Brüssel. Werden Lang-LKW bald Grenzen überfahren dürfen? Muss die Deutsche Bahn ihre Holding-Struktur neu gestalten? Wie sollen Europas Seehäfen künftig organisiert sein? Schon seit Monaten liegen Gesetzesvorschläge zu zukunftsweisenden Themen der EU-Verkehrspolitik vor. Doch der Streit um richtige Antworten droht noch lange weiter zu gehen. Noch länger als gewöhnlich. Denn im Mai stehen Wahlen zum Europaparlament an. Das wird die EU-Gesetzgebung lähmen. Was bis zum April nicht beschlossen ist, hat wohl erst gegen Ende des Jahres wieder eine Chance.
Kritik aus der Industrie
Glücklich ist darüber keiner. Allen voran die Industrie. Ohne namentlich genannt werden zu wollen, haben führende Vertreter der deutschen Verkehrsbranche gegenüber der VR den anstehenden Gesetzesstau bei der EU kritisiert. Eine EU, die nichts entscheidet, bringe Europa nicht voran. Zumal es mit den Wahlen zum Europaparlament nicht getan ist. Danach, in der zweiten Jahreshälfte, wird die neue EU-Kommission eingesetzt und offiziell gewählt. Vor 2015 wird sie ihre Arbeit nicht aufnehmen. Die meisten der mehreren zehntausend Beamten, die für die Kommission arbeiten, werden ihre Stellen zwar behalten. Doch neue Kommissare wollen oft auch neue Mitarbeiter in führenden Positionen. Auch die Kommission wird deshalb bis Ende des Jahres nur wenige neue Gesetzesvorschläge auf den Weg bringen.
Unzufrieden sind auch die EU-Abgeordneten selbst. „Verzögerungen dienen weder Europa noch den Bürgern", sagt Mathieu Grosch, verkehrspolitischer Sprecher der bürgerlichen EVP-Fraktion mit den CDU- und CSU-Abgeordneten. Seine Kollegin Gesine Meißner (FDP) sieht das für die Liberalen genauso. Sie listet auf: Infrastruktur für alternative Kraftstoffe, Schiffsausrüstung, maritime Raumordnung, Fluglärm aus dem Flughafenpaket. Für diese Themen sollen mit dem Rat Verhandlungen über eine Einigung im Januar beginnen. Sollte es schnell Ergebnisse geben, könnten die Gesetze noch vor den Wahlen im Mai verabschiedet werden.
Viele Vorschläge zu spät veröffentlicht
Für die neuen LKW-Maße und -Gewichte mit den umstrittenen Plänen für die Lang-LKW, für die jüngsten Vorschläge zum Einheitlichen Europäischen Flugraum, die Hafendienste und das neue Naiades-Programm für die Binnenschifffahrt allerdings werde es nicht reichen. Hier habe, so Meißner, die Kommission ihre Vorschläge viel zu spät veröffentlicht. Zumal vieles darin sehr umstritten sei. Das Parlament werde zwar versuchen, seinen Standpunkt zu finden. Aber ohne die Minister kann kein Gesetz verabschiedet werden. Deren langsames Arbeiten hatten Meißner, Grosch und ihre Kollegen erst vor Kurzem öffentlich kritisiert. Doch solche Kritik prallt gewöhnlich an den EU-Verkehrsministern ab. Die anstehenden Europawahlen werden das nicht ändern. (kw)