E-Transporter: No Strom available

Vorweg: Ich bin eigentlich ein Fan der Elektromobilität. Die Autos sind leise, nach gewisser Laufleistung umweltfreundlich und bald wahrscheinlich auch günstiger als Verbrenner. Bei meiner letzten Tour mit einem Stromer habe ich aber beinahe den Glauben an die E-Antriebe verloren. Folgendes war passiert: Ich bekam den Auftrag, einen Testwagen für die VerkehrsRundschau abzuholen. Ein Peugeote-Boxer-Kastenwagen, ein klassischer Letzte-Meile-Verteiler. Das Fahrzeug sollte für ausgiebige Tests zwei Wochen bei uns im Verlag in München verweilen und musste aus Rüsselsheim überführt werden. Die Fahrt begann um 15.50 Uhr und verlief zunächst unspektakulär. Der e-Boxer fährt leise, vom gelegentlichen Rumpeln im leeren Laderaum mal abgesehen. Ich plante meinen ersten Ladestopp nach 110 Kilometern in Bruchsal. Zwar wies der Akku hier noch eine Kapazität von über 50 Prozent auf - aber sicher ist sicher. Die ersten Vorzeichen der Probleme Auf dem Rasthof gab es mehrere Ladestationen von EnBW und Ionity. Aus Kostengründen entschied ich mich für Erstere. Ich öffnete den "Tankdeckel" vorne links, hielt die Ladekarte an die Säule des Typs Hypercharger, steckte den Stecker ein und es tat sich: wenig. Nach fünf Minuten zeigte der 150 kW-Charger immer noch einen spärlichen Ladestrom von fünf kW an. Also Abbruch, zweiten Ladestecker der Säule probiert: keine Verbindung möglich. Nächster Versuch. Keine Verbindung. Nächster Versuch: Die Säule lädt mit eins bis zwei kW und beendet nach wenigen Minuten den Ladevorgang automatisch. Das habe ich noch nie erlebt. Ist die Station kaputt? Also wechsle ich an die zweite Säule, ein ABB-Charger von EnBW. Immerhin: Hier zeigt das Display kontinuierlich 40 kW an und nach einer Stunde geht es wieder weiter. Ein blöder Zufall, sollte ich mir noch denken. Für die zweite Ladepause wählte ich den Rasthof in Merklingen, denn hier stehen Hypercharger des Anbieters Aral, welche ich bislang noch nicht testen konnte. Mit 50 Kilometern Restreichweite steuere ich die großen blauen Säulen an und erlebe das, was einem mit so wenig Puffer nicht passieren will: Alle vier Ladepunkte versagen. Teilweise funktioniert die Verbindung gar nicht, teilweise wird sie aufgebaut und nach fünf Minuten automatisch beendet. In keinem Fall stieg der Ladestrom über fünf kW, dafür aber meine Sorge, wie ich denn nun nach München kommen soll. Ratlosigkeit pur Die letzte Schnelllademöglichkeit in erreichbarer Nähe sollte in Dornstadt bei Ulm zu finden sein. Auf dem Parkplatz eines Drogeriemarktes hat EnBW zwei Hypercharger mit je zwei Ladepunkten aufgebaut. Was soll ich sagen? Es blieb bei den Verbindungsschwierigkeiten, von Ladestrom jenseits der fünf kW konnte ich nur träumen und so langsam gingen mir die Möglichkeiten aus. Mittlerweile war es nach 22.00 Uhr und ich fragte mich, ob ich es überhaupt noch nach Hause schaffen sollte. Letzter Joker: Ein Anruf beim Peugeot-Pannendienst. Mir wurde der ADAC vorbeigeschickt. Der junge Mann, der wenig später vorbeikam, war allerdings genauso ratlos wie ich und riet mir, den Transporter zu Peugeot in Ulm zu bringen. Dafür sollte die Reichweite gerade noch ausreichen. Das nächste Desaster Also: Ladevorgang beenden, Stecker abziehen. Ersteres klappte, zweites nicht. Der Boxer gab um keinen Preis das CCS-Kabel frei. Eine halbe Stunde versuchten wir alles: Auto auf, Auto zu, EnBW angerufen, Ladesäule an, aus. Nichts brachte etwas. Also schraubte der gelbe Engel die Seitenverkleidung innen ab und löste den Bolzen nach einigen Versuchen manuell. Wir fuhren gemeinsam nach Ulm, wo wir den Boxer auf dem Hof eines Peugeot-Autohauses abstellten. Die freundlichen Mitarbeiter der Pannenhotline hatten mir in der Zwischenzeit einen Ersatzwagen bestellt, mit dem ich gegen 2.15 Uhr in München ankam. Ein Benziner, versteht sich. Was war also schiefgelaufen? EnBW und Aral verweisen auf den Anbieter der Hypercharger, Alpitronic. Denn, wie mir später klar wurde, hatte ich nur an den großen Säulen die Probleme gehabt. Auf Nachfrage stellte uns Alpitronic detaillierte Log-Dateien unserer Ladeversuche, inklusive Erklärungen zur Verfügung. Wie sich herausstellte, hatte das Fahrzeug der Säule offenbar einen zu geringen Zielwert übermittelt, weshalb der Lader nicht in der Lage dazu war, den nötigen Strom bereitzustellen. Um das Phänomen gänzlich zu verstehen, lesen Sie am besten den Kasten unten links. Interessanterweise ging aus den Log-Dateien auch hervor, dass unser Fahrzeug schon früher an Hyperchargern Probleme