Das Rein und Raus am Lagerhaus

Schnell sollen sie von der Hand gehen, die Abläufe am Hallentor. "Wenn bei der Be- und Entladung der LKW zwischendurch allerdings das Ladegerät gewechselt werden muss, kostet das viel Zeit und wir verdienen kein Geld mehr", sagt Daniel Jakus, Leiter der Leipziger Niederlassung der Emons Spedition. "Daher müssen bei der Investition in Flurförderzeuge die Einsatzzwecke exakt definiert und die Konsequenzen der jeweiligen Entscheidung genau durchdacht werden." Was selbstverständlich klingt, hat es in der Praxis in sich. Vier Geräte mit unterschiedlichen Ausstattungsmerkmalen kommen im üblichen Speditionsalltag zum Einsatz. Neben dem Handhubwagen (Niederhub) und dem Elektrodeichselstapler (Niederhub), beide in der Regel sogenannte Mitgängergeräte, bei denen der Bediener die Förderzeuge zieht oder schiebt, sind dies der Elektrohubwagen (Hochhub) und der klassische Stapler. "Bei mehr als 80 Prozent der Aufgaben setzen wir Elektro-Stapler ein", sagt Jakus. "Sie sind effizient und flexibel." Heben statt stapeln Ganz anders im Göttinger Umschlaglager der Zufall Logistics Group. Unter den 56 Flurförderzeugen sind kaum Stapler zu finden. 95 Prozent des Umschlags, in der Regel palettiertes Stückgut, erfolgen dort über die Hallentore - "weitgehend mit elektrischen Nieder- und Hochhubwagen", sagt Wolfgang Koch, Bereichsleiter Produktion des Logistikers. "Stapler übernehmen hauptsächlich die wenigen Ladeaufgaben mit Lang- und Schwergut, das überwiegend auf dem Hof umgeschlagen wird." Die Auswahl des richtigen Flurförderzeugs, das veranschaulichen die Aussagen der beiden Praktiker, ist abhängig von zahlreichen Aspekten wie den Aufgabenund Einsatzbereichen, der Artikelstruktur sowie unterschiedlichen Rahmenbedingungen - etwa der Qualifikation der Mitarbeiter. Denn "wenn die Geräte ein Mitfahren, sitzend oder stehend, ermöglichen, benötigen die Bediener einen Staplerführerschein und eine zusätzliche Geräteeinweisung", erläutert Patrick Ebert, Leiter Produktmarketing beim Stapler-Hersteller Linde Material Handling. Das betrifft sowohl die Stapler als auch jene Elektrohubwagen, die mit einer festen oder klappbaren Plattform ausgestattet sind. Als primäre Einsatzbereiche ordnen die Experten dem Handhubwagen einfache Transporteinsätze mit geringen Palettengewichten, niedrigen Betriebsstunden und auf möglichst ebenen Böden zu. Überdies sind Handhubwagen "das klassische Mitnahmegerät im Speditionsbetrieb", so Emons-Niederlassungsleiter Jakus. Mit ihnen rangieren die Fahrer in der Nahverkehrsverteilung die Paletten auf der Ladefläche und überführen sie in die Lagerhalle der Empfänger - sofern dies im Vertrag mit dem Frachtführer vereinbart ist (siehe Interview Seite 60). "Entscheidend für die Wahl des richtigen Mitnahmegerätes sind neben der Aufgabenverteilung und dem Artikelspektrum vor allem die Abmessungen und das Eigengewicht, damit Nutzlast und Ladevolumen des LKW nicht unnötig beeinträchtigt werden", resümiert Ebert. Mit dem Citi-Truck und dem Citi-One, leichten, elektrisch angetriebenen Handhubwagen, bieten Linde und Still ein Gerät an, das als Modellklasse zwischen Handhubwagen und elektrischem Deichselhubwagen die Nachteile des Handhubwagens, wie das Pumpen zum Anheben der Last oder mühevolles Verziehen über unebenem Boden, kompensiert. "Durch den elektrischen Fahrantrieb des Citi-Truck und sein spezielles Antriebsrad können die Fahrer mit dem Gerät Lasten auch über Bordsteine und Steigungen verfahren", so Ebert. Bis zu sieben Zentimeter hohe Hindernisse und bis zu