Auf schiefer Bahn

Ministerrat und Europäisches Parlament haben mit den Verhandlungen über das vierte Eisenbahnpaket begonnen. Damit soll der europäische Schienenverkehr weiter liberalisiert werden. Die Verkehrsminister haben die Vorschläge der Kommission allerdings erheblich verwässert. Die Vertreter des Parlamentes wollen in den nächsten Wochen versuchen, das Paket wieder in die richtige Bahn zu lenken. Der Verkehrsexperte der konservativen EVP-Fraktion, Markus Ferber (CSU), fürchtet jedoch, dass die EU-Kommission schon bald ein fünftes Eisenbahnpaket vorlegen muss, "um die Öffnung des Eisenbahnbereichs endlich zu realisieren." Denn die Position, auf die sich die Verkehrsminister der Mitgliedstaaten verständigt haben, bleibt deutlich hinter dem zurück, was die Kommission vorgeschlagen hatte, um die Eisenbahn wettbewerbsfähiger gegenüber der Straße zu machen. Zulassung von Zügen kann Jahre dauern Bislang gibt es mehr als 11.000 europäische und nationale technische Standards, die im Eisenbahnverkehr beachtet werden müssen. Die Zulassung von Schienenfahrzeugen durch die nationalen Behörden kann Jahre dauern und ist entsprechend teuer. Bereits vor der Sommerpause haben sich Ministerrat und Parlament darüber verständigt, den Flickenteppich technischer und Sicherheitsstandards aufzurollen. Lokomotiven und Waggons, die europaweit zum Einsatz kommen, können in Zukunft eine Zulassung der Europäischen Eisenbahnagentur (ERA) in Valenciennes bekommen. Damit können sie in allen EU-Staaten eingesetzt werden. "Das könnte der Durchbruch zu einem einheitlichen, europäischen Schienennetz werden", freut sich der Vorsitzende des Verkehrsausschusses, Michael Cramer (Grüne). In Kraft treten wird das aber nur, wenn Rat und Parlament auch die Verhandlungen über den "politischen Teil" des Eisenbahnpaketes erfolgreich abschließen. Dabei geht es um die Regularien, mit denen die ehemaligen Monopolisten versuchen, der Konkurrenz Knüppel in die Räder zu stecken. Die Kommission hatte vorgeschlagen, den Betrieb der Eisenbahnnetze deutlicher vom eigentlichen Eisenbahngeschäft zu trennen. Damit soll verhindert werden, dass die Netzmanager zum Beispiel der Bundesbahn die eigenen Züge gegenüber der privaten Konkurrenz bevorzugen. Der Ministerrat hat jedoch insbesondere die von der Kommission geplanten Transparenzvorschriften deutlich zurückgenommen. Auch in Zukunft soll niemand merken, wenn die Netzmanager Monopolgewinne innerhalb des Konzerns an die Abteilungen weiterreichen, die im Wettbewerb stehen. Das Parlament werde sich in den Verhandlungen "für mehr Transparenz bei den Finanzströmen innerhalb der Eisenbahnkonzerne einsetzen", sagt Cramer. Umstritten ist auch, wie schnell und wie weit die Mitgliedstaaten ihre Schienennetze für andere Anbieter öffnen müssen. Auf dem Verhandlungstisch liegt auch der Güterverkehr, der theoretisch längst liberalisiert ist. Trotzdem beklagen sich die privaten Güterbahnen, dass sie etwa in Frankreich kaum ein Rad auf die Schiene kriegen. Der Ministerrat will, dass im Verhältnis zu Drittstaaten der Grundsatz der Gegenseitigkeit zur Anwendung kommt. Lässt beispielsweise Russland keinen Anbieter aus Polen auf sein Schienennetz, dann kann Polen russische Eisenbahnen aussperren. Dieses Prinzip möchten manche Abgeordnete auch innerhalb der EU einführen. Kommentar Wettbewerbsfeindliches Umfeld Die Liberalisierung des europäischen Eisenbahnverkehrs ist eine Geschichte von Pleiten, Pech und Pannen. Europa hat wahrscheinlich das dichteste Schienennetz der Welt. Darauf könnte man mehr Güter transportieren, wenn die Eisenbahnen sich nicht mit tatkräftiger Hilfe der Politik und der Gewerkschaften gegenseitig das Leben schwer machen würden. Die Lobby der Ex-Monopolisten führt seit Jahren einen zähen Abwehrkampf gegen jede Konkurrenz. Tausende technische Vorschriften, die angeblich der Sicherheit dienen, verhindern, dass Züge nationale Grenzen überqueren. Schaffen sie es trotzdem, die technischen Standards eines anderen EU-Landes zu erfüllen, bleiben sie in einer wettbewerbsfeindlichen Regulierung hängen. Die Güterbahn hat den Anschluss verpasst und braucht sich nicht zu wundern, dass ihr die Konkurrenz auf der Straße davonfährt.Kontakt: verkehrsrundschau@springer.comTom Weingärtner, VR-Korrespondent in Brüssel

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