Alles wieder auf Anfang

Wenn die Tinte unter der Vereinbarung am Ende der Woche getrocknet ist, hat sich das Thema erledigt." Mit diesen knappen Worten fasst Martin Leibrandt, CEO der Palettenorganisation Epal (European Pallet Association), das Ende eines Streits zusammen, der fast zwei Jahre die Logistikbranche in Atem gehalten hat. Begonnen hatte er mit einem Paukenschlag: Im Dezember 2012 gab die Arbeitsgruppe "Fragen der Palettierung" des Internationalen Eisenbahnverbandes (UIC) bekannt, den Europaletten-Pool nicht länger zusammen mit der Epal verwalten zu wollen. Die Bahner kündigten an, fortan eigene Ladungsträger anzubieten und von der Epal lizenzierte Paletten nicht länger zu tauschen. Handel, Industrie und Logistik waren geschockt und kündigten an, den Streit schlichtweg zu ignorieren. Es folgte ein schier endloses Gezerre - das jetzt beendet wurde. "Die gegenseitige Tauschfähigkeit ist offiziell wieder hergestellt", freut sich Leibrandt. Doch damit nicht genug: Die Epal hat der UIC angeboten, in Zukunft sogar die komplette Organisation des UIC-eigenen Palettenpools zu übernehmen, inklusive unabhängiger Qualitätskontrolle. "Das Angebot liegt auf dem Tisch", sagt Leibrandt. Spätestens Ende 2015 könnte der Vertrag unter Dach und Fach sein. Der Streitgrund ist trivial gewesen Damit wäre ein Streit beendet, den von Anfang an niemand verstanden hat. Denn der Auslöser für die Trennung war anscheinend trivial: Die Epal hatte ihre Ausgaben analysiert und festgestellt, dass relativ viel für die Qualitätskontrolle durch den Dienstleister SGS ausgegeben wurde. Daraufhin entschied man sich, die Leistung neu auszuschreiben. "Das ist doch ein völlig normaler wirtschaftlicher Vorgang", findet Christian Kühnhold, Geschäftsführer von Paki Logistics, Ennepetal. Allerdings brachte die Ausschreibung ein erstaunliches Ergebnis: Das Angebot des Konkurrenzunternehmens Bureau Veritas war bei Preis und Konditionen deutlich besser als das von SGS. Also entschied sich die Epal zu wechseln, gegen den Widerstand der UIC. Warum der Bahnverband unbedingt am Vertrag mit SGS festhalten wollte, ist unklar. Ein Insider, der namentlich nicht genannt werden will, munkelt, dass wohl "Bimbes" (ein regionaler Begriff für Geld) im Spiel gewesen sei, andere Marktkenner vermuten ein Machtspiel zwischen den Bahnorganisationen innerhalb der UIC. Beweisen lässt sich nichts von alledem. Dass die Herren der Holzquader jetzt wieder zu alter Harmonie zurückgefunden haben, überrascht erfahrene Praktiker nicht. Schließlich haben sie den Zankereien ohnehin keine große Bedeutung beigemessen. "Den Beteiligten aus Wirtschaft und Logistik war klar, dass zwei getrennte Pools mit getrennter Vorratshaltung, Buchung und so weiter in der Praxis keine Zukunft haben werden", meint Pia Hofmann von der Emons Spedition, Köln. Nur die streitenden Parteien, insbesondere die UIC, hätten dies nicht vorausgesehen. "Bedauerlich ist, dass diese Thematik etwa durch Versammlungen, Besprechungen und Meinungsbildung Kosten verursacht hat, die nicht notwendig gewesen wären", so Hofmann. Aus der Sicht der Pooling-Dienstleister sei das Modell "Zwei Stapel an der Rampe" ebenfalls nichts zukunftsfähig gewesen. "Alle hätten weiter getauscht - anders geht es auch gar nicht", sagt Paki-Chef Kühnhold. Dass die Nutzer Europaletten unterschiedlicher Herkunft trennen müssen, kommt übrigens nur selten vor. Einen ähnlichen Vorgang gab es zuletzt Anfang der Nullerjahre, als Ladungsträger der polnischen Eisenbahn (PKP) wegen mangelnder Qualität aus dem Pool verbannt wurden. Doch damals ging es um relativ geringe Stückzahlen. Das Palettengeschäft läuft dennoch Dem Geschäft der Hersteller hat das Scharmützel an der Spitze übrigens nicht geschadet. "Die Kunden interessiert die Qualität - und nicht, was für ein Brandzeichen auf der Palette ist", erklärt Ingo Mönke, Vorstandsvorsitzender des Paletten-Service Hamburg. Dass speziell nach dem UIC-Ladungsträger gefragt wurde, hat er in den letzten zwei Jahren nicht erlebt. Streiten sich zwei, freut sich der Dritte? Das scheint im Fall des Palettendisputs nicht zuzutreffen. Denn er hat den Konkurrenten überwiegend keinen wirtschaftlichen Vorteil gebracht. "Keine Auswirkungen" meldet zum Beispiel der Poolbetreiber LPR (La Palette Rouge) mit Sitz in Bornheim. Ähnlich äußert sich die blaue Konkurrenz von Chep aus Köln. Einen höheren Kundenzulauf habe es durch den Streit im weißen Pool nicht gegeben, so ein Sprecher. Allerdings seien verstärkt Firmen an Chep herangetreten, um sich beraten zu lassen. Einziger Nutznießer des Tauziehens ist - zumindest nach eigenen Angaben - die Falkenhahn AG, Hersteller der sogenannten World-Palette, die baugleich zur Europalette ist. "Wir sind zweistellig gewachsen, obwohl der Gesamtmarkt eher schrumpft", freut sich Chef Marcus Falkenhahn. Das Plus sei natürlich nicht nur auf den Zwist zurückzuführen, aber er habe dazu beigetragen "Barrieren im Kopf gegen die World-Palette" auszuräumen. Falkenhahn meint, dass das Tauziehen eher einen allgemeinen Trend beschleunigt habe: "Die Kunden suchen eine Palette nach DIN - welche Marke, ist ihnen egal." Das Kräfteverhältnis bleibt bestehen Das ist allerdings nur eine Ansicht. Die meisten Branchenkenner rechnen damit, dass die Machtverhältnisse auf dem Markt gleich bleiben. Die Epal baut ihre dominante Position vermutlich weiter aus, die Holzquader von den Bahnen werden dagegen weiterhin Seltenheitswert haben. "Der UIC fehlt eine operative Organisation, das ist eher eine Normierungsstelle", erklärt Paki-Chef Kühnhold. Er erwartet allerdings, dass sich die Ladungsträger mit dem UIC-Einbrand im linken Klotz halten werden - solange es keine Qualitätsprobleme gibt. Wäre es nicht vielleicht für die Streithähne klüger, das Kriegsbeil zu begraben und sich wieder komplett zusammenzuschließen? Vielleicht, doch Experten zählen nicht darauf. "Die Epal hat eine Chance vom Markt bekommen und wird sie nutzen - allein", meint Kühnhold. Also alles wieder auf Anfang? Es sieht danach aus. "In der 53-jährigen Geschichte der Europalette ist das nur eine kleine Episode", lacht Branchenveteran Mönke vom Paletten-Service Hamburg. Jetzt müsse man sich wieder um die Zukunftsthemen kümmern und die sind aus seiner Sicht nicht politisch, sondern ganz handfest: neue Palettentypen, Halbpalette und größere Formate.

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