Adriahäfen

Adriahäfen Nicht nur Gondeln und Tourismus Venedig, Rijeka, Koper, Triest: Bei diesen Städten denken die meisten an Mittelmeer und Urlaub. Doch die Adriahäfen haben auch den Güterverkehr im Blick. So sollen die Containerschiffe von und nach Asien einen Abstecher bei ihnen machen. Roland Gartner wagte ein Experiment. Für einen Kunden in Wien schlug der Geschäftsführer der BAG Company Container-Ladungen aus China über Triest statt über Hamburg um. „Wir haben rund 500 Euro gespart“, hat der mittelständische Unternehmer ausgerechnet. Macht unterm Strich 1,5 Prozent weniger Transportkosten für die gesamte Route – das ist angesichts der immer wieder beschworenen Kostenreduktionen, welche Im- beziehungsweise Exporte über die Nordadria-Häfen bringen sollen, ein eher mageres Ergebnis. Gartner zufolge wird der preiswertere Transit durch den teureren Umschlag weitgehend neutralisiert. Tägliche Verkehre im Kombinierten Verkehr (KV) nach Wien gibt es nun einmal nicht. „In Hamburg zahle ich keinen Cent für den Vorlauf zum Schienenverkehr“, sagt er. „In Triest hingegen war ein dreistelliger Euro-Betrag fällig.“ Bleiben fünf bis sechs Tage weniger Transportzeit, welche der Weg über die Alpen bringt. Für BAG Company ist dieses Argument von nachgeordneter Bedeutung. Das Unternehmen importiert Einkaufstaschen für bekannte Markenhersteller – also völlig zeitunkritische Produkte. 2300 Seemeilen gespart Seit Jahrzehnten werben die Häfen Triest und Venedig um Kunden in Süddeutschland. Und zwar für Ladungen aller Art – also auch Container. In jüngster Zeit sind die Standorte Koper in Slowenien und Rijeka in Kroatien hinzugekommen. Für Verschiffungen über die Nordadria statt über die Nordsee führen sie vor allem geografische Gründe ins Feld. Wer Märkte im Nahen und Fernen Osten bedienen will, spart 2300 Meilen Seeweg über die Straße von Gibraltar. Hinzu kommen kürzere Transitwege. Von München aus sind Triest und Koper 500 Kilometer, Rijeka 520 Kilometer und Venedig knapp 550 Kilometer entfernt. Das ist deutlich weniger als zu den Nordseehäfen Hamburg und Bremerhaven (780 Kilometer) oder gar Rotterdam (850 Kilometer). Die vier Nordadria-Häfen, die 2009 die Kooperation North Adriatic Port Association (Napa) gegründet haben, werben mit unterschiedlichen Stärken. Triest gilt von jeher als Hochburg für Massengüter aller Art, Rijeka konzentriert sich zusätzlich auf den Umschlag von Holz, Koper hat sich auf Autos und Lebensmittel spezialisiert und Venedig überzeugt mit Roro-Verladungen. Durch diese Positionierungen konnten auch deutsche Kunden überzeugt werden. So verschifft BMW im Triester Vororthafen Monfalcone jährlich knapp 4000 PKW für Griechenland, Israel und Zypern. VW nutzt das benachbarte Koper für Ausfuhren in den Nahen Osten. Zu den ältesten Auslandskunden dieses Hafens zählt DHL Food Services. Der Lebensmittellogistikdienstleister konsolidiert hier Teilladungen mittel- und osteuropäischer Kunden für den asiatischen Markt. Investitionen in Containerlogistik Für den Vorlauf nutzen diese Auftraggeber überwiegend LKW-Rundläufe – jeder Hafen hat einwandfreie Autobahnanbindungen. So liefern die Autologistikunternehmen Frikus und BLG BMW-Fahrzeuge nach Monfalcone und transportieren auf dem Rückweg Import-PKW aus Fernost. Die Napa-Standorte haben während der letzten Jahre massiv in Containerlogistik investiert und schlagen jährlich über zwei Millionen TEU (Twenty Foot Equivalent Unit) um. Damit nicht genug: Der Hafen Venedig möchte wenigstens 55 Hektar einer brach liegenden Industriefläche zum Containerterminal ausbauen. „Wir suchen internationale Investoren mit Geschäftsbeziehungen nach Asien“, positioniert Hafenchef Paolo Costa diesen Standort bereits heute für den globalen Warenverkehr. Das ist wohl auch eine Antwort auf den ewigen Konkurrenten Triest, der ebenfalls verstärkt in den Asientransit investiert. Seit Mitte 2012 bietet die Reederei Evergreen Marine Direktverkehre nach Asien an. Mit dem Trieste Marine Terminal hat dieser Nordadria-Hafen auch gegenüber dem Nachbarn Koper, der im Containerverkehr mit einem Jahresumschlag von 750.000 TEU die Nase klar vorn