB ergänzt werden um den Satz: „Ein Standgeld wegen Überschreitung der Entladezeit kann schuldbefreiend auch an den die Ablieferung vornehmenden ausführenden Frachtführer gezahlt werden.“ Die vorgeschlagenen Musterklauseln seien aus rechtlicher Sicht geeignet, den notwendigen „Druck“ auf den Empfänger zur schnelleren Abfertigung an der Entladerampe auszuüben, urteilt die HWH im Zwischenbericht. Wichtig sei dabei aber ein Gleichklang der Einführung der Klauseln in Beförderungs- und Liefervertrag. Die Umsetzung in der Praxis hänge aber von der Verhandlungsstärke der jeweiligen Parteien ab, so die Berater des Ministeriums. Vorschläge, die bei den meisten Verladervertretern auf Ablehnung stoßen: „Ich glaube nicht, dass wir mit den vorgestellten Musterklauseln weiterkommen. Dadurch wird das Problem nicht wirklich behoben. Insbesondere eine gesetzliche Festschreibung würde die individuellen, teils regionalen und auch sehr branchenbezogenen Probleme an den Rampen nicht lösen. Sinnvoll wäre aber schon, wenn sich alle beteiligten Verbände auf eine gemeinsame Empfehlung einigen und für eine breite Umsetzung bei allen Beteiligten werben würden“, so BME-Logistiksprecher Gburek. Viel Ablehnung … BWVL-Hauptgeschäftsführer Labrot moniert außerdem: „Die rechtlichen Empfehlungen beziehen sich nur auf die Vertragsgestaltung zwischen Logistikdienstleister und Auftraggeber im Hinblick auf den gewerblichen Güterverkehr.“ Lieferungen per Werkverkehr werden überhaupt nicht berücksichtigt, obwohl diese einen Großteil der Verkehre ausmachten. Skeptisch beurteilt auch DSLV-Jurist Valder die Einführung von Musterklauseln: „Das ist ja nichts Neues“, sagt Valder. Der Versuch, die Probleme an der Rampe auf Basis von vertraglichen Bestimmungen zu konkretisieren, sei ehrenvoll. „Aber entscheidend ist doch, wie die Klauseln gelebt werden. Ein Stück Papier ist geduldig“, so die Erfahrung Valders. Der Weg von der Unternehmensleitung bis hin zur Umsetzung an der Rampe, der sei lang. Man könne zwar im Vertrag entsprechende Verhaltenspflichten auch mit Sanktionen vereinbaren, „aber das in der Praxis umzusetzen, das ist das Problem“. … aber auch eine Menge Zuspruch So sei es derzeit für kleinere Speditionen und Transportunternehmen eher die Ausnahme, dass diese beispielsweise auf Standgelder bestehen, obwohl sie ein Anrecht darauf haben. Man wolle die Geschäftsbeziehungen zum Auftraggeber nicht belasten. Deshalb gäbe es nur Einzelfälle, wo derartige Ansprüche vor Gericht durchgesetzt würden, erläutert der DSLV-Experte. Valder unterstützt aber den Vorschlag, Musterklauseln in die Verträge auf der Lieferebene wie auch auf der Transportebene aufzunehmen, damit auch der Empfänger der Ware eingebunden wird. Doch ist das realistisch? Seine über 25 Jahre Berufserfahrung sagten da eher nein. „Aber wenn da eine neue Dynamik hereinkommt, wenn alle Beteiligten beispielsweise angesichts des Fahrermangels sagen, okay, wir müssen sehen, dass die LKW fahren, wir können es uns gar nicht mehr leisten, dass die an der Rampe stehen, vielleicht wird der Druck so groß, dass man dann auch mit solchen Vertragsklauseln erfolgreich arbeiten kann“, so die Hoffnung von Valder. Eindeutig für die Umsetzung der Musterklauseln und HGB-Änderungen ist hingegen BGL-Mann Zobel: „Uns wäre es am liebsten, wenn die jetzt vorliegenden Vorschläge in Vorgaben durch den Gesetzgeber einfließen könnten. Durch entsprechende Änderungen im Handelsgesetzbuch könnte der bis dato nahezu rechtsfreie Raum an der Rampe endlich geregelt werden.“ Einseitige Verbandsempfehlungen könnten demgegenüber nur ein erster Schritt sein, sagt Zobel, „weil wir damit nicht alle Marktbeteiligten erreichen“. Und solange dies so bleibe, „wird auch an der Rampe der bestimmen, der die größere Marktmacht hat,“ so Zobel. ❙❚■ Eva Hassa, Michael Cordes und Andre Kranke Gesetzliche Regelungen sollen die Wartezeiten an den Rampen reduzieren, so einer der Lösungsvorschläge Rampenoptimierung VR 17: Nadelöhr Rampe: Das stresst die Beteiligten VR 21: Rechte und Pflichten an der Rampe VR 28: Zwischenergebnisse der BMVBS-Untersuchung zur Rampe VR 36: Was die Rampentipps des BGL gebracht haben BMVBS-Untersuchung Lagerrampen BMVBS-Untersuchung Lagerrampen Vorgeschlagene Musterklauseln Regelungsgegenstand Speditions- undFrachtvertrag Liefervertrag Mit konkreten Musterklauseln soll die Position des Transportunternehmers gestärkt und so die Wartezeiten an den Rampen reduziert werden. Die detaillierten Musterklauseln finden Premium-Abonnenten zum Download unter www.verkehrsrundschau.de/dokumente. ak Entladung Sicherstellung durch Absender, (Nicht-) Mitwirkung Spediteur Entladepflicht, Vorrichtung, Personal, Zeitfenster, Dauer, (Nicht-)Mitwirkung Spediteur Entladezeit Vergütungsfreiheit/-pflicht, Beginn, Nachweisführung Hinweis auf Vereinbarung mit Spediteur, Quittierung Ablieferungshindernis Wartezeit, Hindernis, Nachweisführung, Weisungen Hinweis auf Vereinbarung mit Spediteur, Quittierung, Freistellung Standgeld Höhe Hinweis auf Vereinbarung mit Spediteur, Freistellung Abtretung Standgeld-anspruch Regelungen für Haupt- und Unterfrachtvertrag Abtretungsanzeige Quelle: Zwischenbericht „Schnittstelle Rampe“ der HWH Gesellschaft für Transport- und Unternehmensberatung, Juni 2012 BMVBS-Untersuchung Lagerrampen

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