Berlin. Das jüngste Winterchaos bei der Deutschen Bahn (DB) hatte größere Dimensionen als öffentlich bisher dargestellt. In der Woche vom 13. bis 19. Dezember waren nur 40,3 Prozent aller Fernzüge pünktlich, in der Woche darauf nicht einmal ein Drittel (29,8 Prozent), berichtete die "Hannoversche Allgemeine Zeitung" unter Berufung auf eine interne Statistik der DB Netz AG. Zuvor hatte auch der "Tagesspiegel" über entsprechende Negativzahlen berichtet.
Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) betonte am Freitag im Bundestag, er habe sich bei seinem Winterbericht für den Verkehrsausschuss auf die Angaben der Bahn verlassen. Die Bahn teilte mit, sie habe keine Angaben geschönt, sondern Durchschnittswerte für den Monat Dezember angegeben. Der starke Wintereinbruch begann aber erst Mitte des Monats, was Pünktlichkeitsquoten verzerrt.
Der für die Bahn zuständige Ramsauer hatte in seinem in dieser Woche vorgestellten Bericht zur Verkehrslage im Winter gesagt, im Fernverkehr sei die Pünktlichkeit im Dezember zeitweise unter 70 Prozent gesunken. Laut der internen Statistik war aber an manchen Tagen nur noch jeder fünfte Fernzug nach Plan gefahren.
Eine Sprecherin Ramsauers sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Die Zahlen, die uns dazu von den verschiedenen Verkehrsträgern zugeliefert werden, übernehmen wir im Vertrauen auf deren Vollständigkeit und Richtigkeit." Bei der Vielzahl an Zügen könne das Ministerium "unmöglich die Daten überprüfen oder gar selbst erheben".
SPD-Fraktionsvize Florian Pronold warf dem Minister vor, die Öffentlichkeit getäuscht zu haben. "Ramsauer versucht, die Verspätungen bei der Bahn zu vertuschen, um von seinem eigenen Versagen abzulenken." Ramsauer warf Pronold Unsachlichkeit vor.
Im Bundestag waren sich die Abgeordneten aller Parteien bei einer Debatte über das Winterchaos bei der Bahn einig, dass ein Börsengang des Unternehmens vorerst nicht sinnvoll ist. Zudem solle sich die Bahn stärker auf ihr Geschäft im Inland konzentrieren. "Im Winter erfriert man, im Sommer wird man gegrillt", umschrieb Grünen-Fraktionschefin Renate Künast etwas zugespitzt die Krise bei der Bahn. 2009 habe die Bahn allein im Netz 768 Millionen Euro Gewinn gemacht. Statt es dort zu reinvestieren, habe die Bahn im Ausland zugekauft.
Der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Patrick Döring, forderte, Betrieb und Netz zu trennen. Zudem müsse die Bahn transparenter arbeiten. Es sei zudem unstrittig, dass mehr Geld in die Züge fließen müsste. Linke-Fraktionschef Gregor Gysi machte das Renditestreben und ein Kaputtsparen für die Probleme verantwortlich. "Das ist einzigartiger Skandal", sagte Gysi. Die Bahn habe dem Gemeinwohl zu dienen und nicht Profitinteressen. (dpa)