Berlin. Der letzte öffentliche Auftritt beginnt mit einem Witz, den Hartmut Mehdorn leise ins Mikrofon nuschelt: „Mein Gott, seid ihr heute aber viele“, sagt der Bahnchef, nimmt Platz auf dem Podium im Berliner Hotel Mariott und sieht sich dabei einer Wand von Fotografen und Kameramännern gegenüber. Dann beginnt Mehdorn mit seiner Rede zur letztjährigen Bilanz. Eigentlich ist alles so wie immer. Der Vorsitzende der Deutschen Bahn spricht über die Wirtschaftskrise und stellt dann einen ersten Vergleich an: Seit 1999, dem Jahr, in dem er Bahnchef wurde, hat sich der Konzernumsatz von 15,6 Milliarden Euro mehr als verdoppelt. Zu diesem Zeitpunkt ahnt noch keiner im Saal, dass dieser dezente Hinweis auf sein Lebenswerk nicht zufällig in die Rede eingeflochten war. Mehdorn spricht die verschiedenen Geschäftsfelder an, sagt, dass wir „betriebsbedingte Kündigungen bisher nicht eingeplant haben“ und „wir zuversichtlich sind, dass wir auch in dieser Wirtschaftskrise erfolgreich gegensteuern werden.“ Er schließt mit den Worten: „Wir bleiben auf Kurs!“. Dass er dann nicht mehr Kapitän sein wird, dass er noch nicht mal mehr an Bord seines Unternehmens sein wird, darüber verliert Mehdorn kein Wort. Stattdessen lässt er die versammelten Journalisten in dem Glauben, dass er auch in diesen schweren Zeiten den Konzern durch die Krise führt. Nach dem Vortrag von Finanzvorstand Diethelm Sack beginnt die Fragerunde. Zwar bittet Konzernsprecher Oliver Schumacher die Journalisten ausdrücklich, keine Fragen zum Thema „Korruptionsbekämpfung/Datenschutz“ zu stellen, da Mehdorn dazu im Anschluss an die Fragen noch ausführlich Stellung nehmen will. Doch die erste Frage zielt genau darauf ab. Mehdorn bleibt jedoch konsequent und bittet um Geduld. Dann ist es soweit: Mehdorn liest seine Erklärung vor, der einzige Grund, weshalb viele Journalisten überhaupt gekommen sind. Zunächst verteidigt der Konzernchef in seiner ihm eigenen Art das Vorgehen in seinem Haus. Er bekräftigt, dass es in der Datenaffäre und bei der Kontrolle von E-Mails keine strafrechtlich relevanten Vorgänge gegeben habe. Dies hätten die Sonderermittler des Aufsichtsrates mehrfach betont. „Wenn überhaupt, kann es hier im Einzelfall zu bloßen Ordnungswidrigkeiten gekommen sein“, sagt der Bahnchef. Mehdorn bekräftigt, beim massenhaften Abgleich von Mitarbeiterdaten mit solchen von externen Firmen habe sich kein Bahnermittler falsch verhalten. „Auch das unbefugte Ausspähen von E-Mails bei der DB AG hat es nicht gegeben“, stellt Mehdorn fest. Die Protokollierung von Adress- und Betreffzeilen habe im Einklang mit einer Betriebsvereinbarung gestanden. Eine Massen-E-Mail der Lokführergewerkschaft GDL am 4. Oktober 2008 sei nicht abgefangen worden, sondern aus technischen Gründen gelöscht worden. Der Streikaufruf über das E-Mail-System der Bahn sei zudem rechtlich nicht zulässig gewesen. Bis dahin war das der Kämpfer Mehdorn, der schon unzählige Schlachten geschlagen und auch gewonnen hat.
Bahnchef Mehdorn tritt zurück
Hartmut Mehdorn übernimmt die Gesamtverantwortung für den Datenskandal und erklärt seinen Rücktritt. Die VerkehrsRundschau war bei der Pressekonferenz vor Ort.