„Auch kleinere und mittlere Transportunternehmen müssen auf die Bahn“

Die im Breco-Projekt vorgeschlagenen Änderungen sind großenteils Forderungen, die es schon seit Jahren gibt, die aber nicht umgesetzt werden. Wie wollen Sie die Akteure davon überzeugen, diese Maßnahmen umzusetzen? Sie sagen es, es hapert seit Jahren an der Umsetzung. Deswegen haben wir die BRECO-Projekte anders angepackt. Schließlich wollen wir weiterkommen als bisher. Wir haben von Anfang an auch die Wirtschaft eingebunden und sind sehr praxisorientiert vorgegangen. Wir sind zum Beispiel auf der Lok mitgefahren und haben auf der Strecke einzelne Maßnahmen überprüft. Wir haben zum Beispiel geschaut, wo genau eine neue Weiche Güterzüge beschleunigen kann. Wir haben mit den BRECO-Projekten großes Interesse geweckt. Unsere Workshops waren allesamt gut besucht und wir hatten alle wichtigen Vertreter bis zum Lokführer am Tisch. Das ist bei einem so komplexen Thema wie dem Kombinierten Verkehr wichtig, damit eben nicht nur Insellösungen rauskommen, die schwer umsetzbar sind. Wir haben die Maßnahmen miteinander diskutiert und gemeinsam festgelegt. Viele Teilnehmer kannten sich vorher nicht persönlich und waren für die Gelegenheit zum direkten Austausch sehr dankbar. Die gemeinsame Verkehrskoordination über den Brenner, die jetzt zu einem Projekt unter Federführung der DB Netz AG geführt hat, ist sehr gut angekommen. Ich glaube wirklich, viele haben auf so etwas gewartet. Bei welchen Akteuren bzw. bei welchen Gliedern in der Transportkette sehen Sie den größten Handlungsbedarf? Alle Akteure müssen sich einbringen, vom Verlader über den Spediteur bis zum Eisenbahnverkehrsunternehmen und dem Netzbetreiber. Alle sind gefragt, den Schienengüterverkehr leistungsfähiger zu machen. Das funktioniert nur, wenn alle hinter dem Ziel stehen, mehr Güter auf die Schiene zu bringen, und miteinander an diesem Ziel arbeiten. Im Projekt BRECO.QM haben wir festgestellt, dass eine grenzüberschreitende Zugsteuerung besonders wichtig ist. Die Netzbetreiber müssen sich intensiver austauschen und das gemeinsam verbessern. Dazu startet jetzt das Pilotprojekt „Gemeinsame Verkehrskoordination“. Es wird von der Aktionsgemeinschaft Brennerbahn, bei der ich noch in diesem Jahr Präsidentin bin, gefördert. Ich freue mich sehr, dass ich auch meine internationalen Partner davon überzeugen konnte. Der zweite Punkt ist, dass auch kleine und mittlere Transportunternehmen auf die Bahn müssen. Sie können bisher nur die weniger effiziente Rollende Landstraße nutzen. Ihnen muss der Zugang zum Unbegleiteten Kombinierten Verkehr erleichtert werden. Wir haben da auch schon Ideen für neuartige Geschäftsmodelle. Eine Maßnahme des Breco-Projektes ist die Bereitstellung von Terminalflächen zum Flügeln und Kuppeln von Güterzügen. Wo sollten die entstehen und bis wann könnten diese Kleinterminals ihren Dienst aufnehmen? Wir haben mit BRECO.Market auch die sogenannten CAFT-Daten ausgewertet. Wir wissen jetzt, wo die Quell- und Zielgebiete der Transporte über den Brenner sind. Selbst Warengruppen und die Verkehrsträger können ausgelesen werden. Wir können jetzt genau sagen, wo ist das Potential für eine weitere Verlagerung von der Straße auf die Schiene, wo muss vielleicht Infrastruktur angepasst werden oder wo sind eben zusätzliche Umschlagterminals notwendig. Hier haben wir Lücken in Oberbayern und Süditalien ausgemacht. In Oberbayern sind wir schon fündig geworden, wo BRECO.Hubs zum Flügeln und Kuppeln von Güterzügen errichtet werden könnten. Der Vorteil ist, dass die Flächen nicht so groß sein müssen und dass sie auch schneller gebaut werden können. Jetzt müssen wir schauen, dass wir die Flächen auch für den Güterverkehr bekommen, dass