Berlin. Bei der Aufarbeitung des Debakels um die gescheiterte Pkw-Maut kommt Bewegung in den Streit um einen von der Opposition geforderten unabhängigen Ermittlungsbeauftragten. Dieser könnte das Abgeordneten-Postfach von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) nach entscheidender Kommunikation durchsehen, um zu verhindern, dass Scheuer wichtige Informationen zur Aufklärung zurückhält. Prinzipiell sei das Einsetzen eines Ermittlungsbeauftragten möglich, sagte der Ausschussvorsitzende Udo Schiefner (SPD) der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag unter Verweis auf ein Gutachten. Die Opposition will nun den Druck auf Scheuer erhöhen.
Schiefner sagte, ein Ermittlungsbeauftragter verfüge allerdings über keinerlei Zwangsmaßnahmen, um etwa die Herausgabe von E-Mails zu erzwingen. „Anfang September werden wir im Untersuchungsausschuss darüber beraten, wie wir in der Sache weiter vorgehen.“ FDP, Linke und Grüne hatten gefordert, einen unabhängigen Ermittlungsbeauftragten einzusetzen. Scheuer hatte das unter Verweis auf rechtliche Bedenken abgelehnt.
Scheuer darf selber entscheiden, welche E-Mails er herausgibt
Ein Ermittlungsbeauftragter wäre auf die Kooperation des Ministers angewiesen. „Andreas Scheuer entscheidet, welche E-Mails er herausgibt.“ Laut Gutachter sei es außerdem nicht möglich, den Provider des E-Mail-Kontos zur Herausgabe von E-Mails zu zwingen.
Der FDP-Obmann im Untersuchungsausschuss, Christian Jung, sagte der dpa: „Die Arbeit des Untersuchungsausschusses darf nicht weiter behindert werden.“ Scheuer und die CSU sollten nun einem unabhängigen Ermittlungsbeauftragten die Möglichkeit geben, die relevanten E-Mails aus dem Account des Ministers anzusehen. In diesem Zusammenhang sollte Scheuer auch seine dienstliche Kommunikation zur Pkw-Maut offenlegen, die zusätzlich über einen oder mehrere private Mailaccounts liefen.
Grünen-Politiker Kühn: „Schwarzes Loch“ in den Akten
Der Obmann der Grünen, Stephan Kühn, erklärte, die schriftliche Behauptung des Ministers, er habe auch seine privaten Kommunikationsmittel geprüft und alle dienstlichen Vorgänge im Zusammenhang mit der gescheiterten Pkw-Maut seien zu den Akten gegeben, könne nicht stimmen. „Wir wissen aus den Akten, dass gerade im besonders kritischen Zeitraum Ende 2018, also der fatalen Unterschrift unter die teuren Verträge, mindestens eine Mail an seinen privaten Account ging. In den Akten herrscht hier aber ein schwarzes Loch, in das wir nun dringend Licht bringen müssen.“
FDP, Grüne und Linke wollen Auskunft von Scheuer über seine Mailadressen und verlangen Mails, die sich auf die Maut beziehen. „Wir fordern rückhaltlose Aufklärung seiner Ministertätigkeit“, sagte der Obmann der Linksfraktion im Ausschuss, Jörg Cezanne.
Vorgesehene Betreiber fordern Schadenersatz von 560 Millionen Euro
Der Untersuchungsausschuss arbeitet die Vorgänge rund um die gescheiterte Pkw-Maut auf. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte die bereits gesetzlich besiegelte Pkw-Maut im Juni 2019 als rechtswidrig gestoppt. Scheuer steht stark unter Druck, weil er die Verträge zur Kontrolle und Erhebung der Maut noch Ende 2018 abgeschlossen hatte, bevor Rechtssicherheit bestand. Die eigentlich vorgesehenen Betreiber fordern Schadenersatz von 560 Millionen Euro, nachdem der Bund die Verträge direkt nach dem Urteil gekündigt hatte.
Scheuer weist die Forderungen der Unternehmen und Vorwürfe der Opposition zurück. Im Streit mit den Betreibern Kapsch und CTS Eventim hat ein Schiedsverfahren begonnen. (dpa/sn)