München. Die dunklen Wolken am Konjunkturhimmel sehen alle Lastwagenbauer. Darüber, wie heftig das heraufziehende Unwetter MAN, Scania, Daimler oder Volvo treffen wird, sind die Konzerne aber uneins. Sicher scheint: es wird wohl deutlich ungemütlicher werden als in den letzten Monaten. Denn die Branche gilt als gutes Barometer für die Wirtschaftsentwicklung, weil etwa Speditionen sich ihre Investitionen in die meist recht teuren LKW gut überlegen.
Denn die Transportfirmen merken Veränderungen unmittelbar - im Abschwung werden weniger Waren und Güter transportiert. Volvo rechnet im kommenden Jahr deswegen mit einem schrumpfenden Markt, Scania verkneift sich zu viel Zuversicht. MAN immerhin verbreitet noch Optimismus - hat aber dank des Geschäfts mit großen Dieselmotoren und der Getriebetochter Renk auch noch andere Standbeine.
Dabei ist es nicht lange her, da meldeten die LKW-Hersteller wie die Kollegen von den Autobauern glänzende Zahlen. Doch die Atempause war nur kurz, die ihnen das schnelle Aufblühen der Weltwirtschaft nach der tiefen Krise 2008/09 gewährte. Mitten im ersehnten Erholungsschub und noch weit von früheren Höchstständen entfernt, drücken nun Schuldenkrise, Turbulenzen auf den Finanzmärkten und gedämpfte Konjunkturerwartungen auf die Stimmung. Aus „einigen Wolken am blauen Himmel", die Daimler-Chef Dieter Zetsche im Juni ausmachte, hat sich ein Tiefdruckgebiet entwickelt. Die Schere zwischen der aktuellen Lage und den unsicheren Aussichten klappt weiter auf.
Die VW-Tochter Scania trat Mitte Oktober auf die Bremse. Die Nachfrage habe sich in Europa, aber auch im Nahen Osten abgeschwächt, stellten die Schweden fest. Um zu verhindern, dass Neufahrzeuge auf den Höfen landen, werde die europäische Produktion ab November zurückgefahren. Volvo will ab 2012 weniger produzieren. Auch MAN hat schon einzelne Schichten abgesagt, bleibt aber zuversichtlich. „Die Aussichten bleiben grundsätzlich gut", meint Vorstandschef Georg Pachta-Reyhofen. Doch auch er sieht schlechtere Zeiten kommen. „Auf mittlere Sicht werden wir mit einer gewissen Verunsicherung und abflauenden Wachstumsraten zurechtkommen müssen."
Die ersten, die damit zurechtkommen müssten, werden wohl Leiharbeiter sein. Wenn die Geschäfte nicht laufen, werden Zeitverträge nicht verlängert. Doch auch Zeitkonten oder Kurzarbeit könnten eine längere Durststrecke überbrücken. Insgesamt sind die Lastwagenhersteller auf einen neuerlichen Abschwung deutlich besser vorbereitet als zu Beginn der letzten Krise im Herbst 2008, sagen Experten. Analyst Nico Dill von J.P. Morgan verweist im Falle von MAN etwa auf die breitere internationale Aufstellung durch das Geschäft in Brasilien und das Gemeinschaftsunternehmen mit Sinotruk in China.
Vor allem dort rechnet Pachta-Reyhofen weiter mit Wachstum. Doch auch in Europa soll es aus Sicht des Managers 2012 eher besser als schlechter werden. Volvo-Chef Olof Persson sagt dagegen einen Nachfragerückgang von zehn Prozent voraus. An der Seite von MAN steht Andreas Renschler, Chef der Daimler LKW-Sparte. Er sieht gute Chancen, dass es weiter nach oben geht. Um die nächsten Monate macht er sich keine Sorgen: „Unsere Produktion ist bis ins erste Quartal 2012 ausgelastet."
Und noch etwas ist anders: Die Firmen haben ihre Lieferzeiten verkürzt und damit ein Hauptproblem der letzten Krise aus dem Weg geräumt: Stornierungen. Kunden bei Scania müssen nur noch sechs bis acht Wochen auf ein neues Fahrzeug warten, MAN braucht acht bis zwölf Wochen. 2008 betrug die Wartezeit dagegen neun bis zwölf Monate. (dpa)