wir Investoren und Betreiber finden. Wir arbeiten übrigens gleichzeitig an standardisierten Terminalmodellen. Das muss alles einfacher gehen. Standardisierung und Digitalisierung sind auch hier die Schlagworte. Die Studie hat ergeben, dass gerade im Umfeld München der Modal Split der Bahn sehr gering ist Richtung Italien. Was wollen Sie unternehmen, um die Schiene attraktiver zu machen für die dort ansässige Industrie und Handel sowie die Spediteure? Ja, Richtung Italien sind die Zahlen in Oberbayern tatsächlich ganz andere als zum Beispiel im Ruhrgebiet. Wir müssen hier die Akteure überzeugen, dass die Schiene auch auf kürzeren Entfernungen interessant ist. Bisher ist man ja davon ausgegangen, dass die Schiene erst ab circa 400 km Entfernung wirtschaftlich ist. Wir können von München über den Brenner auf der Schiene aber auch zwei Mal am Tag, hin und her fahren. Aber klar, die Leistung muss stimmen. Wir brauchen dazu ein gutes Angebot und eine klare Aussage über Kosten und Transportzeiten. Und wir brauchen die zusätzlichen Terminals, damit die Ware auch auf den Zug kommt. Wir haben mit den CAFT-Daten ja auch gesehen, dass im südbayerischen und norditalienischen Raum das größte Transportaufkommen beziehungsweise Verlagerungspotenzial ist. Diese Chance müssen wir nutzen. Welche Ziele verknüpft die Landesregierung mit dem Projekt? Die bayerische Verkehrspolitik hat seit langem ein erklärtes Ziel: Wir wollen so viele Transporte wie möglich von der Straße auf die Schiene verlagern. Weil die Schiene umweltfreundlicher ist als die Straße. Das ist dann insgesamt ein wertvoller Beitrag zum europäischen „Green Deal“ und wir haben dann auch weniger CO2-Emissionen im Verkehr. Wir müssen die Schiene daher stärker für den alpenquerenden Verkehr als besonders sensiblem Raum nutzen. Das funktioniert aber nur, wenn wir sie wettbewerbsfähiger gegenüber der Straße machen. Und da gibt es viel zu tun, angefangen bei der Infrastruktur – und das dauert. Nach aktuellen Meldungen braucht der Brenner-Basistunnel wohl zwei Jahre länger bis er in Betrieb geht. Es kann jetzt Anfang 2030 werden. Wir müssen aber schon vor Fertigstellung des Brenner-Basistunnels Transporte auf die Schiene bringen. Und wenn Tirol die Lkw weiter aussperrt, haben wir auch keine andere Wahl, als uns im Schienengüterverkehr besser aufzustellen. Wir haben festgestellt, dass es da ein ganzes Bündel an Möglichkeiten gibt. Ich setze große Hoffnungen auf die gemeinsame Disposition über den Brenner. Damit können wir viele Maßnahmen abarbeiten. Bis wann sollen wie viel Güter mehr auf der Schiene über den Brenner transportiert werden? Die Maßnahmen sind für die Zeit gedacht, bis der Brenner-Basistunnel fertig ist. Es geht bei unseren BRECO-Projekten also um kurzfristige Maßnahmen, mit denen die bestehende Infrastruktur möglichst effizient genutzt wird. Tatsächlich fahren bereits seit Januar 2019 gemischte BRECO-Züge, aufgefüllt mit nicht-kranbaren Sattelanhängern. Mit Hilfe der Umschlagplatte NiKRASA sind die Züge damit besser ausgelastet. Ein Eisenbahnverkehrsunternehmen kuppelt und flügelt bereits Waggons oder Waggongruppen und realisiert damit BRECO.Hub. Die Züge können mit der maximalen Zuglänge von 740 Metern Richtung Norden fahren, auch wenn über den Brenner die Züge nur 550 Meter lang sein dürfen. Zuglängen und Trassen werden damit optimal ausgenutzt. Und wir haben in BRECO.Train ausgerechnet, dass wir derzeit noch acht zusätzliche Trassen haben, mit denen die Spediteure etwas anfangen können, die also marktgerecht sind. Damit haben wir die Chance, den Anteil des Schienengüterverkehrs weiter zu erhöhen. Und wir haben den Ehrgeiz, das zu schaffen.

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