Arbeiten auf Abruf: Das gilt für Lkw-Fahrer

Warten an der Rampe: Ist das Arbeitszeit, eine Pause oder Bereitschaftszeit? Welche Vergütung steht Beifahrern zu, die in der Kabine schlafen, während der Kollege am Steuer sitzt? Darüber gibt es in der Transport- und Speditionsbranche immer wieder Diskussionen. Häufig landen Streitfälle vor Gericht. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zu Anordnung und Vergütung von Bereitschaftszeiten von Lkw-Fahrern. Wie grenzt sich in der Transportbranche die Bereitschafts- von der Arbeitszeit ab? Es kommt darauf an, zu welchem Zweck die Unterscheidung vorgenommen wird: Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG), das dem Schutz des Arbeitnehmers dient, oder Arbeitszeit als Grundvoraussetzung für Vergütung. "Die Sonderregel in Paragraf 21a ArbZG, die für angestellte Fahrer schwerer Lkw über 3,5 Tonnen gilt, betrifft den Arbeitsschutz und hat nichts mit der Vergütung zu tun", stellt der Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Steffen Pasler aus Greifswald klar. Es geht also um die gesetzlich zulässige Arbeitszeit von Fahrern, die - bei entsprechendem Ausgleich - bis zu 60 Stunden pro Woche und zehn Stunden pro Tag betragen darf. Bereitschaftszeiten gehören nach dieser Sonderregel nicht zur maximal zulässigen Arbeitszeit. Nicht als Arbeitszeit zählt: - die Zeit, während derer sich ein Arbeitnehmer am Arbeitsplatz bereithalten muss, um seine Tätigkeit aufzunehmen, - die Zeit, während derer sich ein Fahrer bereithalten muss, um seine Tätigkeit auf Anweisung aufnehmen zu können, ohne sich an seinem Arbeitsplatz aufhalten zu müssen, sowie - die während der Fahrt neben dem Fahrer oder in der Schlafkabine verbrachte Zeit, wenn sich Arbeitnehmer beim Fahren abwechseln. Voraussetzung ist jedoch, dass der Zeitraum und dessen voraussichtliche Dauer im Voraus, spätestens unmittelbar vor Beginn des betreffenden Zeitraums, bekannt sind. Ein Beispiel: Wurde in der Tourenplanung bereits eine Stunde Wartezeit für das Beoder Entladen des Lkw vermerkt oder teilt der Kunde dem Fahrer die Zeit mit, wann er zur Rampe fahren darf, ist das Warten keine Arbeits-, sondern Bereitschaftszeit. "Der Gesetzgeber sagt aber auch, dass dies keine Ruhezeiten und keine Ruhepausen im Sinne der Lenkzeitenverordnung sind ", so der Arbeitsrechtsexperte. Das Warten kann auch eine zulässige Fahrtunterbrechung sein: Ist die voraussichtliche Dauer nicht vorher bekannt und muss der Fahrer jederzeit damit rechnen, den Lkw zu bewegen, kann er also nicht frei über seine Zeit verfügen, dann liegt Arbeitszeit vor. Was sind typische Bereitschaftszeiten? Dazu zählen neben Wartezeiten an der Laderampe, bei der Zoll- und Grenzabfertigung oder infolge von Fahrverboten auch Zeiten, die im Wechsel eingesetzte Lkw-Fahrer auf dem Beifahrersitz oder in der Schlafkabine verbringen. Begleiten Berufskraftfahrer ihr Fahrzeug beim Zugtransport oder auf einer Fähre, sind dies ebenfalls Bereitschaftszeiten, wenn der Fahrer keine Ruhezeit einlegen kann. Wenn viele Wartezeiten nicht zur Arbeitszeit zählen, kommen Fahrer schnell auf mehr als zehn Stunden Tagesdienst. Wie viele Bereitschaftszeiten dürfen Arbeitgeber in die Touren einplanen? Da Bereitschaftszeiten im Speditions- und Transportgewerbe keine Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes sind, kann der Tagesdienst der Fahrer auch über die Zehn- Stundengrenze hinausgehen. "Eine Obergrenze gibt es nur durch die vorgeschriebenen Ruhezeiten und -pausen. Auf deren Einhaltung müssen Arbeitgeber achten", sagt Rechtsanwalt Pasler. Im Arbeitsvertrag sollten beide Parteien den Umfang der Bereitschaftszeiten festschreiben. Gibt es keine arbeits- oder tarifvertragliche Regelung, können Fahrer Bereitschaftsdienste verweigern. Dies ist laut dem Hessischen Landesarbeitsgericht kein Kündigungsgrund (Urteil vom 6. November 2007, Aktenzeichen: 12 Sa 1606/06). Ein Arbeitnehmer sei nur auf der Basis arbeitsvertraglicher oder kollektivrechtlicher Vereinbarungen zur Leistung von Bereitschaftsdiensten und Rufbereitschaft verpflichtet. Manche Disponenten verlangen, dass Fahrer beim Warten auf das Lkw-Be- oder Entladen am digitalen Tachografen das Pause-Symbol drücken. Ist das zulässig? Meist geht es in solchen Fällen um die Vergütung. Doch wenn der Fahrer im Lkw bleiben und sich bereithalten muss, um die Arbeit aufnehmen zu können, ist das keine Pause. Der Spediteur hat diese Zeiten zu vergüten, selbst wenn der Fahrer nicht viel oder nichts zu tun hat. "Auch die vom