Nizza. Noch nie hat man uns vor Testfahrten absichtlich die Reifen zerstochen. Doch für die Vorstellung von Bridgestones neuer Drive Guard-Serie war das unabdingbar. Dabei handelt es sich im Prinzip um einen neuen „Run-Flat-Reifen“, der seinem Namen aber erstmals alle Ehre macht und tatsächlich platt, vollkommen ohne Luft, noch 80 Kilometer mit bis zu 80 km/h schaffen kann.
Also trieb ein Bridgestone-Mitarbeiter gleich mal einen großen Nagel in die Flanke (!) des auf dem Testwagen montierten neuen Drive Guard-Reifen und bat anschließend, die knapp vierzig Kilometer lange Teststrecke unter die teils platten Räder zu nehmen. Und die Runde hatte es in sich: Schlechte französische Nebenstraßen dritter Ordnung mit Haarnadeln und kleineren Macken, anschließend ein Stück Schnellstraße, auf dem man tunlichst mit 80 km/h unterwegs sein sollte.
Fazit: Prüfung bestanden! Selbst in scharf gefahrenen Kurven steht der Drive Guard seinen Mann respektive Pneu und auch 80 km/h machen ihm nichts aus. Sogar wenn man die Lenkung kurz loslässt, was im Fahrschulalltag nie passieren darf, spürt man erst nach vielen hundert Metern ein leichtes Ziehen in die Richtung des luftlosen Pneus und selbst nach vierzig Kilometern verschlechtern sich die Fahreigenschaften praktisch nicht. Einziges Problem: Drive Guard passt nur für City-Vans. Schon beim 2,8-Tonner kann es Probleme mit der Traglast geben und für 3,5-Tonner, wo Drive Guard noch sinnvoller wäre, steht die Entwicklung noch aus. Doch für Cityvans im täglichen Kurieralltag ist der Aufpreis von etwa zehn bis zwölf Prozent gegenüber dem Turanza gerechtfertigt, zumal der Drive Guard dem in Sachen Komfort und Rollwiderstand in nichts nachsteht, wie man bei einem zweiten Test mit vier gefüllten Reifen „erfahren“ konnte. Kein Wunder, denn der Drive Guard nutzt die Lauffläche des Turanza, wenngleich der Karkassaufbau natürlich stark vom Standardreifen abweicht.
Zusätzliche Inlets versteifen die Flanke und machen das luftlose Fahren erst möglich. Und im Gegensatz zu den herkömmlichen Run-Flat-Reifen, bei denen eine flüssige Dichtmasse Loch und damit Luftverlust schließen beziehungsweise beenden soll, kann man hier auch bei beschädigter Flanke weiterfahren. In der verstärkten Flanke soll eine neue Mischung außerdem verhindern, das zu viele Kohlenstoffmoleküle zu nah aneinander geraten, was die Temperatur des platten Pneus im Zaum halten soll. Zusätzlich tragen dazu seitliche „Kühllamellen“ bei, die den Drive Guard auch optisch gleich erkenntlich machen und den Luftwiderstand minimal erhöhen, was im Alltag laut Bridgestone allerdings vernachlässigbar sein soll. Ebenso das zusätzliche Gewicht, das die verstärkten Flanken mit sich bringen.
Den Vorteil, einfach weiter fahren zu können, schätzt man vor allem, nach dem man selbst wieder einmal Reifen wechseln durfte, denn auch das stand bei Bridgestone auf dem Programm – immerhin auf einem ruhigen Hof, wo man in aller Ruhe die Warnweste anziehen, das Warndreieck aufbauen und dann mit lausigem Bordwerkzeug mit dem Wechsel beginnen konnte. Mit etwas Geschick ist der Ersatzreifen zwar nach zwanzig Minuten montiert beziehungsweise der schadhafte Reifen mit Dichtmasse wieder aufgepumpt, doch wenn man das im Schneeregen auf der Autobahn machen müsste oder in der Innenstadt … Insofern ist die Möglichkeit, das Auto erst mal in Ruhe notfalls bis zu 80 Kilometer weit aus der Gefahrenzone zu bringen, auf jeden Fall ein Argument für den Drive Guard. Zumal Noträder respektive Dichtmasse auch nicht viel weiter helfen.
Insofern könnte die von Bridgestone ausgerufene „Revolution“ tatsächlich stattfinden. Die gebotene Performance reicht, um Auslieferungsfahrten zu retten oder umzuplanen, bevor man sich in Ruhe dem beschädigten Pneu widmet. Einziges Problem: Selbst ohne Druck macht er seinen Job so gut, das unaufmerksame Fahrer, die womöglich noch laut Musik hören oder telefonieren gar nicht merken könnten, dass ihrem runden Begleiter etwas fehlt. Die Sommerformate werden ab März geliefert, die Wintergrößen folgen ab Juni. (gs)