acht Prozent Steigung überwinden die Geräte mit ihrem Vollgummirad. Die kompakte Bauweise mit 41 Zentimetern für den Gabelrücken steht den Abmessungen herkömmlicher Handhubwagen, im Jargon "Ameise", in nichts nach. Das Eigengewicht von knapp 100 Kilogramm liegt durch den Elektromotor um 25 Kilogramm höher als bei den Handhubwagen. Dennoch eignet sich das Gerät aber für die meisten Anwendungen als Mitnahmegerät. "Handhubwagen fungieren praktisch nur als Mitnahmegerät für die Nahverkehrsverteilung", urteilt Jakus. "Ansonsten sind sie für Umschlagarbeiten in Speditionen ungeeignet." Überall dort, wo im Speditionsalltag etwa 7,5-Tonner die Nahverkehrsverteilung übernehmen, deren Ladefläche nicht mit Staplern befahren werden kann, die aber aus der Halle be- oder entladen werden, sind Hubwagen unverzichtbar. Wenn dabei die Umschlagleistung gesteigert und das Personal entlastet werden soll, setzen die Anwender statt auf Handhub- gern auf Elektro-Deichselhubwagen. "Die Anlieferungsmengen und -intervalle sind dabei ausschlaggebend", sagt Jürgen Wrusch vom Hamburger Staplerbauer Still. "Viele Entladungen und kurze Verbringstrecken sprechen für ein Elektro-Deichselhubgerät. Bei mittleren Strecken von mehr als 30 bis 50 Metern sollte über Geräte mit Plattform nachdacht werden." Mit ihnen lassen sich die Paletten mit mehr als sechs Stundenkilometern im Lager verfahren. Ältere Geräte sind gefährlich Gegen die elektrischen Lagergeräte mit Fahrstand hat Praktiker Jakus allerdings Vorbehalte. "Die Plattform vergrößert den Wendekreis, sodass die Mitfahrgeräte in engen Regalgassen unpraktisch sind." Zudem, so der Niederlassungsleiter, würden ältere Geräte mit klappbarer Plattform die Beschädigungsquote an Lagereinrichtungen und Transportgut sowie die Verletzungsgefahr für Mitarbeiter steigern: "Die sind die gefährlichsten von allen. Das Gerät schwenkt bei Drehungen aus und stößt mit der Plattform an." Daher setzt Emons in Leipzig auf Mitlaufgeräte. Auch im Zufall-Umschlaglager Göttingen kommen für die Entladung und Verbringung auf die Zielrelationen in der 220 Meter langen Halle vor allem E-Hubwagen zum Einsatz - viele davon mit verlängerter, 2,40 Meter langer Gabel. "Damit können die Mitarbeiter in einem Arbeitsgang zwei Paletten laden und transportieren", so Koch. In vielen Fällen wird bei der Be- und Entladung die Palette auch gleich ins Regal gebracht. Solche kombinierten Strecken- und Einlagerungsaufgaben sind das klassische Einsatzgebiet für Elektro-Hochhubwagen und natürlich der Stapler. Aufgrund ihres langen Hubmastes lassen sich auch mit Hochhubwagen Regale in Höhen bis zu fünf Meter problemlos erreichen. Moderne Hochhubwagen heben Lasten von bis zu 3500 Kilogramm. Dabei sitzt der Bediener bei den gängigsten Modellen jedoch nicht, sondern läuft nebenher. Dies hat, wie bei den Elektroniederhubwagen, zur Folge, dass Geräte relativ kompakt und wendig sind und sich gut für eine Verbringung auch in schmalen Gängen und kleineren Lägern eignen. Gleichwohl sind Hochhubwagen auch als Mitfahrgeräte mit Plattform erhältlich. Ein wesentliches K.-o.