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Krankheit bei Kündigung: Verdacht allein reicht nicht, um Lohn zu verweigern

16.06.2023 15:17 Uhr | Lesezeit: 2 min
Ein Stethoskop liegt auf mehreren noch unausgefüllten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen
Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hat vor Gericht eine hohen Wert als Beweis darüber, dass ein Arbeitnehmer tatsächlich krank war. Aber es gibt auch Ausnahmen (Symbolbild)
© Foto: picture alliance / Zoonar | stockfotos-mg

Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hat sich mit der Frage beschäftigt, ab wann ein Arbeitgeber, der seinem Mitarbeiter gekündigt hat, im Falle einer Krankschreibung den Lohn verweigern kann.

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Fallen Krankschreibung und Kündigung mehr oder weniger zusammen und ist der Arbeitnehmer bis zum Ende der Kündigungsfrist erkrankt, darf der Arbeitgeber nicht in jedem Fall davon ausgehen, dass die Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht ist und ihm deshalb keinen Lohn fortzahlen – so ein Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Niedersachsen.

Zeitlicher Zusammenhang zwischen AU und Kündigung?

Entscheidend seien laut Gericht verschiedene Faktoren, da die Gerichte den Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) zum Nachweis einer Krankheit als hoch einstufen. Hat der Arbeitnehmer selbst gekündigt und fallen Kündigung und Krankschreibung „passgenau“ bis zum Ende der Kündigungsfrist zusammen, dann könne man davon ausgehen, dass der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeit erschüttert sein kann.

Das bedeutet, der Verdacht, dass die Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht sein könnte, wäre damit erhärtet und es kann rechtens sein, dass das Unternehmen den Lohn, beziehungsweise die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, verweigert.

Durchgängig krankgeschrieben?

Wenn eine mehr als zweiwöchige Kündigungsfrist besteht, könnten nach Ansicht des LAG auch mehrere lückenlos aufeinanderfolgende Krankschreibungen in solch einem Fall den Beweiswert erschüttern (also selbst gekündigt und zeitgleich arbeitsunfähig gemeldet sowie AU deckt Zeitraum bis zum Ende der Kündigungsfrist ab).

Wenn weitere Faktoren dazu kommen, sehen die Richter ähnliche Voraussetzungen in dem Fall, dass der Arbeitgeber kündigt und sich der Arbeitnehmer postwendend nach Erhalt der Kündigung krankmeldet.

Das LAG bezieht sich dabei auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) aus dem Jahr 2021 (Aktenzeichen 5 AZR 149/21). Hier hatte ein Mitarbeitender gekündigt, sich zeitgleich krankgemeldet und eine einzige Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt, die vom Tag der Kündigung genau bis zum Ende der Kündigungsfrist ging. Das BAG urteilte, dass der Beweiswert der AU aufgrund der zeitlichen Koinzidenz erschüttert sei.

Der Fall: Erst AU eingereicht, dann Kündigung erhalten

Allerdings war die Sachlage in dem dem LAG vorliegenden Fall etwas anders, weshalb die Richter auch zu einem anderen Urteil kommen. Hier reichte der Mitarbeitende genau an dem Tag eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung über fünf Tage beim Unternehmen ein, an dem dieses die Kündigung rausschickte.

Erhalten hatte der Mitarbeiter die Kündigung am folgenden Tag, also einen Tag nach seiner Krankmeldung. Es folgten Folgebescheinigungen, so dass der Angestellte bis zum Ende der Kündigungsfrist krankgeschrieben war.

Der Mitarbeitende sei nicht erst durch die Kündigung dazu motiviert worden einen Arzt aufzusuchen, so die Richter. Damit war eine zeitliche Übereinstimmung, ein zeitlicher Zusammenhang nicht mehr gegeben – das aus ihrer Sicht wichtigste Merkmal, das den Beweiswert einer AU erschüttern könnte.

Unternehmen muss Entgelt nachzahlen

Die übrigen Umstände würden nicht ausreichen für einen Zweifel an der wirklichen Arbeitsunfähigkeit. Es reiche auch nicht aus, dass der Mitarbeiter einen Tag nach Ende des Arbeitsverhältnisses wieder gesund war und bei einem anderen Unternehmen seine Arbeit aufnehmen konnte. Daher habe das Unternehmen das Entgelt für den Zeitraum bis zur Kündigungsfrist fortzuzahlen, so das Urteil.

Revision zugelassen

Allerdings hat das LAG eine Revision beim BAG zugelassen. Das Urteil des BAG von 2021 kläre nicht, unter welchen Umständen der Beweiswert einer AU erschüttert sei. Dies sei aber "entscheidungserheblich".

(Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 8. März 2023, Aktenzeichen 8 Sa 859/22)

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