Binnenschifffahrt

Binnenschifffahrt Der Kampf mit dem Niedrigwasser Die wochenlange Trockenheit hat zu extremem Niedrigwasser in Deutschlands Flüssen geführt. Besonders betroffen: der Rhein. Den Beteiligten in der Binnenschifffahrt ist es aber offenbar gelungen, die prekäre Situation gut zu überbrücken. Die deutsche Binnenschifffahrt atmet auf. „Unsere Gebete sind erhört worden“, lacht Georg Fank, Geschäftsführer des Contargo-Terminals in Ludwigshafen. Das Unternehmen ist darauf spezialisiert, Container von den großen Seehäfen über den Rhein ins Hinterland zu transportieren. Anfang des Monats hatte Fank mit der schlimmsten Niedrigwassersituation seit 2003 zu kämpfen. Der Pegel des Rheins war lediglich zehn Zentimeter vom Allzeittief entfernt. Contargo konnte Schiffe teilweise nur noch zu weniger als 20 Prozent beladen und musste Transporte auf die Schiene verlagern. Mittlerweile haben Regenfälle wieder für freie Fahrt auf Rhein und Donau gesorgt. Die Lage war angespannt, aber nicht krisenhaft – so lautet das einhellige Resümee der Branche. „Es gab keine Produktionsausfälle oder liegen gebliebene Ladung“, betont Jörg Rusche, Geschäftsführer beim Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt (BDB), Duisburg. Der Marktkenner räumt aber ein, dass die Folgen des Kleinwassers auch hätten drastischer ausfallen können. „Die Nachfrage aus der Chemie- und Stahlindustrie war ohnehin rückläufig, das hat Kapazitäten freigesetzt.“ Verteilung auf mehrere Schiffe Die wichtigste Gegenmaßnahme der Binnenschifffahrt bestand darin, die Ladungen auf mehrere Schiffe zu verteilen, um den Tiefgang zu verringern. „Eine Zeit lang galt die Regel ‚zwei für eins‘“, bestätigt Frank Grodzki, Sprecher des Chemieunternehmens Lanxess, Leverkusen. Will sagen: Auf Strecken, wo bislang nur ein Schiff verkehrte, wurden zwei eingesetzt. Die Reederei Dettmer musste die Zahl der Schiffe sogar vervierfachen – weil nur noch ein Drittel der normalen Beladung möglich war: „Wir haben alles auf dem Rhein zusammengezogen“, berichtet Herbert Klotz, Niederlassungsleiter in Duisburg. Dettmer versorgt unter anderem das Großkraftwerk Mannheim mit Kohle. Zuschlag bis zu 100 Prozent Zusätzliche Kapazitäten bedeuten allerdings auch höhere Kosten. Einen Teil davon gibt die Binnenschifffahrt traditionell über den sogenannten Kleinwasserzuschlag (KWZ) an die Kunden weiter. Bei Contargo zum Beispiel müssen pro Container 25 bis 35 Euro Aufpreis gezahlt werden, sobald in Kaub der Pegel unter 1,50 Meter fällt. Die Zuschläge steigen mit fallenden Pegeln an, da sich auch die Zusatzkosten überproportional entwickeln. „Bei einem Pegelstand von unter 50 Zentimetern ist die fünf- bis sechsfache Anzahl an Schiffen notwendig, um die gleiche Ladung zu transportieren. Die Kleinwasserzuschläge liegen dann etwa bei 100 Prozent zur regulären Rate“, erklärt Fank. Einige Reeder bauen in ihre Verträge spezielle Klauseln für extremes Kleinwasser ein, so zum Beispiel Dettmer. Hier wird ab einem Pegel von 47 Zentimetern in Kaub mit den Kunden ein neuer Transportpreis verhandelt. Damit logistische Ketten nicht brechen, wurden außerdem Ladungen auf Bahn oder LKW umgeleitet. Contargo etwa hat eine Vielzahl seiner Hinterlandterminals über Direkt- oder Shuttlezüge mit den Häfen an der Nordsee verbunden. Auch die Verlader setzten auf diese Taktik: „Aufgrund des Gleisanschlusses konnten wir unseren Rohstoff Mais auch per Bahn anliefern lassen“, berichtet Reinhold Kulbe, Supply Chain Manager beim Nahrungsmittelzutaten-Hersteller Cargill, Krefeld. „Zu Engpässen in der Rohstoffverfügbarkeit ist es aufgrund ausreichender Lagerkapazitäten und verstärkter Anlieferung per Schiene nicht gekommen.