Stockholm. Mit zwei seriennahen Studien hat Mercedes-Benz seinen ersten Pick-up des Midsize-Segments präsentiert, das vor allem in Europa, Australien, Südamerika, Südafrika und Russland populär ist. Zwar prognostizieren Daimlers Marktforschungen dem gesamten Pick-up-Segment weltweit ein Wachstum von 39 Prozent bis 2025, allerdings wird das vor allem von Asien aus getrieben, was Daimler nicht als Hauptmarkt für den ersten Pick-up eines Premium-Herstellers ausgemacht hat. A propos Asien: Die Nissan-Kollegen in Asien stellen übrigens die Basis für die neue X-Klasse, die Ende 2017 auf den europäischen Markt kommen soll. Da stellt sich nach dem etwas sparsam vom Renault Kangoo zum Mercedes Citan umgestrickten Stadtlieferwagen natürlich gleich die Frage: Wie viel Mercedes steckt in der X-Klasse?
Antwort: Genug! Denn beim großen V6-Diesel, der auch im GLE Dienst tut, stammt lediglich der Leiterrahmen, der Rohbau und der Fertigungsstandort in Barcelona von Nissan. Der komplette Antriebsstrang samt Permanent-Allrad, eigener Fünflenker-Hinterachse, alle Außenbleche und fast das komplette Interior entstanden komplett bei Daimler, womit die Schwaben GLE-Feeling ins Pickup-Segment bringen. Mit den 258 PS und 620 Newtonmetern sollte auch immer genug Leistung und Kraft für die bis zu 1,1 Tonnen Nutz- und maximal 3,5 Tonnen Anhängelast geboten sein. Die Innenausstattung der Studien ist komplett Mercedes und man darf davon ausgehen, das Echtleder, Chrom und vielleicht sogar Echtholz für Premiumambiente sorgen werden. Die Daimler-eigene Hinterachse haben auch die Vierzylinder, die die 2,3-Liter-Motoren und Allradsystem allerdings komplett von Renault-Nissan übernehmen. Heißt: 163 oder 190 PS und immer noch 403 oder 450 Newtonmeter Drehmoment. Positiver Nebeneffekt: Zur Erhöhung der Traktion bietet die X-Klasse ganz traditionelle Zutaten wie eine Mittel- und Quersperre hinten sowie eine Untersetzung, um das Drehmoment am Rad zusätzlich zu erhöhen. Übernommen wurde auch die klassische Handbremse, neben der allerdings der typische Daimler-Kontroller sitzt, mit dem sich auch die zentrale Screen steuern lässt. Außerdem packt Mercedes-Benz natürlich etliche Assistenzsysteme in die X-Klasse und möchte hier gegenüber dem Wettbewerb ebenfalls noch ein Schäufelchen drauflegen.
Ob die X-Klasse über das Pkw- oder Lkw-Netz oder wie V-Klasse oder Vito über beide Netze vertrieben wird, steht noch nicht endgültig fest. Die Preise dürften dort starten, wo die Navara- und Renault Alaskan-Tarife enden, dass später noch preisgünstige Worker-Versionen nachgeschoben werden, ist durchaus denkbar.
Erobern möchte man nicht nur Konkurrenzkunden, sondern auch SUV- oder gar Pkw-Fahrer. Daimler-intern hat das schon geklappt: Der am Projekt beteiligte Designer Bertrand Jansen war von ersten Tests mit dem fertigen Auto so angetan, dass er seine C-Klasse wohl künftig gegen die X-Klasse tauschen wird. Und selbst wenn man über den Sinn und Unsinn dieser Fahrzeuggattung in den engen Städten Zentraleuropas streiten kann: Dem subjektiven Freiheitsgefühl eines Pickups können sich selbst Daimler-Vorstand Dieter Zetsche und Van-Vorstand Volker Mornhinweg nicht entziehen und waren sich einig: „Einen Pickup zu fahren, ist einfach cool.“ Wenn das auch einige Kunden einer Sprinter-Doka mit Pritsche so sehen, sollte die X-Klasse ihren Weg im Segment machen. (gs)