gehabt hatte. Vermutlich wurden sie damals der Ladesäule zugeschrieben - so wie ich es zunächst auch dachte. Ist die Produktion schuld? Allerdings stellte Alpitronic auch klar, dass es bei anderen Fahrzeugen aus dem Hause Stellantis, dem Peugeot angehört, keine Ladeprobleme gibt. Auf Nachfrage in Rüsselsheim hieß es schließlich, dass der e-Boxer, anders als die anderen Fahrzeuge des Konzerns, in der Türkei gefertigt wird. Auch wenn sich das Problem nicht gänzlich aufklären ließ, so liegt der Verdacht nahe, dass das dort verbaute Steuergerät anders programmiert wurde als die der anderen Fahrzeuge des Herstellers. Zugegeben: Erfahrungen wie diese sind extrem. Und sie sind auch ein wenig fernab der Realität, denn ein e-Boxer ist dafür da, um in der Stadt oder suburban unterwegs zu sein - nicht auf der Langstrecke. Aber trotzdem erwartet man doch, dass ein CCS-Lader funktioniert, wenn er denn schon verbaut wird. Diese Geschichte zeigt, wie sehr am Anfang die E-Mobilität noch steht, wie viele kleine Fehlerchen es noch gibt. Wenn mal eine Säule nicht funktioniert - okay, das kann passieren. Aber nach über 30 erfolglosen Ladeversuchen verlässt einen schon das Vertrauen in die Technik. Wenn man den ganzen Ärger ausblendet und sich die Fakten ansieht, muss man sagen, dass dieser Vorfall äußerst ungewöhnlich ist, denn in den meisten Fällen funktioniert die E-Mobilität tadellos. Es zeigt aber auch, dass sich die Hersteller von Fahrzeugen und Ladeinfrastruktur unbedingt noch besser untereinander absprechen müssen. Wer hier am Ende einen Fehler gemacht hat, lässt sich nicht aufklären. Peugeot will bis zum Abschluss der Analyse kein Statement abgeben, Alpitronic hat seine Sicht der Dinge erklärt. Mir ist es auch egal, ich muss keinen Schuldigen finden. Ich will einfach nur laden. Mehr zum Thema finden Sie unter #ElektroLkw www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Der Worst-Case, den man sich vorstellen kann: Ein E-Transporter will partout nicht laden und es gibt keine Alternativen mehr. Ein kleines Problem hat die Überführungsfahrt eines Peugeot e-Boxers den Tester der VerkehrsRundschau in eine Geduldsprobe geführt. Wie läuft ein Ladevorgang ab? Sobald der Stecker in das Auto eingesetzt wird, verriegelt das Fahrzeug den Anschluss mitsamt Stromverbindung. So wird sichergestellt, dass das Kabel nicht während des Ladevorgangs versehentlich abgezogen werden kann. Es folgt im Falle von Alpitronic ein sogenannter Handshake. Dabei tauschen Fahrzeug und Ladestation grundlegende Informationen aus, lernen sich gewissermaßen kennen, und es laufen parallel verschiedene Sicherheitschecks ab. Ständige Kommunikation Sind diese Tests abgeschlossen, beginnt der eigentliche Ladevorgang: Alle 20 Millisekunden teilt das Auto der Säule mit, wie hoch die aktuelle Batteriespannung ist und welche Zielspannung erreicht werden soll. Zudem fordert das Fahrzeug einen gewissen Ladestrom an. Die Ladesäule schickt dann, sofern das Delta zwischen Soll und Ist groß genug ist, möglichst so viel Strom, wie vom Auto angefordert. Viele Hersteller haben laut Alpitronic ihre Fahrzeuge so programmiert, dass sie immer die höchstmögliche Batteriespannung als Zielwert ausgeben. So wird sichergestellt, dass der Abstand zwischen aktueller und der zu erreichenden Spannung groß genug ist. Der kleine Fehler Im Falle des Peugeot e-Boxers war das nicht so. Den Log-Dateien von Alpitronic zufolge lag der vom Fahrzeug ausgegebene Zielwert immer knapp nahe der aktuellen Batteriespannung oder sogar darüber. Die Ladesäule dachte also, das Fahrzeug sei bereits geladen oder annähernd voll und schickte entsprechend wenig Strom über das Kabel. Warum der e-Boxer einen derart geringen Wert ausgab, ist unklar, ebenso die Frage, weshalb das Phänomen nur bei Alpitronic auftrat. Möglich ist laut dem Anbieter, dass die Messtoleranz schuld ist: Diese liegt bei Fahrzeug und Ladesäule bei einem Prozent. Eine andere Erklärung ist, dass das im e-Boxer verbaute Ladegerät anders konfiguriert war als die der anderen E-Fahrzeuge des Herstellers. Der e-Boxer wird laut Peugeot in der Türkei gefertigt. Möglicherweise wird hier ein anderes Steuergerät verbaut, welches auf ein knappes Delta zwischen Ist-Spannung und Soll-Spannung programmiert war. Peugeot hat sich jedenfalls nach Anfrage der VerkehrsRundschau des Problems angenommen und steht mit Alpitronic in Kontakt. Ein offizielles Statement zu dem Vorfall wollte der Hersteller bis zuletzt aber nicht abgeben. ff

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