“ Der Chemiekonzern BASF, mit vielen Standorten am Rhein vertreten, setzte ebenfalls auf die Alternative Bahn. „Der finanzielle Mehraufwand hält sich im überschaubaren Rahmen“, lautet das Fazit aus der Zentrale in Ludwigshafen. Bahn nur bedingt eine Alternative Vollständig ersetzen können solche Landbrücken den Schiffsverkehr allerdings nicht. Dafür fehlt es auf dem Schienengüterverkehrsmarkt einfach an Waggons, Lokomotiven, Personal und Trassen. Thyssen-Krupp etwa transportiert jedes Jahr Millionen Tonnen Eisenerz und Kokskohle von Rotterdam nach Duisburg – zu große Volumina, um sie vollständig aufs Land umleiten zu können. Deshalb verfügt der Stahlkonzern über umfangreiche Lager, aus denen die Produktion bis zu vier Wochen lang versorgt werden kann – im Ernstfall. Wie schnell der eintreten kann, hatte die Binnenschifffahrt erst im August erfahren, als das Tankmotorschiff Waldhof bei St. Goar havarierte. Damals musste der Rhein zeitweise komplett gesperrt werden, über 400 Schiffe standen im Wasserstau. „Rund 30 Prozent konnten wir über die Bahn auffangen“, erinnert sich Contargo-Mann Fank. Klimawandel keine Ursache Das Niedrigwasser hat übrigens sogar Wissenschaftler überrascht: „Das Jahr war außergewöhnlich“, bestätigt Enno Nilson von der Bundesanstalt für Gewässerkunde, Koblenz. Zum einen habe es bereits im Frühjahr extrem niedrige Wasserstände gegeben, zum anderen sei das zweite Niedrigwasser von November bis Anfang Dezember zu einem unüblichen Zeitpunkt eingetreten. Vorboten für einen Klimawandel sieht Forscher Nilson darin allerdings nicht: „Rein statistisch ist keine Häufung von niedrigen Rheinpegeln nachweisbar.“ Extreme Niedrigwasser habe es immer wieder gegeben. Aktuelle Simulationen zeigten zumindest bis 2050 keine deutliche Änderung der Dauer und Intensität von Niedrigwassersituationen am Rhein. ❙❚■ Constantin Gillies, freier Journalist Steinwüste statt Wasser: Wo normalerweise Binnenschiffe den Rhein durchqueren, erkundeten Spaziergänger das Flussbett Binnenschifffahrt Tief, tiefer, Stillstand Bis zu welchem Pegel dürfen Binnenschiffe überhaupt noch auf dem Rhein fahren? Das hängt von vielen Faktoren ab – Strecke, Schiffsgröße, Ladung. Beispiel: Ein unbeladenes 135 Meter langes Containerschiff braucht mindestens 1,30 Meter Wassertiefe – plus eine Handbreit (20 Zentimeter) Wasser unterm Kiel. Als Risikogrenze für Koppelverbände gelten rund 1,10 Meter. Diese Grenze wurde beim aktuellen Kleinwasser fast unterschritten. Es gibt für die Abladung der Schiffe jedoch keine absoluten Werte. Letztendlich liegt die Entscheidung, ob und mit welcher Fracht der Anker gelichtet wird, in der Hand des Schiffsführers. Was das Kleinwasser so unberechenbar macht, ist, dass bei sinkendem Pegel auch die Fließgeschwindigkeit abnimmt; Sand und Geröll können sich so leichter ablagern und Hindernisse unterhalb der Wasserlinie bilden. Erst im Mai etwa war ein belgischer Frachter direkt vor einer Kölner Rheinbrücke auf eine Kiesbank aufgelaufen. cg Die Pegel-Uhr in Köln zeigt Niedrigwasser an Wann BinnenSchiffe nicht mehr Fahren Dürfen

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