Drei BGL-Mitgliedsbetriebe klagen gegen die Mauterhöhung von 2009. Was ist aus BGL-Sicht nicht rechtskonform gewesen?
Es geht darum, was man laut EU-Wegekostenrichtlinie unter Wegekosten versteht. Die Bundesregierung orientiert sich bei der Erhebung der LKW-Maut an einer sogenannten volkswirtschaftlichen Rechnung, die Kosten definiert, die niemals Ausgaben werden. So wird die Infrastruktur zu Neubaupreisen und den modernsten Baustandards bewertet, obwohl Brücken und Straßen in teils erbärmlichem Zustand sind. Die Unternehmen fahren über eine Infrastruktur, die diesen Standard nicht hat, sollen aber für First-Class bezahlen. Künstlich aufgeblähtes Kapital, das nie investiert wurde, wird abgeschrieben und auch noch überhöht verzinst. Zweifel sind berechtigt, ob diese Rechnung dem Europarecht genügt.
Welches Ausmaß hat die nach Ihrer Ansicht überzogene Berechnungsmethodik?
Laut früheren Schätzungen des Deutschen Instituts für Wirtschaft (DIW) dürfte dies zu einer Verdoppelung der Kapitalbindung geführt haben. Hinzu kommt, dass bei der letzten Wegekostenrechnung ein Zinssatz von 5,5 Prozent angesetzt wurde. Im Augenblick zahlt der Staat etwa 1,4 Prozent Zinsen. Mehr als 3,0 Prozent wären schon für die angefochtene Wegekostenrechnung 2009 bis 2013 zu viel gewesen. Da die Zinskosten bei der alten Wegekostenrechnung 52 Prozent ausgemacht haben, stehen also für rund 25 Prozent der Wegekosten, die per Maut bezahlt wurden, keine Zinsausgaben beim Staat gegenüber.
Berücksichtigt man dann noch die höhere Kapitalbasis und die Abschreibungen, dann ist die derzeitige LKW-Maut also zwischen 25 und 50 Prozent zu hoch?
Bis 50 Prozent würde ich nicht gehen. Aber 25 Prozent sind sicher die Untergrenze der Gesamtkosten, die als rein fiktive Kosten verrechnet wurden, denen niemals Ausgaben gegenüberstehen.
Wenn der BGL Recht erhält, muss die Bundesregierung dann die zu viel gezahlte LKW-Maut den Transportunternehmen zurückzahlen?
Es geht um eine weitaus wichtigere Frage als die Rückzahlung von Maut. Die entscheidende Frage ist, in welcher Höhe wird das Gewerbe zukünftig belastet. Wir wollen wissen, wo nach Meinung der Gerichte der obere Rahmen für eine LKW-Maut liegt. Und wir wollen, dass Abgaben fair berechnet und zweckgebunden in die jeweilige Infrastruktur fließen, für die sie erhoben wurden. Ein Beispiel: Die Bodewig-Kommission hat errechnet, dass die Ausweitung der LKW-Maut zwischen 2,5 und 4 Milliarden Euro bis 2018 bringen kann. Für 2018 stehen jedoch in der mittelfristigen Finanzplanung für den Verkehrshaushalt nur 190 Millionen Euro mehr als heute. Das ist die für die Zukunft entscheidende Frage: Kann man beliebig an der Mautschraube drehen, ohne dass das Geld nachher in der Straßeninfrastruktur landet?
Was wird denn am 30. September bei der Gerichtsverhandlung in Köln passieren?
Es wird eine mündliche Verhandlung geben. Dann wird man sehen, ob das Gericht eine Entscheidung noch am selben Tag fällt oder ob es einen Verkündungstermin gibt, bei dem das Gericht das Ergebnis seiner Entscheidung mitteilt. Beides ist denkbar. Es könnte auch sein, dass das Gericht zur Beantwortung bestimmter Fragen den Europäischen Gerichtshof (EuGH) bemüht, bevor dann weiterverhandelt wird. Möglich ist aber auch, dass noch höhere Gerichtsinstanzen angerufen werden und es noch mehrere Jahre dauert, bis ein rechtskräftiges Urteil vorliegt.
Das Interview führte VR-Redakteur Michael Cordes
Hintergrund: BGL Klage gegen die LKW-Maut
Stellvertretend für den Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) haben BGL-Mitgliedsunternehmen Klage beim Verwaltungsgericht in Köln gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen der LKW-Mauterhöhung 2009 erhoben. Aus verschiedenen Gründen hatte das Gericht eine Verhandlung immer wieder vertagt. Am kommenden Dienstag (30. September) hat das Gericht nun zu einer Verhandlung geladen. (cd)