hat, einen wichtigen Trumpf in der Hand. Als einziges Nordadria-Terminal bietet die Anlage des Operateurs T.O. Delta intermodale Services an. Genau die sind für leistungsfähige Container-Hinterlandverkehre auf der Schiene wichtig. „Jeder Verlader wünscht Dienstleistungen aus einer Hand, die Vor- und Nachläufe für Direktverkehre bündeln“, schildert Gartner das Problem: Wenn die Napa-Häfen süddeutsche Kunden dauerhaft anwerben wollen, müssen sie genauso leistungsfähige KV-Angebote wie die Nordseehäfen entwickeln. Jeden Werktag starten dort KV-Züge nach München, Nürnberg, Stuttgart und weiteren süddeutschen Terminals. Von solchen Angeboten sind die Nord-adria-Häfen weit entfernt. Allein Triest kann direkte Linienverkehre nach Deutschland anbieten: Abhängig vom TEU-Aufkommen verkehrt der Bavaria Express von T.O. Delta und Rail Cargo Austria (RCA) drei bis fünf Mal in der Woche nach München. Einen wöchentlichen Rundlauf gibt es nach Giengen/Brenz zum Terminal von Bosch Siemens Hausgeräte (BSH). Der Weiße-Ware-Hersteller nutzt das Angebot für Importverkehre aus der Türkei und Exportverkehre nach Israel. Für manche deutsche Kunden ist auch die Verbindung der Rollenden Landstraße von RCA-Tochter Ökombi nach Salzburg interessant. Jeden Tag starten in Triest drei Rundläufe. Veraltete Schienenanbindung Im Gegensatz zu Triest sind Venedig und Koper nur über Stopps in Verona und Ljubljana zu erreichen. Während in der norditalienischen Großstadt täglich mehrere KV-Züge zu nord- und süddeutschen Terminals starten, gibt es von der slowenischen Hauptstadt aus wöchentlich lediglich zwei Linienverkehre der Kombiverkehr KG nach München. Zu allem Überfluss erschweren Infrastrukturprobleme den Schienenverkehr. Vor Koper müssen die letzten Kilometer auf einem einspurigen, serpentinenreichen Teilstück bewältigt werden. Seit Jahren will Slowenien diesen Abschnitt durch eine völlig neue Strecke ersetzen. Für eine derartige Investition fehlt dem hoch verschuldeten Adria-Staat gegenwärtig das Geld. Vor noch größeren Herausforderungen steht Rijeka. Mit dem europäischen Schienennetz ist dieser Hafen über eine größtenteils einspurige und nicht elektrifizierte Trasse nach Zagreb verbunden. Von hochfliegenden Plänen für einen völligen Neubau dieser 160 Kilometer langen Strecke hat sich die kroatische Regierung mittlerweile verabschiedet. Jetzt soll der besonders gebirgige Teil auf der ersten Streckenhälfte mit EU-Mitteln lediglich abschnittsweise zweispurig ausgebaut und mit zusätzlichen Tunneln modernisiert werden. Häfen müssen an einem Strang ziehen Trotz dieser Engpässe drängt mancher Logistiker gerade jetzt auf den großen Durchbruch für KV-Hinterlandverkehre. „Der Markt ist einfach reif für eine überzeugende Lösung“, sagt Karl Fischer, Leiter des Logistikkompetenzzentrums (LKZ) Prien. Fischer schlägt die Weiterentwicklung des 120 Kilometer nördlich gelegenen Güterbahnhofs Villach-Fürnitz zum Dryport vor. Hier sollen aus unterschiedlichen KV-Verkehren regelmäßige Shuttle-Verbindungen zu den einzelnen Napa-Standorten gebildet werden. „Das ermöglicht 24-Stunden-Verbindungen nach Nah- und Fernost – egal über welchen Hafen“, ist Fischer überzeugt. Voraussetzung hierfür ist natürlich, dass die Häfen an einem Strang ziehen. Das aber scheint durch den Napa-Zusammenschluss gewährleistet zu sein. ❙❚■ Stefan Bottler, freier Journalist Das Manko der Adriahäfen: Die Hinterlandanbindungen per Bahn sind zu selten und zu teuer Direkte Linienzüge im KV nach Deutschland bietet einzig der Hafen Triest Die Einrichtung eines Drehkreuzes in Villach könnte die Bahn- anbindung aller Häfen verbessern Die vier Adria-häfen im Vergleich Hafen Koper Rijeka Triest Venedig Fläche 2,8 Mio. qm 1,5 Mio. qm 2,3 Mio. qm 2,2 Mio. qm Lagerflächen 976.000 qm 335.000 qm 925.000 qm k.A. Max. Wassertiefe 18 Meter 28 Meter 18 Meter 14 Meter Terminals 10 9 20 26 Frachtaufkommen* 17,9 Millionen Tonnen 9,4 Millionen Tonnen 18 Millionen Tonnen 25,3 Millionen Tonnen Umschlag in TEU* 750.000 200.000 400.000 430.000 *2012, bis auf Rijeka: hier Zahlen für 2011 Quelle: Napa

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