Arbeitgeber veranlasste Untätigkeit ist nach geltender Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vergütungspflichtig", so Pasler. Der Chef darf den Fahrer jedoch anweisen eine Pause zu machen, wenn eine längere Wartezeit absehbar ist. "Dann muss der Arbeitgeber jedoch genau sagen, wie lange die Pause dauert, und der Fahrer darf das Fahrzeug verlassen", betont der Fachanwalt für Arbeitsrecht. Nur wenn klar ist, wie lange die Unterbrechung dauert und der Mitarbeiter selbst entscheiden kann, wie er die Zeit verbringt, ob er einen Spaziergang macht oder in der Kantine isst, darf sie als Pause ins System eingegeben werden. Verstoßen die Anweisungen des Betriebs gegen das Arbeitszeitgesetz, ist eine Abmahnung oder Kündigung unwirksam. Wie sollten sich Fahrer bei Verzögerungen verhalten? Spediteure sollten Fahrer anweisen, anzurufen, wenn sie länger warten müssen. Der Arbeitgeber entscheidet dann, ob er den Arbeitnehmer von seiner Bereitschaftszeit entbindet, sodass er eine Ruhepause einlegen kann. In dieser Zeit ist der Fahrer aber nicht für Chef oder Kollegen zu sprechen. Welche Regeln gibt es für die Vergütung von Bereitschaftszeiten? Hier sitzen manche Unternehmer einem Irrtum auf: Dass Bereitschaftszeiten im Sinne des Paragrafen 21a ArbZG keine Arbeitszeiten sind, bedeutet nicht, dass sie für diese Zeiten keinen Lohn bezahlen müssen. Die Rechtsprechung ist in diesem Punkt eindeutig: "Vergütungspflichtige Arbeit ist nicht nur die Vollarbeit, sondern auch die Bereitschaft", sagt Rechtsanwalt Pasler. Es ist aber zulässig, im Arbeitsvertrag für Lenk- und sonstige Arbeitszeiten eine höhere Vergütung zu vereinbaren als für Bereitschaftszeiten. Da beim Warten auf das Be- oder Entladen oder als Beifahrer weniger zu tun ist, darf der Lohn für diese Zeiten niedriger ausfallen. Es gibt jedoch eine Untergrenze: Auch für Bereitschaftszeiten gilt der gesetzliche Mindestlohn. Transportunternehmen sind aktuell verpflichtet, ihren Fahrern mindestens 9,19 Euro brutto pro Zeitstunde zu bezahlen. "Wurde die Vergütung nicht klar arbeitsvertraglich geregelt, müssen Arbeitgeber denselben Stundenlohn wie für Vollarbeit bezahlen", betont der Anwalt. Vergütung Das sagt die RechtsprechungMindestlohn: Für Bereitschaftszeiten gilt der gesetzliche Mindestlohn. Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass er für jede geleistete Arbeitsstunde zu zahlen ist und zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit auch Bereitschaftszeiten zählen. Allein die Tatsache, dass Arbeitnehmer während solcher Zeiten nicht ununterbrochen Arbeit leisten, rechtfertige keine Vergütung unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns (Urteil vom 29. Juni 2016, Aktenzeichen: 5 AZR 716/15). Davon abweichende Vereinbarungen in Tarif- oder Arbeitsverträgen sind ungültig.Vergütungspflicht für Beifahrer: Wechseln sich Berufskraftfahrer auf längeren Touren ab, sind die Zeiten als Beifahrer zu bezahlen, urteilte das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 4. Februar 2010, Aktenzeichen: 2 Sa 498/09). Die Bereitschaft ist in diesem Fall vergütungspflichtige Arbeitszeit, weil der Beifahrer am Arbeitsplatz anwesend sein muss, um jederzeit einsetzbar zu sein. Da im Arbeitsvertrag kein geringerer Stundenlohn vereinbart war, musste der Spediteur die Zeiten wie normale Arbeitszeit vergüten.Niedrigerer Stundenlohn: Bereitschaftszeiten sind zwar grundsätzlich zu entlohnen, der Arbeitgeber ist aber nicht verpflichtet, den vollen Stundenlohn zu bezahlen. Wird der Fahrer in dieser Zeit geringer beansprucht, darf die Vergütung auch unter dem Entgelt für Vollarbeit liegen, entschied das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 12. März 2008, Aktenzeichen: 4 AZR 616/06). Die Entlohnung von Bereitschaftszeiten richtet sich nach dem jeweiligen Arbeits-, Tarifvertrag oder der Betriebsvereinbarung. (sah) Webtipp Online-Unterweisung zu Lenk- und RuhezeitenDie Online-Unterweisung Lenk- und Ruhezeiten auf VR plus ermöglicht es allen Interessierten, in mehreren Sprachen die Grundzüge der Lenk- und Ruhezeiten-Thematik anschaulich und zeitorientiert zu erlernen. In zwei Kapiteln werden die wichtigsten Begriffe wie Tageslenkzeit, Tagesruhezeit, Wochenlenkzeit, -ruhezeit und -arbeitszeit, Mehr-Fahrer-Besatzung, Kontrollmittel, Mitführpflichten, Sanktionen sowie der Anwendungsbereich und die Befreiungen anhand von Beispielen und kleinen Übungsaufgaben erläutert.www.verkehrsrundschau.de/plus/leru

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