Mainz. Jetzt wird's ernst: Wer den bisher staatlichen Hunsrück-Flughafen Hahn kaufen will, muss in den nächsten vier Wochen Ross und Reiter nennen, um Chancen für den Zuschlag zu haben. So weit waren die rheinland-pfälzische Landesregierung und die Beratungsgesellschaft KPMG schon einmal vor einigen Monaten. Doch der Verkauf an die chinesische Firma Shanghai Yiqian Trading (SYT) platzte wegen eines mutmaßlich gefälschten Bankbelegs. Danach öffneten Regierung und KPMG das Bieterverfahren neu. Nun ist die Situation brisanter: aus politischen und finanziellen Gründen.
Wie geht es mit dem Flughafen-Verkauf weiter?
Wie in der ersten Runde gibt es auch beim Neustart ein dreistufiges Verfahren. Nach den Interessenbekundungen in der ersten Frist bis zum vergangenen Dienstag können überzeugende Kandidaten bis zum 1. September eine detaillierte Bewerbung einreichen. Die KPMG nimmt sie dafür unter die Lupe und entscheidet, wer im Internet Einblick in einen Datenraum mit vertraulichen Geschäftszahlen bekommt. In der dritten Phase folgen nach Angaben des rheinland-pfälzischen Innenministeriums die Verhandlungen mit ausgewählten Interessenten. In der Ausschreibung der EU ist von möglicherweise mehreren Bieterrunden die Rede. Der Verkaufsprozess solle diskriminierungsfrei und transparent ablaufen. Wie viele Monate sich diese letzte Phase in Verantwortung der Landesregierung hinziehen wird, ist offen.
Muss der Flugbetrieb auf jeden Fall weitergeführt werden?
Nein. Die EU-Kommission hat nach Angaben des Innenministeriums nur das höchste Kaufangebot als Kriterium für die Auswahl des Investors zugrunde gelegt. Die Behörde betont, dass Bewertung und Auswahl der Bieter auf Grundlage der vereinbarten Kriterien in der Verantwortung der deutschen Behörden liegen. Der Käufer kann allerdings nur bei Fortführung des Flugbetriebs staatliche Subventionen von bis zu rund 70 Millionen Euro bis 2024 unter bestimmten Bedingungen bekommen. Theoretisch möglich wäre beim Verzicht darauf auch die Umwandlung des Airports in ein Gewerbegebiet oder ein Fabrikverkaufszentrum. Allerdings müssten die betroffenen Kommunen zustimmen.
Droht am verschuldeten Flughafen eine Insolvenz?
Darüber wird spekuliert. Hahn-Aufsichtsratschef Salvatore Barbaro schätzt nach eigenen Worten, dass die Liquidität nur noch bis Ende September reicht. Doch der Mainzer SPD-Wissenschaftsstaatssekretär wiegelt ab. Auch wenn Businesspläne von Bietern erst im Herbst vorliegen sollten, könne es schon vorher grünes Licht für eine Zwischenfinanzierung geben. Entscheidend dafür sei eine positive Geschäftsprognose der Wirtschaftsprüfer der Dornbach GmbH für den ehemaligen US-Militärflugplatz. Dann könnte zur Überbrückung ein Gesellschafterdarlehen des Landes Rheinland-Pfalz in Höhe von maximal 34 Millionen Euro fließen.
Kann sich ein Fiasko wie mit SYT wiederholen?
Das ist offen. Die rot-gelb-grüne Landesregierung ist vehement daran interessiert, dass der Verkauf diesmal eine Erfolgsgeschichte wird. Zum einen, um den Flughafen abzuhaken, wenn auch womöglich mit weiteren staatlichen Subventionen. Zum anderen, um politisch zu überleben. Denn der geplatzte Deal mit den Chinesen hat das Image der erst jungen Ampel-Koalition bundesweit ganz schön angekratzt. Nun will Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) eine neue Bruchlandung mit dem Airport-Verkauf vermeiden.
Wie sicher im Sattel ist Innenminister Roger Lewentz (SPD)?
Er ist praktisch Minister auf Bewährung. Lewentz ist neben Finanzministerin Doris Ahnen und Dreyer der letzte im Kabinett von der SPD, der aus der Zeit von Ex-Regierungschef Kurt Beck stammt. Lewentz hat schon die Insolvenz und den holprigen Verkauf des Nürburgrings überstanden. Sein Amt als SPD-Landeschef mag ihm dabei geholfen haben, wird spekuliert. Auch das vor wenigen Wochen gescheiterte Geschäft mit SYT lief unter seiner Verantwortung, doch Dreyer stellte sich vor ihn. Lewentz steht unter verschärfter Beobachtung - seiner Regierungschefin, aber auch der kleineren Koalitionspartner FDP und Grüne, die bei einem neuen Misserfolg nicht in einen Abwärtssog geraten wollen.
Wie ist das Verhältnis zwischen der Landesregierung und der KPMG nach dem geplatzten Verkauf?
Beide Seiten fliegen derzeit nicht gerade aufeinander. Dreyer und Lewentz haben in den vergangenen Wochen mehrfach die Verantwortung der Berater betont. Die gut mit Steuergeld bezahlte KPMG hatte grünes Licht für den Deal mit der Shanghai Yiqian Trading gegeben. Die Gesellschaft würde nach eigenen Angaben gern dazu Stellung nehmen.
Doch sie ist zum Schweigen verpflichtet. Sie begleitet auch das wieder aufgenommene Bieterverfahren, denn ein Wechsel mitten im Flug wäre zu kompliziert. Nach Ende des Verkaufs droht aber ein Rechtsstreit: Das Land prüft derzeit etwaige Haftungsansprüche gegen KPMG. Aus Partnern könnten also Prozessgegner werden. (dpa)