Auf dem Weg zum Multi-Energie-Hub

Fuhrparkbetreiber erwarten von ihren Tankkartenanbietern mehr als nur das bargeldlose Begleichen der Kraftstoffrechnung. Längst gehören Mautabwicklung, Werkstattbesuche oder Steuererstattung zum Brot-und-Butter-Geschäft. Mittlerweile beschäftigen sich die Anbieter von Mobilitätslösungen, so die Selbstbezeichnung vieler Tankkartenanbieter, aber auch mit alternativen Antrieben: Denn angesichts der Forderungen, den CO2-Ausstoß zu senken, werden Lkw in absehbarer Zukunft vermehrt Erdgas-Zapfsäulen oder E-Ladestationen ansteuern. Insbesondere hinsichtlich der Elektromobilität tut sich bei den großen Tankkartenanbietern einiges - wenngleich das Angebot zurzeit noch auf Pkw-Flotten abzielt. Für den Nutzfahrzeugeinsatz auf der "letzte Meile" spiele die öffentliche Ladeinfrastruktur momentan eine eher untergeordnete Rolle, räumt Gerhard Künne, Leiter Mobility Unit bei Volkswagen Financial Services, ein. Er verweist dabei auf die Praxis, dass diese Fahrzeuge über Nacht an den privaten Ladesäulen der Betriebe wieder für den nächsten Einsatz aufgeladen werden. Die sogenannte Charge&Fuel Card von Volkswagen Financial Services und die dazugehörige App richte sich denn auch ausschließlich an Pkw-Kunden. Alle Lade- und Tankvorgänge werden dabei über eine Rechnung abgerechnet. Mit der MAN Card können Nutzer auch CNG (Compressed Natural Gas) und LNG (Liquefied Natural Gas) beziehen, allerdings keinen Strom. "Da wir aber bereits umfassende Erfahrungen mit Pkw-Ladekarten und Lkw-Tankkarten haben, sind wir fest davon überzeugt, dass wir die Grundvoraussetzungen geschaffen haben, um auch im Lkw-Bereich in einem relativ kurzen Zeitraum eine adäquate Ladekarte anbieten zu können - sowie es die Marktentwicklung erfordert", fügt Künne noch hinzu. Interesse an E-Mobilität steigt DKV bietet neben der klassischen DKV Card auch die DKV Card + Charge an. Diese gewährt zusätzlich Zugang zu rund 21.000 öffentlichen E-Ladepunkten im Inund Ausland. "Wir merken deutlich, dass das Interesse an E-Mobilitätslösungen auch bei Kunden im Nutzfahrzeugbereich steigt", sagt Sven Mehringer, Geschäftsführer Fuel/Energy und Vehicle Services. In der Breite werde sich das Thema aber zunächst im Pkw-Segment durchsetzen, glaubt auch der DKV-Vertreter. "Auch wenn Elektromobilität bei schweren Nutzfahrzeugen an Bedeutung gewinnt, gehen wir davon aus, dass Tankstellen künftig zu Multi-Energie-Hubs werden, wo neben Strom auch verstärkt alternative Kraftstoffe wie CNG, LNG oder Wasserstoff erhältlich sind", glaubt Mehringer. UTA behandelt die Themen E-Mobilität und herkömmliche Kraftstoffe ebenfalls separat. Für das Laden von E-Fahrzeugen gibt es eine eigene Karte, die E-Charge Card. UTA kooperiert seit Jahresbeginn mit der Firma Newmotion und kann seinen Kunden nach eigenen Angaben Zugang zu mehr als 80.000 Ladepunkten in Europa ermöglichen. Während über die UTA-Stationsfinder-App Tankstellen nach fossilen Kraftstoffarten gefiltert werden kann, gibt es für die Ladepunkt-Suche eine eigene App des Kooperationspartners. Wie Head of Marketing Stefan Horst berichtet, verzeichne UTA im Bereich Nutzfahrzeuge ab 3,5 Tonnen aber "noch keine signifikante Nachfrage" nach öffentlichen E-Lademöglichkeiten. "Entsprechende Anfragen wurden an unsere Vertriebsorganisation bislang nur in wenigen Einzelfällen gerichtet", berichtet auch Michael J. Marzari, Produktmanager Non-Cash Payment bei Avia. Die mittelständische Unternehmensgruppe strebe nichtsdestoweniger "mittelfristig ein weitläufiges Abrechnungswerk" an. Den Inhabern der Aviacard solle "ein möglichst breites Angebot an E-Ladesäulen" zugänglich sein. Entsprechende Strukturen würden derzeit aufgebaut. In Sachen E-Mobilitätsversorgung schon weit fortgeschritten ist Shell. "Shell-Card-Kunden haben Zugriff auf rund 11.000 öffentliche Ladestationen in Deutschland", sagt Rainer Klöpfer, Geschäftsführer des Tankkartengeschäftes von Shell Deutschland. Eine Shell-Card mit RFID-Chip ermögliche dabei die Freischaltung an den Ladepunkten und die Abrechnung über die Tankkarte. "Wir erwarten auch bei Nutzfahrzeugen eine Diversifizierung von Antrieben und Kraftstoffen", sagt Klöpfer, wenngleich auch er davon ausgeht, dass elektrische Antriebe bei schweren Lkwkurz- bis mittelfristig weniger eine Rolle spielen werden. "Hier sind deren Nachteile hinsichtlich Nutzlast, Nutzvolumen und Energiespeicher einfach noch zu groß." Daher biete Shell den Kunden ein "Kraftstoffmosaik" an, das herkömmlichen Diesel und Benzin, LPG (Autogas), CNG, LNG, den aus Erdgas gewonnenen, synthetischen Dieselkraftstoff GTL, Wasserstoff sowie E-Ladesäulen umfasse. Erdgas als Alternative Vor allem CNG und LNG seien eine Alternative zum Diesel: Prinzipiell ließen sich mit ihnen im Vergleich zu Benzin und Diesel fast 25 Prozent der Treibhausgasemissionen einsparen, betont Klöpfer. Im deutschen Netz bietet Shell aktuell an 54 Stationen die Möglichkeit, CNG zu tanken. LNG können Flottenkunden an der jüngst eingeweihten Shell Station in Hamburg beziehen. Diese ist erst die dritte Station hierzulande, wo man das verflüssigte Erdgas, das für hohe Reichweiten sorgt, tanken kann. Nachbarländer wie etwa der Benelux-Raum sind bei der LNG-Infrastruktur weiter. Dank der hohen Reichweite bis zu 1600 Kilometern durchqueren LNG-Lkw Deutschland und tanken momentan noch im Ausland, sagt Michael Schaarschmidt, Leiter Produktmanagement/CNG-LNG Services des Branchennetzwerks Zukunft Erdgas (siehe auch Interview). Aber auch bei CNG täuscht die reine Zahl der Bezugsstellen - laut Zukunft Erdgas 860 - darüber hinweg, dass hinsichtlich Durchfahrtshöhen und Leistung längst nicht alle auch für Lkw geeignet sind. Derzeit gibt es laut Schaarschmidt circa 80 CNG-Tankstellen in Deutschland, an denen Lkw tanken können. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Tankkarten www.verkehrsrundschau.de/dossiers

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