-Kriterium bei der Frage nach dem Lagergerät oder einem Stapler: der Einsatzort. Die Hochhubwagen sind in der Regel mit kleinen Fahrrollen ausgestattet und eignen sich wenig für Einsätze auf holprigen Böden wie dem Hofgelände. Andererseits sind sie in der Doppelstock-Variante ein ideales Hilfsmittel bei der Be- und Entladung horizontal unterteilter Ladeflächen mit nicht-stapelbaren Waren. "Mit einem Arbeitsgang erfolgt der Zugriff auf zwei Paletten, eine auf der Ladefläche, die andere vom Ladebalken", sagt Zufall-Bereichsleiter Koch. Bei solchen Einsätzen gilt es allerdings, insbesondere den Lastschwerpunkt zu beachten. "Gegengewichtstapler, das macht ihre Bezeichnung bereits deutlich, bieten beim Heben von Paletten in größere Höhen mehr Sicherheit als Hochhubwagen", urteilt Still-Experte Wrusch. Beim Motorrad muss der Allrounder ran Der Stapler also. "Bei einem differenzierten Warenspektrum - wir verladen Euround Industriepaletten, Gitter- und Fahrzeugboxen, Motorräder, Schaltschränke und Industriegüter - ist die Flexibilität des Staplers nicht zu übertreffen", erklärt Emons-Niederlassungsleiter Jakus und verweist auf einen besonderen Nachteil der Lagergeräte gegenüber Staplern. "Bei einer Queraufnahme lassen sich die Ladehilfsmittel, abgesehen von der Gitterbox, wegen der Querhölzer der Paletten mit den Hubwagen nicht oder nur schwer unterfahren." Die Seitenentladung eines Aufliegers mit einem Hubwagen ist bei höheren Durchsätzen wirtschaftlich kaum möglich. Für die Staplerwahl ist die Gretchenfrage zunächst die nach der Antriebsart - Elektro- oder Verbrennungsmotor? "Zwar liegen die Einstiegsinvestitionen aufgrund der Anschaffung von Ladegerät und Ersatz-Akku höher als beim Diesel- oder Treibgasstapler, doch eine Beurteilung nach den Betriebskosten über längere Sicht spricht für den Elektro-Stapler", sagt Wrusch. Das belegt das Beispiel des Saftund Apfelweinherstellers Rapp's mit Sitz in Karben. Den Fuhrpark von sieben Staplern hat das Unternehmen schrittweise auf E-Stapler umgestellt. Das hat die Verbrauchskosten markant gesenkt. Nach Berechnungen von Rapp's kostet die Entladung eines LKW mit Diesel-Staplern den Safthersteller 3,66 Euro. Für Elektrostapler liegt der Wert bei 2,16 Euro. Damit spart das Unternehmen pro Jahr rund 12.000 Euro bei den Energiekosten ein. Verbrenner müssen draußen bleiben Nächstes Entscheidungskriterium ist der Einsatzort. Für den Hof darf es ein Verbrenner sein. Für Inneneinsätze ist der Dieselmotor wegen der Abgasemissionen ungeeignet. Wer einen Verbrenner für den Einsatz drinnen und draußen will, muss zum Treibgasstapler greifen. Effizienter ist das Antriebskonzept der E-Stapler oft auch im Einsatz. "Abgesehen von einem Hersteller muss bei den Verbrennungsstaplern immer die Bremse betätigt werden, wenn die Fahrer etwa zum Scannen aussteigen müssen, sonst rollt der Stapler weiter", sagt Jakus. "Ein E-Stapler muss nicht extra gebremst werden, der bleibt stehen, wenn er steht - auch auf Schrägen. Das spart viel Zeit." Drei oder vier Räder? Ebenfalls eine Frage des Einsatzortes: Außeneinsätze auf unebenen Böden sprechen für einen Vierrad-Stapler. "Er gleicht die Bodenunebenheiten aus und hält das Ladegut stabil auf den Gabeln", erklärt Wrusch. "Dort wo es auf Wendigkeit ankommt, sollte man auf Stapler mit Dreiradverhalten zurückgreifen." Das Argument der höheren Wendigkeit von Dreirad-Staplern verliert angesichts von zweimotorigen Frontantrieben mit Kombi-Lenkachse, mit der Vierradstapler inzwischen nahezu auf der Stelle wenden können, jedoch an Bedeutung. Solche Modelle hat beispielsweise Linde im Angebot. Auch in ihrer Kontur sind die Stapler herstellerseitig durchweg auf die Anforderungen beim Palettenumschlag ausgerichtet. "Für die Be- und Entladung mit Lagertechnikgeräten gilt standardmäßig eine Fahrzeugbreite von 800 Millimetern", unterstreicht Linde-Mann Ebert. Gleichwohl kennt Praktiker Jakus einige Stolpersteine: Einiges betrifft die Bauart, anderes die Sonderausstattung. Denn auch Stapler werden immer