München. Der weltweit größte Online-Versandhändler Amazon macht ernst. Seit gestern, Montag 19. Oktober 2015, stellt der US-Konzern in Eigenregie Pakete im Großraum München zu. Amazon steigt damit in das angestammte Geschäft der Paketdienste ein. Das bestätigt Bernd Schwenger, Geschäftsführer von Amazon Deutschland Transport, gegenüber der VerkehrsRundschau.
Das Unternehmen hat dafür im Gewerbegebiet Geiselbullach (Olching) im Landkreis Fürstenfeldbruck eine 6.000 Quadratmeter große Halle angemietet. Das Gewerbegebiet liegt an den Autobahnen A8 und A99. Dorthin sollen täglich Waren vom Amazon-Logistikzentrum in Graben/Augsburg verbracht und dann mit täglich rund 200 Fahrern bis vor die Haustür des Kunden verteilt werden. Amazon werde aber keinen eigenen Fuhrpark aufbauen, betont Schwenger im Interview mit der VerkehrsRundschau. Man arbeite dafür mit sechs lokalen und regionalen Lieferdiensten wie Interkep, Liefery, Rico Logistics, Systemlogistik, Krae Transport und AZ Logistik zusammen.
Amazons Lieferversprechen an die Kunden
Das Lieferversprechen von Amazon an die Kunden ist: „Wir wollen wie ein regulärer Paketdienst arbeiten und bieten nun den gleichen Next-Day- und Same-Day-Delivery-Service, den DHL und Hermes heute schon für Amazon erbringen“, führt der Geschäftsführer aus. Zustellservices wie „Amazon Fresh“, sprich die Belieferung von Endkunden mit Lebensmitteln und „Prime Now“ seien im ersten Schritt von Olching aus aber nicht geplant, betont er.
Ein zweites Verteilzentrum mit 7000 Quadratmetern in München-Ost an der Autobahn A94 sei angeblich bereits in Planung und solle im Sommer 2016 starten, heißt es. Auch in anderen Großstädten wie Hamburg und Berlin habe Amazon angeblich bereits die Fühler nach möglichen Verteilzentren ausgestreckt. Dazu befragt, sagt Schwenger: „Wir warten die Ergebnisse in Olching ab. Dann werden wir sehen, ob auch in anderen Städten in Deutschland weitere Verteilzentren nach dem Modell von Olching errichtet werden.“
500 bis 700 Millionen Pakete stammen von Amazon
„Für die namhaften Paketdienste in Deutschland sind die Amazon-Ambitionen, als eigener Lieferdienst mitspielen zu wollen, sehr gefährlich“, kommentiert Michael Lierow, Partner der Unternehmensberatung Oliver Wyman den Einstieg des Onlinehandels-Riesen ins angestammte Geschäft der Paketdienste. „Von den jährlich rund drei Milliarden Paketen im deutschen Paketmarkt stammen etwa 500 bis 700 Millionen Pakete allein von Amazon“, hat der Logistikexperte ermittelt. Und in diese Zahlen seien noch nicht die möglichen Wachstumspotenziale hineingerechnet, betont Lierow, die sich durch neue Service-Angebote wie „Amazon Fresh“, „Prime Now“ und „Amazon Flex“ für die Paketdienste ergeben könnten.
Amazon Fresh, Prime Now und Amazon Flex
Dazu kommt: „Wenn Amazon dieses Logistiknetz mit zusätzlichen städtischen Verteilzentren ausbaut, wie im Fall Olching und München geplant, rückt der Konzern noch näher an die Endkunden in Ballungsräumen“, führt der Logistikexperte aus. Der Konzern werde damit noch flexibler und könne noch leichter festlegen, wann es die Endkunden beliefern wolle. Zumal sich Amazon mit einem eigenen Lieferservice von den rigiden Netzstrukturen der etablierten Paketdienste unabhängiger mache.
Services wie Amazon Fresh, Prime Now und besonders auch Amazon Flex seien dann auf jeden Fall realisierbar – auch kostenmäßig, ist Lierow überzeugt. „Spätestens im kommenden Jahr“, da ist sich der Berater sicher, „geht Amazon damit an den Start.“ Ob mit den etablierten Paketdiensten oder mit eigenen Zustellstrukturen.
Das Amazon-Interview erscheint am 23.10.2015 in der VR43/2015
Weitere Hintergründe zur Amazon-Offensive und ein Interview mit Bernd Schwenger, Geschäftsführer von Amazon Deutschland Transport, lesen Sie am 23.10.2015 in der Ausgabe VR43/2015 der VerkehrsRundschau. (eh)