Stuttgart. Die Unternehmen im Südwesten haben angesichts wirtschaftlicher Turbulenzen in der Corona-Pandemie viele Ausbildungsplätze abgebaut. Im Bereich der Industrie- und Handelskammern fiel der Rückgang in der Medien- und Veranstaltungsbranche, im Tourismus sowie im Verkehrs- und Transportgewerbe besonders drastisch aus, wie der baden-württembergische Dachverband BWIHK am Dienstag zum offiziellen Ausbildungsstart mitteilte. Wegen des Abbaus etlicher Lehrstellen meldeten die Betriebe in Industrie, Handel und Dienstleistungsgewerbe nun insgesamt 6280 weniger Auszubildende als noch vor einem Jahr - das entspricht einem Minus von 15,5 Prozent.
Die Gesamtzahl der Kontrakte im Zuständigkeitsbereich der BWIHK ging damit auf 34.250 zurück. Hauptgrund für den Abbau vieler Ausbildungsplätze sei die schwierige wirtschaftliche Lage, in der sich viele Firmen befänden, hieß es. Die Corona-Pandemie habe in den Unternehmen für große Unsicherheiten gesorgt. „Solche Zahlen haben wir zwar erwartet, sie machen uns aber dennoch große Sorgen“, sagte BWIHK-Vizepräsidentin Marjoke Breuning.
Baden-Württemberg: 6,8 Prozent weniger Ausbildungsplätze
In vielen Gegenden ist den Angaben zufolge auch ein deutliches Minus bei den Ausbildungsplätzen im Gastgewerbe zu sehen - in der Region Stuttgart beträgt es beispielsweise 37 Prozent. „Hier fürchten viele Betriebe um ihre Existenz und stellen wenig oder gar keine Azubis ein“, sagte Breuning. Auch in der Industrie nahm die Zahl der neuen Ausbildungsverträge sichtbar ab - beispielsweise im Bereich der Metalltechnik. Breuning führte das allerdings nur zum Teil auf die Pandemie zurück, ein wichtiger Faktor seien hier auch die Transformationsprozesse in der Autoindustrie. „Klassische Metallberufe werden nicht mehr so nachgefragt“, sagte sie.
Der BWIHK vertritt mehr als 650.000 Südwest-Unternehmen aus der Industrie, dem Handel und dem Dienstleistungsgewerbe. Nicht in den BWIHK-Bereich fallen beispielsweise Handwerksbetriebe, Ärzte, Architekten, Künstler, Landwirtschaftsbetriebe, Wissenschaftler oder Rechtsanwaltskanzleien. Branchenübergreifend vermeldete die baden-württembergische Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit bei den Ausbildungsplätzen am Dienstag ein Minus von 6,8 Prozent im Vorjahresvergleich auf 75.356 Stellen (Stand Mitte August).
Trotzdem mehr Ausbildungsstellen als Interessenten
Breuning appellierte wie auch Landeswirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) an die Unternehmen, mit etwas Verspätung noch Ausbildungsplätze anzubieten. Breuning sagte, der Trend sei positiv. Bereits in den letzten Wochen hätten landesweit noch viele Verträge geschlossen werden können. „Die Aufholjagd bei der Besetzung der Lehrstellen hat begonnen.“ Hoffmeister-Kraut sagte, alle Beteiligten müssten Anstrengungen unternehmen, damit Bewerber und Unternehmen zusammenfänden. „Eine Berufsausbildung ist praxisnah, sinnvoll und lukrativ, zudem weiterhin zukunftssicher und aussichtsreich.“
Tatsächlich könnten mit etwas Verspätung noch eine Reihe von Ausbildungsverträgen geschlossen werden. Denn trotz aller Probleme gibt es auch in diesem Jahr mehr Ausbildungsstellen als Interessenten. Nach neuen Daten der Arbeitsagentur standen Mitte August 12.577 unversorgte Bewerber noch 22.730 unbesetzten Ausbildungsplätzen gegenüber. „Vielleicht kommt es jetzt mehr zu einem Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage“, sagte Breuning, betonte aber: „Es bleibt dabei, dass sich die jungen Menschen flexibel zeigen müssen.“
Ein Problem sind auch die zahlreichen Einschränkungen, mit denen Ausbilder und Azubis in der Pandemie zurechtkommen müssten. „Es ist deutlich steriler geworden“, sagte der Ausbildungsleiter des Heidenheimer Technologiekonzerns Voith, Erwin Krajewski. Das fange bei den traditionellen Einführungswochen für neue Azubis an und setze sich bei der täglichen Arbeit fort. Ohne Maskenpflicht gehe es bei den Auszubildenden nicht. „Da sind wir vielleicht ein bisschen strenger unterwegs als sonst.“ (dpa/sn)