Brüssel/München. Nachdem sich die EU-Kommission und die an dem Lkw-Kartell beteiligten Hersteller - ausgenommen Scania - diese Woche auf einen Vergleich geeinigt haben, ist nun Organisationstalent und Schnelligkeit gefragt. Wer Schadenersatzansprüche geltend machen will, muss zunächst die Kauf- und Leasingverträge der Jahre 1997 bis 2011 zusammensuchen und eine Übersicht erstellen, wann und zu welchen Preisen er Fahrzeuge von den Herstellern gekauft hat. Auf Grundlage dieser Daten können Fachanwälte bewerten, ob ein Rechtsstreit sinnvoll ist und bei Bedarf Prozesskostenfinanzier und rechtzeitig einen erfahrenen Gutachter vermitteln, bevor dieser anderweitig beschäftigt ist.
Ein wettbewerbsökonomisches Gutachten ist notwendig, um basierend auf den Feststellungen der EU-Kommission den Umfang ihrer Betroffenheit ermitteln. Die Rechtanwaltskanzlei Rössner in München geht davon aus, dass das Lkw-Kartell im Durchschnitt zu Preisüberhöhungen zwischen 10 und 20 Prozent geführt hat. Weil es sich um ein europaweites Kartell handelt, schätzen einige Juristen, dass es schwierig wird, Vergleichsmärkte zu definieren, um die Preisüberhöhungen nachzuweisen. Immerhin können betroffenen Spediteure, Transporteure und Verlader mit Lkw-Flotte aber Einsicht in die Akten der EU-Wettbewerbshüter nehmen und nach Anhaltspunkten suchen. Am besten überlässt man auch dies den Experten. Zusammen mit dem Rechtsbeistand kann ein Gutachten mehrere Zehntausend Euro kosten. Das sollte Geschädigten vorab klar sein.
Zunächst außergerichtliche Einigung anstreben
Zunächst sollten die Betroffenen versuchen, über einen außergerichtlichen Vergleich mit den Lkw-Herstellern ihre Schäden ersetzt zu erhalten. Die Kartellanten haften gesamtschuldnerisch – wer im Kartellzeitraum Fahrzeuge des straffrei ausgegangenen Kronzeugen MAN gekauft oder geleast, kann sich mit seiner Forderung also auch an Daimler, Iveco, DAF oder Volvo/Renault wenden. Zahlen die Hersteller nicht freiwillig zahlen, können die Betroffenen ihre Ansprüche einklagen. Die Gerichte sind dabei an den EU-Bußgeldbescheid gebunden. Der Schwerpunkt der kartellrechtlichen Auseinandersetzung liegt also in der Feststellung der jeweiligen Schadenshöhe. Deshalb ist das erwähnte Gutachten wichtig.
Solange die Kartellermittlungen der EU-Kommission andauerten, war die Verjährung möglicher Schadenersatzansprüche nach deutschem Recht gehemmt. Diese Hemmung endet nun sechs Monate nachdem der Bußgeldbescheid bestandskräftig wird – laut der Kanzlei Rössner voraussichtlich zum 19. Januar 2017. Rund weitere elf Monate danach trete hinsichtlich der 1997 bis 2001 erlittenen Schäden nach deutschem Recht die Verjährung ein. Mit Blick auf die erforderliche Begutachtung der Schadenhöhe sei dies nicht viel Zeit, betont der Fachanwalt Janos Morlin von der Kanzlei Rössner. (ag)
Download: Die Kanzlei Rössner hat für betroffene Unternehmen ein Übersicht der wichtigsten Fragen und Antworten (FAQ) zum Thema erstellt. Die PDF-Datei können Sie unter "Studien + Dokumente" herunterladen.