öfter als kundenspezifische Lösung mit individueller Ausstattung gekauft. Manche Hersteller produzieren gut ein Drittel der Fahrzeuge nach Kundenvorgaben. Vor der Kaufentscheidung und Konfiguration eines Staplers sollte der Einsatzort genau definiert und vermessen werden. Vor allem Hallendurchgänge könnten Stapler mit Duplex-Masten schnell ausbremsen, mahnt Jakus. Wenn die LKW-Ladefläche mit den Staplern befahren wird, sollte der Mast zudem nicht höher als 2,20 Meter gewählt werden und der Freihub, die Höhe, auf die die Gabel geliftet werden kann, ohne dass der Mast ausfährt, bei 1,60 Meter liegen. "Das ist für Spediteure entscheidend", sagt der Emons-Niederlassungsleiter. "Mit den Werten können beispielsweise Gitterboxen auf der Ladefläche gestapelt werden, ohne dass der Mast an die Decke des Aufliegers stößt." Aus gleichem Grund lässt man das Schlauchpaket für die Hydraulik nicht über den Mast und nicht zwischen, sondern hinter den Mastsäulen laufen. "Dann bleibt der Durchblick gewährleistet", begründet Jakus. Licht ins Dunkel bringen Bei der Ausstattung gelten Arbeitsscheinwerfer als optionales Extra. Gleichwohl halten Praktiker sie für unabdingbar, wenn 13,60 Meter lange, geschlossene Auflieger heckseitig be- und entladen werden sollen. "Da ist auf der vorderen Ladefläche sonst nichts zu erkennen", sagt Jakus. Wichtig: Die Scheinwerfer gehören nicht auf die Kabine, sondern in die Gehäusekontur. Ähnliche Argumente gelten für hell strahlende Rückfahrscheinwerfer, die überdies den Unfallschutz für die Mitarbeiter erhöhen. Bei der Entscheidung für das richtige Flurförderzeug zur Be- und Entladung, das zeigen Beispiele, geht es um weitaus mehr als um eine Investitionsentscheidung mit Differenzen im fünfstelligen Euro-Bereich. "Über die Art des Gerätes beziehungsweise der Flotte entscheiden unter anderem die geforderte Umschlagleistung sowie die innerbetrieblichen Prozesse und Einsatzzeiten, Einsatzort, Artikelspektrum, Gewicht und Hubhöhe", fasst Ebert zusammen. Es gibt keine Pauschallösungen. Besonderes Augenmerk sollten Entscheider auf die laufenden Betriebskosten und die Produktivität der Flurförderzeuge legen. Die reinen Anschaffungskosten haben mit zunehmender Dauer einen immer geringeren Anteil an den Gesamtkosten. Passende Praxislösung gesucht So plant die Spedition Benedikt Heine den Staplereinsatz Zum Jahreswechsel wird die Spedition Benedikt Heine zwei neue Umschlagläger in Betrieb nehmen und sucht dazu derzeit nach der optimalen Ausstattung mit Flurförderzeugen. "Wir rechnen zunächst mit einem Umschlag von rund 80 Paletten pro Tag im Wareneingang und planen die Anschaffung von fünf bis sieben Handhubwagen, zwei Deichselniederhub-Mitlaufgeräten und zwei Staplern", so Marc Brütting, Speditionsleiter bei Benedikt Heine. Die Handhub- und Deichselhubgeräte kommen - abhängig von den Produkten im Wareneingang - bei der Rampenentladung zum Einsatz; die Handhubwagen für Leichtgut, für schwerere Paletten die elektrischen Niederhubgeräte. Die Hofentladung ist grundsätzlich den Staplern vorbehalten. Für den Transport über längere Strecken im Lagerbereich setzt der Speditionsleiter, abhängig von Strecke und Gewicht der Paletten, Stapler oder Mitlaufgeräte ein. Da die Hofentladung weniger als 20 Prozent des Umschlags ausmacht, lohnen sich für diesen Einsatz verbrennungsmotorische Stapler nicht. Bei Elektrostaplern sind die Investitionskosten anfangs zwar höher, aber die Flexibilität bei den Einsatzbereichen und die laufenden Betriebskosten relativieren das schnell, so Brütting. rbb/sv